EU einigt sich auf Schengen-Reform Grenzen dicht als letztes Mittel
Die Staaten in Europa können künftig im Alleingang Grenzkontrollen einführen. Auf diese Reform des Schengen-Raums haben sich die EU-Staaten, das Europaparlament und die EU-Kommission nach langen Verhandlungen geeinigt.
Die Länder des Schengen-Raums dürfen künftig in Ausnahmefällen leichter wieder Grenzkontrollen einführen. Die EU-Mitgliedstaaten, das Europaparlament und die EU-Kommission einigten sich nach langen Verhandlungen auf einen neuen Notfall-Mechanismus.
Danach können etwa bei der Ankunft zahlreicher Flüchtlinge die nationalen Grenzen für insgesamt bis zu zwei Jahre geschlossen werden, wie EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström mitteilte. Die Kommission werde aber kontrollieren, dass diese Möglichkeit nicht durch die nationalen Regierungen missbraucht werde.
EU-Innenminister hatten Neuregelung gefordert
Die EU-Innenminister wollen die Einigung Ende der kommenden Woche bei einem Treffen in Luxemburg offiziell bestätigen. Sie hatten die Möglichkeit zur Wiedereinführung von Grenzkontrollen in Europa gefordert, wenn sie das Funktionieren des Schengen-Raums etwa durch viele Flüchtlinge bedroht sehen.
Gedacht ist der Mechanismus als letztes Mittel, wenn die Schengen-Außengrenze durch eines der Mitgliedsländer trotz EU-Unterstützung nicht wirksam geschützt wird. Auslöser der Neuregelung war unter anderem die Ankunft zahlreicher Flüchtlinge aus Nordafrika während des Arabischen Frühlings.
Deutschland legte Veto gegen Erweiterung ein
Die letzte Erweiterung des Schengenraumes um Rumänien und Bulgarien hatte Deutschland im März verhindert. Die Länder seien "noch nicht reif" für Schengen, hatte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich den Schritt begründet.
Vor knapp zwei Jahren hatte die damalige dänische Regierung Kontrollen an den Grenzen zu Deutschland und Schweden wieder eingeführt. Damals drohte die EU-Kommission mit rechtlichen Schritten. "Die Kommission wird nicht zögern, alle zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um den freien Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr zu garantieren", sagte Malmström im Juli 2011. Nach dem Regierungswechsel im Oktober 2011 schaffte die neue Regierung unter Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt die umstrittene Regelung wieder ab.
Das Abkommen von Schengen in Luxemburg beseitigte 1985 zunächst die Schlagbäume zwischen Deutschland, Frankreich und den Benelux-Ländern. Heute gehören 26 Staaten zum "Schengen-Land", in dem keine Binnengrenzen kontrolliert werden sollen. Neben 22 der 28 EU-Ländern (alle außer Großbritannien, Irland, Zypern, Bulgarien, Rumänien und Kroatien) sind das Norwegen, Island, Liechtenstein und die Schweiz.
Die Landgrenzen dieses Schengen-Raums mit mehr als 400 Millionen Einwohnern sind mehr als 7700 Kilometer lang, die Seegrenzen knapp 42.700 Kilometer. An den Grenzen zwischen den Schengen-Staaten werden Reisende nur noch in Stichproben oder bei besonderen Ereignissen kontrolliert.
Nach Artikel 23 des Schengener Grenzkodex kann ein Mitgliedsland "im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit" für einen begrenzten Zeitraum an seinen Grenzen ausnahmsweise wieder Personen kontrollieren. Die Maßnahmen dürfen höchstens 30 Tage dauern oder so lange, wie die "schwerwiegende Bedrohung" andauert. Die Schengen-Staaten nutzten diese Klausel zum Beispiel, um vor großen Sportveranstaltungen oder Gipfeltreffen Reisende zu kontrollieren.
Artikel 26 lässt notfalls auch eine Verlängerung der Kontrollen auf bis zu zwei Jahre zu, wenn "anhaltende schwerwiegende Mängel bei den Kontrollen an den Außengrenzen" das Funktionieren des Schengenraums insgesamt gefährden. Im Falle der Flüchtlingssituation in Griechenland muss die EU jetzt ausdrücklich feststellen, dass die Sicherung der EU-Außengrenzen auch nach den ersten 30 Tagen mit Grenzkontrollen nicht funktioniert. Sollten die EU-Länder der Meinung sein, dass die EU-Außengrenzen nicht gesichert sind, kann die EU dem Antrag Griechenlands zur Verlängerung von Grenzkontrollen stattgeben.