Brexit-Kurs Ein weiterer Schicksalstag für May
Tritt die britische Premierministerin im Brexit-Streit zurück - oder wird sie gar gestürzt? Beobachter gehen davon aus, dass May heute ein konkretes Datum für einen Rückzug verkündet.
Wird die britische Premierministerin Theresa May heute einen Termin für ihren Rücktritt bekanntgeben? Und wenn ja: Worauf bezieht der Rücktritt sich dann? Die Spekulationen gehen durch die Decke.
Als denkbar gilt, dass May ihren Vorsitz als Parteichefin niederlegt, als Premierministerin zunächst aber im Amt bleibt. Am Vormittag wird sie Graham Brady treffen, den Vorsitzenden des 1922-Komitees. Offiziell ist das die Gruppe der konservativen Hinterbänkler, aber im Deutschen ist der Name irreführend. Tatsächlich ist die Gruppe sehr mächtig und sie treibt die Partei- und Regierungschefin schon seit einiger Zeit vor sich her.
Wird Theresa May sich äußern? Journalisten warten in der Downing Street in London auf ein Statement der britischen Premierministerin.
Wird May gestürzt?
Für Aufsehen sorgt in dieser Angelegenheit ein Briefumschlag. Am Mittwoch soll das 1922-Komitee eine geheime Abstimmung durchgeführt haben, ob die Parteisatzung geändert werden soll, um May mithilfe eines neuen Misstrauensvotums stürzen zu können. Angeblich wird Brady heute bei dem Treffen den Briefumschlag mit dem Ergebnis dabei haben.
Wenn May nicht einwilligt, bis zum 10. Juni zurückzutreten, wolle Brady den Umschlag öffnen, heißt es. Hat sich die Mehrheit der Tory-Abgeordneten dann für die Änderung der Parteisatzung ausgesprochen, steht May ein weiteres Misstrauensvotum ins Haus. Aber was würde Mays Ablösung bedeuten? "Die Premierministerin auszutauschen, bringt gar nichts, denn die Mehrheitsverhältnisse im Unterhaus ändern sich dadurch nicht", heißt es von konservativen Abgeordneten.
Dann gibt es die Kollegen, die schon regelrecht Mitleid mit der Parteichefin haben: "Absolute Verzweiflung. Die Premierministerin tut mir so leid. Ich kann nur hoffen, dass meine Kollegen in ihre Wahlkreise gehen und sich anhören, was die Wähler wollen in dieser politischen Krise. Das wird vielleicht ihren Blick auf die Dinge verändern."
Zahl der Gegner wächst
Aber innerhalb der Tory-Fraktion gibt es eben auch ganz andere Stimmen: "Wir brauchen jetzt einen Wechsel. Mays Versuche, ihr Austrittsgesetz durchzubringen, sind fehlgeschlagen. Sie hat ihr Bestes versucht, aber Tatsache ist, dass dieses Gesetz nicht durchgehen wird." Wie verheerend die Wirkung ist, die dieses Austrittsgesetz entfaltet hat, macht dieser Abgeordnete klar: "Die Rede am Dienstagabend ist eingeschlagen wie eine Bombe. Es gibt jetzt ein ganze Menge an konservativen Abgeordneten, die das Austrittsgesetz vorher unterstützt haben und jetzt absolut dagegen sind."
Mit diesem Austrittgesetz wollte May indirekt noch ihren Brexit-Deal durchbringen, hat aber große Teile der eigenen Partei gegen sich aufgebracht. Wobei es vielen offenbar nicht mehr um Inhalte geht, sondern um die Person. May kann zu diesem Zeitpunkt schon nichts mehr richtig machen.
Wenn am Sonntagabend die Wahlergebnisse der Europawahl veröffentlicht werden, könnte es mit der Sympathie ganz vorbei sein. Die Tories müssen mit einem miserablen Ergebnis rechnen, möglicherweise mit dem schlechtesten seit Gründung der Partei. Und die war im Jahre 1834.