EU-Reaktionen zu Schulz-Wechsel Kann Mr. Europa auch Bundespolitik?
Respekt, Bedauern und Erleichterung: Die Reaktionen aus Brüssel auf den angekündigten Wechsel des überzeugten Europäers Schulz in die Bundespolitik sind vielfältig. Und nicht alle sind überzeugt, dass er sich damit einen Gefallen getan hat.
Echte Überraschung war nicht zu spüren. Dass Martin Schulz das Amt des Parlamentspräsidenten zum Jahreswechsel aufgeben und für die Bundes-SPD nach Berlin wechseln könnte, hatten Freund und Feind schon länger einkalkuliert.
Trotzdem löste die kurzfristig anberaumte Presseerklärung, die nun endlich Klarheit brachte, im doppelten Sinne Bewegung aus - nicht zuletzt bei Schulz' prominentestem Rivalen, Freund und Weggefährten, EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker: "Martin Schulz ist nicht nur ein überzeugter Europäer, sondern auch ein überzeugender Europäer. Und deshalb hätten wir ihn weiterhin hier in Brüssel gebraucht, aber in Berlin wird er sich auch hilfreich einbringen können."
Dass Juncker den Rückzug des Deutschen - wie so viele in Brüssel - bedauert, verwundert freilich niemanden. Spätestens seit der letzten Europawahl im Mai 2014 verbindet die beiden ehemaligen "Spitzenkandidaten" eine enge politische und persönliche Partnerschaft, obwohl sie verschiedenen Parteien angehören. Bei wichtigen Themen und vor großen Treffen stimmten sich der Konservative und der Sozialdemokrat regelmäßig ab und sorgten so für eine weitgehend reibungslose Zusammenarbeit zwischen den Institutionen.
Ende einer Seilschaft
Eine Seilschaft, die nun endet, was Juncker beunruhigt, bei der Grünen Ska Keller dagegen kein Bedauern auslöst: "Wenn es zum Beispiel darum ging, einen Untersuchungsausschuss für die LuxLeaks einzuberufen - da hat sich Schulz nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Auch nicht bei der TTIP-Debatte, bei der CETA-Debatte, wo er interne Kritiker gerne durch Verfahrenstricks außen vor gelassen hat.
Im eigenen Lager, aber auch bei den verbündeten Christdemokraten, wurde die Nachricht von Schulz' Abschied überwiegend mit Respekt aufgenommen. So erklärte der Vorsitzende der Europa-SPD, Udo Bullmann, sein Wechsel in die Bundespolitik werde auf EU-Ebene "eine große Lücke hinterlassen". Unter seiner Präsidentschaft habe das Parlament das Ansehen und die Bedeutung errungen, die ihm gebührten. Laut Bullmann wäre Schulz auch für weitere zweieinhalb Jahre "die beste Lösung" gewesen.
Lob und Erleichterung
Manfred Weber, CSU-Vize und Chef der konservativen EVP-Fraktion, fand für den langjährigen Parlamentspräsidenten ebenfalls lobende Worte. Der Niederbayer dankte Schulz für sein herausragendes Engagement und nannte ihn einen "kraftvollen und durchsetzungsstarken Europäer": Seine Rolle für die Zusammenarbeit in Europa ist vor allem durch seine Aufgabe als Spitzenkandidat und dann auch als Parlamentspräsident anerkannt. Die Leidenschaftlichkeit und auch die Deutlichkeit, mit der er bis heute gekämpft hat, ist außergewöhnlich und dafür haben wir viel Respekt."
Ein bisschen dürfte Weber aber auch erleichtert sein. Wie er ankündigte, wollen Europas Konservative - als stärkste Kraft im Parlament - die entstandene Lücke bald füllen und ihrerseits versuchen, die unter Schulz erreichte Stabilität zu bewahren - dies auch vor dem Hintergrund aufstrebender populistischer Parteien und zahlreicher Krisen in der EU.
Nachfolger-Kür im Januar
Ob er sich selbst um die Nachfolge des charismatischen Rheinländers bewerben wird, wie viele in Brüssel für möglich halten, wollte der Christsoziale nicht sagen. Im Dezember werde seine Fraktion, wie geplant, ihren Kandidaten benennen, so Weber. Mitte Januar soll dann das Parlament in Straßburg entscheiden.
Abzuwarten bleibt, ob Schulz' Nachfolger dessen Fußstapfen wird ausfüllen können. Und ob er selbst in Berlin eine ähnlich starke Rolle spielen kann wie in Brüssel. Schulz hat dies zumindest vor, wie er in seinem dreisprachigen Statement beteuerte. Sein Noch-Stellvertreter, der Liberale Alexander Graf Lambsdorff, ist da eher skeptisch: "Der Mann hat Ecken und Kanten. In Deutschland trifft er auf eine verkrustete und völlig verunsicherte SPD. Vielleicht bringt er da ein bisschen frischen Wind rein, aber ob das der richtige Schritt war - das werden erst die nächsten Jahre zeigen."