EU erhöht Druck auf Moskau Appelle und Sanktionsdrohungen
Die internationalen Bemühungen für eine Deeskalation der Krim-Krise laufen weiter auf Hochtouren. Die EU-Außenminister drohen mit Sanktionen, appellieren aber zugleich an Moskau, im Gespräch zu bleiben. Die OSZE will eine Beobachtermission schicken.
Als Reaktion auf Russlands Truppenbewegungen auf der ukrainischen Halbinsel Krim droht nun auch die Europäische Union der Regierung in Moskau mit Sanktionen. "Russland hat eindeutig die ukrainische Souveränität und territoriale Integrität verletzt", sagte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton nach mehrstündigen Beratungen mit den EU-Außenministern in Brüssel. "Wir rufen Russland dazu auf, seine Truppen umgehend in die Kasernen und auf die Positionen zurückzuziehen, die sie vor Beginn der Krise inne hatten."
In der Schlusserklärung der Außenminister hieß es, falls es keine Deeskalation durch Russland gebe, würden die Gespräche mit Moskau über Visa-Erleichterungen und weitere Abkommen ausgesetzt. Aber die EU-Außenminister forderten Russlands Präsidenten Wladimir Putin auch auf, mit der Ukraine, der EU, der OSZE und anderen zu reden.
"Das Risiko, das wir jetzt schon sehen, besteht darin, dass in dieser zugespitzten Situation irgendjemand schlicht und einfach die Nerven verliert - gar nicht aufgrund einer politischen Entscheidung - und sich die Dinge dann fast eigenständig entwickeln", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier nach den Beratungen. "Das müssen wir verhindern mit den Möglichkeiten, die wir haben." Die Entwicklung in der Ukraine sei die schwerste Krise seit dem Mauerfall.
EU-Sondergipfel am Donnerstag
Über das weitere Vorgehen wollen die EU-Staats- und Regierungschefs am kommenden Donnerstag auf einem Sondergipfel beraten. Am Dienstag will Ashton in Madrid den russischen Außenminister Sergej Lawrow treffen, bevor sie am Mittwoch nach Kiew weiterreist.
US-Außenamt: Sanktionen in Vorbereitung
Die Regierung in Washington erhöhte derweil den Druck auf Moskau. Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jennifer Psaki, sagte, Sanktionen würden bereits konkret vorbereitet und auch erlassen, wenn sich die Lage in der Ukraine weiter entwickle wie bisher. Außenminister John Kerry hatte bereits am Sonntag Strafmaßnahmen gegen Russland ins Spiel gebracht und der Regierung in Moskau mit dem Ausschluss aus der Gruppe der acht führenden Industrienationen (G8) gedroht.
Doch auch Washington setzt auf Diplomatie: US-Präsident Barack Obama sagte, Russland solle internationalen Beobachtern die Vermittlung einer Übereinkunft ermöglichen, die für alle Ukrainer akzeptabel sei. Putin habe sich "auf die falsche Seite der Geschichte" gestellt.
Weitere Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats
Im UN-Sicherheitsrat lieferten sich Russland und die USA am späten Abend einen Schlagabtausch angesichts der Ukraine-Krise. Der russische UN-Botschafter Vitali Tschurkin erklärte, sein Land habe auf einen Hilferuf des geflohenen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch reagiert, der Präsident Wladimir Putin um militärische Unterstützung gebeten habe, um für "Legitimität, Frieden, Recht und Ordnung, Stabilität sowie den Schutz des ukrainischen Volkes" zu sorgen.
Die amerikanische UN-Botschafterin Samantha Powers entgegnete daraufhin süffisant: "Man könnte denken, dass Moskau gerade zum verlängerten Arm der schnellen Eingreiftruppe des UN-Kommissars für Menschenrechte geworden ist."
Die Sondersitzung des Sicherheitsrats fand auf Antrag Russlands statt. Bereits am Freitag und Samstag hatten sich die 15 Mitglieder des mächtigsten UN-Gremiums zu kurzfristig einberufenen Sitzungen getroffen.
NATO-Rat tagt auf Antrag Polens
Die Krise auf der Krim ist am Dienstag auch Thema des NATO-Rats. Das Gremium aus allen ständigen Vertretern der NATO komme auf Antrag Polens zusammen, sagte Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Das Treffen sei auf Grundlage von Artikel 4 des NATO-Vertrags einberufen worden. Ein NATO-Staat kann ein solches Treffen auf Basis von Artikel 4 beantragen, wenn es seine territoriale Unversehrtheit, politische Unabhängigkeit oder Sicherheit bedroht sieht. Polen ist ein Nachbarland der Ukraine.
OSZE will Beobachtermission schicken
Unmittelbar nach dem Beschluss mit der Sanktionsdrohung machte sich Steinmeier von Brüssel aus auf den Weg nach Genf. Dort traf er den russischen Außenminister Lawrow. Auch mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und dem schweizerischen Präsidenten der OSZE, Didier Burkhalter, waren Gespräche geplant - über eine Erkundungsmission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in der Ukraine und über eine Kontaktgruppe. Die internationale Kontaktgruppe soll als Plattform für die Koordination internationaler Unterstützung dienen.
Kontaktgruppe: Ziel der internationalen Gemeinschaft ist es, dass Russland und die Ukraine direkt miteinander ins Gespräch kommen. Neben den beiden Konfliktparteien sollen der Kontaktgruppe mehrere weitere Staaten und Organisationen angehören. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE, soll beteiligt sein und könnte eventuell die Leitung übernehmen. Auch die Vereinten Nationen könnten einbezogen werden. Eine wichtige Bedeutung misst die Bundesregierung einer Mitgliedschaft des Europarats in der Kontaktgruppe zu. Dem in Straßburg sitzenden Gremium - das auch über die Einhaltung der Menschenrechte in seinen Mitgliedstaaten wacht - gehören sowohl die Ukraine als auch Russland an.
Beobachtermission: Eine "Fact Finding Mission" der OSZE soll die Lage auf der Halbinsel Krim klären. Aus den Erkenntnissen soll sich dann das Handeln der internationalen Gemeinschaft ableiten. Durch ihre Anwesenheit vor Ort könnten die Beobachter zugleich einer weiteren Eskalation entgegenwirken. Allerdings gilt in der OSZE, der sowohl Russland als auch die Ukraine angehören, das Konsensprinzip. Die Entsendung einer offiziellen Beobachtermission hat Russland bislang verhindert. Bei einem Sondertreffen beschloss die OSZE allerdings, umgehend "Vorausteams" in die Ukraine zu schicken.