Netanyahu vor Gericht Historischer Prozessauftakt in Israel
Kein israelischer Regierungschef ist länger im Amt als Benjamin Netanyahu. Heute schreibt er erneut Geschichte: Als erster amtierender Premier steht er vor Gericht. Die Anklage: Bestechlichkeit, Betrug und Untreue.
Am Nachmittag wird es soweit sein: Dann muss mit Benjamin Netanyahu zum ersten Mal in der Geschichte Israels ein amtierender Premierminister auf der Anklagebank Platz nehmen. Im Anschluss wird der 70-Jährige noch einmal hören, was genau ihm vorgeworfen wird.
Was Netanyahu von der Anklage hält, hat er auch zuletzt immer wieder deutlich gesagt: "Ich glaube nicht, dass auch nur der kleinste Teil dieser haltlosen Anschuldigungen übrig bleiben wird. Es ist ein Witz. Aber ich werde da sein, so wie es das Recht erfordert."
Der Premier muss vor Gericht erscheinen
Netanyahu wollte das Erscheinen vor Gericht am ersten Prozesstag vermeiden. Seine Anwälte argumentierten, weil es sich bei der Anklageverlesung um einen technischen Termin handele, seien die anfallenden Kosten, wenn der Regierungschef mit seinen Leibwächtern kommen müsse, nicht zu vertreten. Das Gericht lehnte den Antrag ab.
Dem Premierminister werden Untreue, Betrug und Bestechlichkeit zur Last gelegt. Nach jahrelangen Ermittlungen erhob Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit im vergangenen November Anklage. "Der Tag, an dem gegen einen amtierenden Ministerpräsidenten Anklage erhoben wird wegen schwerer Vergehen der Bestechlichkeit, ist ein harter Tag für die Öffentlichkeit und auch für mich persönlich", sagte Mandelblit damals.
Israels Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit hat jahrelang gegen Netanyahu ermittelt.
Mehrere Korruptionsfälle im Blick
Es geht um drei unterschiedliche Ermittlungskomplexe. Netanyahu und seine Frau sollen Luxusgeschenke von Unternehmern angenommen haben. Im Gegenzug, so die Darstellung der Ermittler, setzte er sich für die Interessen der Geschäftsleute ein. Außerdem wird ihm eine illegale Absprache mit einem Zeitungsverleger zur Last gelegt.
Am schwersten wiegt der Vorwurf, der Premier, der vorübergehend auch Kommunikationsminister seines Landes war, habe einem Medienunternehmer wettbewerbsrechtliche Vorteile verschafft, damit ein Internetportal des Geschäftsmanns möglichst positiv über die Netanyahus berichtet. Der Regierungschef bestreitet alle Vorwürfe und spricht von einer Verschwörung gegen ihn, einem Putschversuch durch die Justiz. Einen Rücktritt schließt er kategorisch aus.
Prozess könnte Jahre dauern
Unterstützer und Gegner Netanyahus haben zum Prozessbeginn Demonstrationen vor dem Gerichtsgebäude in Jerusalem angekündigt. Nach dem Prozessauftakt bekommen Verteidigung und Staatsanwaltschaft noch einmal Zeit für die weitere Vorbereitung auf Basis der verlesenen Anklage.
Die mündliche Verhandlung mit Zeugenbefragungen wird voraussichtlich erst in zwei bis drei Monaten beginnen und wohl Jahre dauern. Sollte Netanyahu wegen Bestechlichkeit verurteilt werden, drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.