Putin und die Gewalt in Nahost Beobachter, Vermittler - Nutznießer?
Es dürfte Russland entgegenkommen, dass sich die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit von der Ukraine Richtung Nahost verschoben hat. Präsident Putin bringt sich als Vermittler ins Spiel.
Schuld am Terrorangriff der Hamas auf Israel sind die USA und die EU. Und natürlich die Ukraine. Ohne jeden Beweis vorzulegen, behauptete dies am Dienstag Wjatscheslaw Wolodin. Er ist Duma-Chef und damit einer der wichtigsten Politiker Russlands im Parlament. "Die USA und Brüssel haben die Ukraine mit Waffen überflutet. Und die ukrainische Führung hat die an die Länder im Nahen Osten weiterverkauft", sagte er.
Sucht man also die Schuldigen, so sind dies - seiner Meinung nach - offensichtlich Joe Biden, Emmanuel Macron und Olaf Scholz. Sie seien Schuld am palästinensisch-israelischen Konflikt. Sie schaffen die Spannungen in der Welt.
Eine brutale Terrorattacke zur indirekten Rechtfertigung des eigenen Krieges nutzen - oder der Militärischen Spezialoperation, wie es offiziell heißt - das löste in Moskau keinen vernehmbaren Protest aus.
Aufmerksamkeit verschiebt sich auf den Nahen Osten
Es dürfte der russischen Führung derzeit zumindest entgegenkommen, dass die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit sich von der Ukraine Richtung Nahost verschoben hat. Und womöglich, hoffte etwa Präsidentensprecher Dmitri Peskow, werden jetzt Gelder und Waffen der USA eher Richtung Israel gehen statt in die Ukraine. Er sagte in einem Pressebriefing: "Das wird ganz unvermeidlich passieren, denn Möglichkeiten haben ihre Grenzen, Geld kann knapp werden. Es gibt eine emotionale Ermüdung und berechtigte Fragen der ausländischen Steuerzahler, wofür genau das Geld ausgegeben wird. Wir beobachten das."
Im Konflikt nach dem Terrorangriff der Hamas selbst versucht Russland zu balancieren. Eine deutliche öffentliche Verurteilung des Hamas-Terrors gab es nicht. Beide Seiten wurden aufgefordert zur Waffenruhe und zu Verhandlungen.
"Natürlich haben wir langjährige historische Beziehungen zu den Palästinensern und bleiben im Kontakt - auch auf hoher Ebene. Gleichzeitig pflegen wir unsere Beziehungen zum Staat Israel, mit dem wir viele Gemeinsamkeiten haben", so Präsidentensprecher Peskow. Es gebe eine hohe Zahl von Landsleuten, "die in Israel leben. Daher pflegen wir Beziehungen zu beiden Parteien".
Unter den gut neun Millionen Einwohnern Israels sind etwa zwei Millionen russischsprachige Menschen. Seit Beginn von Russlands Krieg gegen die Ukraine kamen 37.000 Russen nach Israel. Und: Durch den Angriff der Hamas sind auch russische Staatsbürger gestorben, mehrere werden vermisst.
Russlands Bemühungen um aktive Vermittlerrolle
Russland bemüht sich um eine aktive Vermittlerrolle. "Nicht nur die Kämpfe müssen dringend gestoppt werden und die Nöte der Zivilisten gelöst werden, die zu Opfern der heutigen Situation werden", sagte Außenminister Sergej Lawrow beim Treffen mit dem Chef der Arabischen Liga in Moskau. Man müsse besonders auf die Ursachen des Konflikts schauen, "warum das Palästina-Problem seit Jahrzehnten ungelöst ist".
Der Westen habe die Arbeit des Nahost-Quartetts behindert - also von Russland, den USA, der EU und der UN. Erst am Dienstag legte der russische Außenminister in einem langen Aufsatz dar, wie der Westen mit seinem neokolonialen Ansatz versuche, allein zu vermitteln, anderen die eigenen Werte aufzuzwingen.
Rückkehr auf die Weltbühne?
Eine Sicht, die Russlands Präsident Wladimir Putin sehr häufig vorträgt. "Dies ist ein klares Beispiel für das Scheitern der Politik der USA im Nahen Osten. Sie haben versucht, die Regelung zu monopolisieren, sich aber leider nicht darum gekümmert, dabei für beide Seiten akzeptable Kompromisse zu finden", sagte er am Dienstag bei seinem Treffen mit dem irakischen Regierungschef in Moskau.
Es wäre Druck auf beide Seiten ausgeübt worden, so Putin weiter, "ohne die grundlegenden Interessen des palästinensischen Volkes zu berücksichtigen und den Beschluss des UN-Sicherheitsrates umzusetzen zur Schaffung eines unabhängigen souveränen palästinensischen Staates".
Russland als starker Vermittler im Nahen Osten: Dies wäre nicht nur ein diplomatischer Erfolg, sondern eine Art Rückkehr auf die Weltbühne - trotz des Krieges gegen die Ukraine.