Leichnam vor Knesset aufgebahrt Israel nimmt Abschied von Scharon
Die Israelis haben heute die Gelegenheit, ihrem ehemaligen Premier Scharon die letzte Ehre zu erweisen. Der Leichnam wurde vor der Knesset, dem israelischen Parlament, aufgebahrt. Scharon war gestern nach acht Jahren im Koma gestorben.
Israel trauert um einen der letzten aus der Generation der Staatsgründer, einen großen Kriegshelden und einen Politiker, der bereit war zu führen, seine eigenen Überzeugungen gegen alle Widerstände durchzusetzen.
Ein Anführer wie Ariel Scharon fehlt heute, sagt ein Passant in Tel Aviv: "Man wird sich immer an ihn erinnern. Wenn er noch lebte, wäre er heute Premierminister. Eine gute Alternative zu Benjamin Netanjahu, wenn nicht sogar die einzige."
Netanjahu würdigt Scharon als "großen Feldherrn"
Netanjahu selbst würdigte vor allem den Soldaten Scharon. Ein großer Feldherr sei er gewesen, sagte Israels Premier. Zu Scharons Lebzeiten galt das Verhältnis zwischen ihm und Netanjahu als gespannt.
Nun erklärte Netanjahu: "In jeder seiner Funktionen als Minister und später auch als Premierminister leistete Ariel seinen Beitrag für die Sicherheit und die Verteidigung des Landes. Dies tat er in dem Bewusstsein, dass das jüdische Volk in der Lage sein muss, sein Land mit eigenen Kräften zu verteidigen."
"Architekt Israels"
Israels Staatspräsident Schimon Peres sagte, sein Freund Ariel habe seinen letzten Kampf verloren. Peres würdigte Scharon als Architekten Israels: "Er kannte keine Angst und wusste schwierige Entscheidungen - militärische und zivile - zu treffen, die er mit Mut in Zeiten des Krieges und in Zeiten des Friedens durchzusetzen wusste."
Rückzug aus dem Gazastreifen - für viele ein Fehler
Der 1928 als Sohn weißrussischer Einwanderer geborene Scharon kämpfte in den Kriegen gegen die arabischen Nachbarn. Später ging er in die Politik, war Minister in mehreren Regierungen. 2001 wurde er Premier.
Rund vier Jahre später kündigte Scharon den Rückzug Israels aus dem Gazastreifen an. Viele seiner Landsleute sehen das heute als Fehler - auch diese Frau aus Tel Aviv: "Auf der anderen Seite war er auch ein Held. Das dürfen wir nicht vergessen. Aber aus politischer Sicht war der Abzug ein Fehler."
Für Hamas ein "historischer Augenblick"
Auf palästinensischer Seite löste Scharons Tod keine Trauer aus. In Gaza wurden Bilder mit seinem Konterfei auf offener Straße verbrannt.
Die Hamas sprach von einem "historischen Augenblick für das palästinensische Volk". Für einen Einwohner von Gaza-Stadt ist Scharons Ende ein Grund zum Feiern: "Wir sind überwältigt vor Freude. Der Mann war ein Tyrann und Mörder von Frauen und Kindern, der mit seinen Füßen die Al Aksa Moschee entweihte."
Staatsbegräbnis am Montag
Scharons provokanten Spaziergang auf den Jerusalemer Tempelberg haben die Palästinenser nicht vergessen. Auch nicht, dass er während der zweiten Intifada das Militär in die palästinensischen Autonomiegebiete schickte und dass er 1982 Verteidigungsminister war - als in Beirut unter den Augen israelischer Truppen palästinensische Flüchtlinge von libanesischen Milizen massakriert wurden.
2006 erlitt Scharon einen Schlaganfall und fiel ins Koma. Nun erlag er im Alter von 85 Jahren einem Multiorganversagen. Seine letzte Ruhestätte soll Scharon auf der Farm der Familie im Süden des Landes finden.