Huthi-Soldaten in Sanaa (Jemen)
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Jemen Wie die Huthi mächtig wurden

Stand: 04.02.2024 11:48 Uhr

Die Huthi im Jemen gehen zurück auf die schiitische Gruppierung der Zaiditen im Norden des von Bürgerkrieg und Instabilität geprägten Landes. Heute stehen die Huthi im Zentrum des Nahost-Konflikts. Wie konnte es dazu kommen? 

"Arabia Felix": Die Zeiten, da der Jemen im Ausland als "glückliches Arabien" bezeichnet wurde, sind lange her - ebenso wie der Reichtum des Landes, auf den die Römer mit ihrem Titel damals abhoben. 

Den Jemen kennzeichnet eine lange Geschichte von Rebellion, Unruhen und Bürgerkrieg. Seit Jahrzehnten ist die Region im Süden der arabischen Halbinsel von Instabilität geprägt, die nicht zuletzt das Ergebnis anhaltender Konflikte von miteinander um Macht und Einfluss konkurrierender Stämme ist.

Die Spaltung des Landes vollzieht sich auch entlang religiöser, politischer und sozialer Trennlinien und wird zudem von widerstreitenden Interessen regionaler Mächte im eigenen und aus anderen Ländern vertieft. 

Ein Land am Rande des Ost-West-Konflikts

Bis 1990 war der Jemen ein geteiltes Land. Die Demokratische Volksrepublik Jemen im Süden wurde von einer sozialistischen Einheitspartei regiert und im Systemkonflikt zwischen Ost und West den Staaten des sogenannten Ostblocks zugerechnet. 

Die Arabische Republik Jemen im Norden war schon damals die vergleichsweise deutlich unruhigere Region, in der mehrheitlich schiitische wie auch sunnitische Stämme sowohl untereinander als auch gegeneinander um Machtpositionen im Staat rangen. Mehrere Regierungschefs wurden durch Revolten gestürzt und dabei getötet. 

Neue Kämpfe nach Vereinigung

Die auf den Zusammenbruch des Ostblocks folgende Vereinigung beider Staaten im Mai 1990 führte indes nicht zu Stabilität. Vielmehr mündete sie bald in einen Bürgerkrieg, der 1994 mit dem Sieg nördlicher Truppen endete. 

Präsident Ali Abdullah Salih, der schon seit 1978 im Norden regiert hatte, blieb mehr als 30 Jahre an der Macht. 2012 zwangen ihn Massendemonstrationen zum Rücktritt.

Unter seiner autoritären Herrschaft hatten sich die Lebensbedingungen im Land drastisch verschlechtert. Dabei spielten das enorme Bevölkerungswachstum, die notorische Ressourcenknappheit des Landes und eine ausufernde Vetternwirtschaft der herrschenden Elite eine herausragende Rolle. Spannungen mit Nachbarstaaten, insbesondere mit Saudi-Arabien, und das Erstarken der Terrormiliz Al Kaida im Süden der arabischen Halbinsel verstärkten die wirtschaftliche und soziale Not.

Karte: Jemen, Israel und das Rote Meer

Ungelöste Konflikte und neue Akteure

Vor allem im Norden blieb der Konflikt mit den schiitischen Zaiditen ungelöst, die das Land mehr als tausend Jahre - bis zum republikanischen Umsturz von 1962 - beherrscht hatten und sich danach zunehmend an den Rand gedrängt fühlten.

Hier liegt auch die Wurzel für das Entstehen und Erstarken der bewaffneten Kräfte, die heute unter dem Namen Huthi berüchtigt sind. 

Aufbegehren gegen den Süden

Schon vor der Vereinigung des Landes hatten sich die Al Huthi, eine Familie zaiditischer Gelehrter, mit Stämmen der Region zur Ansar-Allah-Miliz ("die Anhänger Gottes") vereinigt, um die Regierung im Süden des Landes zu bekämpfen. 

Dieser Widerstand gegen die Zentralmacht verschwand nie und nahm, um eine vehemente anti-amerikanische und pro-palästinensische Komponente bereichert, zu Beginn der 2000er-Jahre noch zu. 

Ab 2004 gingen Präsident Salihs Truppen immer vehementer gegen die Ansar-Allah-Miliz vor, der er Separatismus vorwarf; zudem bezichtigte er den Iran, die Kämpfer zu finanzieren.

Irans Einfluss

Der Führung in Teheran gelang es zusehends durch finanzielle Zuwendungen, Waffenlieferungen und logistische Unterstützung, die Huthi-Miliz als Teil der sogenannten "Achse des Widerstands" für ihre strategischen Ziele im Nahen Osten einzuspannen. Diese Ziele bestehen vor allem aus einer permanenten Bedrohung Israels sowie der vollständigen Verdrängung der USA aus der Region.

In den innerjemenitischen Kämpfen wurden bis 2010 Tausende getötet, Hunderttausende mussten fliehen. Miliz-Anführer Badr al-Din al-Huthi wurde dabei getötet, ihm zu Ehren nahm die Miliz seinen Namen an. 

Wieder ein Bürgerkrieg - ab 2014

Eine Waffenruhe hielt nur kurz. Im Jahr 2011 schlug die Salih-Regierung einen Aufstand der Huthi brutal nieder, im Jahr darauf übergab Salih die Macht an seinen Nachfolger Abed Rabbo Mansur Hadi. Unter ihm flammten die Kämpfe wieder auf, wodurch sich die Lebensbedingungen im ohnehin ärmsten Land der arabischen Halbinsel weiter verschlechterten. 

Im September 2014 nahmen die Huthi die Hauptstadt Sanaa und die wichtige Hafenstadt Hudeida ein. Präsident Hadi floh nach Saudi-Arabien. Nach der Auflösung des Parlaments Anfang 2015 kündigten die Huthi an, die Macht im ganzen Land übernehmen zu wollen, verbündeten sich dafür sogar mit ihrem einstigen Gegner Salih. 2017 kündigte Salih die Allianz jedoch auf, noch im selben Jahr soll er von Huthi-Kämpfern getötet worden sein.

Der Konflikt wird international

Kurz darauf griff unter Führung Saudi-Arabiens eine Militärallianz die Huthi aus der Luft an. An der Allianz beteiligten sich unter anderem Ägypten und die Golfemirate Kuwait, Katar, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate. Die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich leisteten logistische Unterstützung. 

Die Angriffe und eine Seeblockade zielten vor allem darauf ab, den Einfluss des Iran in der Region einzudämmen, der als die eigentliche Macht hinter den Huthi ausgemacht wurde. Die Huthi wiederum griffen im Laufe des Jahre immer wieder Ziele in Saudi-Arabien an. 

Eine beispiellose Katastrophe

Ihr Ziel, die Huthi von der Macht zu vertreiben, verfehlte die Intervention jedoch. Stattdessen löste sie eine beispiellose humanitäre Katastrophe aus, die Millionen Menschen in die Flucht und in den Hunger trieb. 2022 sprachen die UN von der schlimmsten humanitären Katastrophe der Welt. 

Angriff auf den Schiffsverkehr

Die Huthi wiederum beherrschen auch heutzutage nicht den ganzen Jemen, aber den Großteil des Landes. Der Konflikt mit den Nachbarstaaten ist auf Eis gelegt, seit sich Saudi-Arabien und der Iran 2023 nach jahrelanger Eiszeit auf Vermittlung Chinas wieder angenähert haben. 

Dafür haben sich die Huthi aktiv in den Krieg im Gazastreifen eingeschaltet und attackieren den Schiffsverkehr am Roten Meer - um damit die Volkswirtschaften des Westens zu treffen. In der Folge greifen seit Jahresbeginn die USA und Großbritannien Stellungen der Huthi an.

War der Krieg auf der arabischen Halbinsel für viele Menschen im Westen noch weit weg, so steht das Land und stehen die Huthi nun im Zentrum eines internationalen Konflikts, dessen Ende - für alle Beteiligten - noch nicht absehbar ist. 

 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 22. Januar 2024 um 21:45 Uhr.