Krieg in Syrien Verbalattacken der Großmächte
Nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien stimmt sich US-Präsident Trump mit Frankreich und Großbritannien über eine Reaktion ab. Russland droht schon mal mit Vergeltung. Die europäische Luftraumüberwachung warnt.
Nach dem jüngsten mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien hat sich die internationale Krise dramatisch zugespitzt. US-Präsident Donald Trump befeuerte Spekulationen über einen baldigen Militärschlag der USA. Eine geplante Reise nach Südamerika sagte er ab. Er wolle in Washington bleiben, um die Reaktion der USA festzulegen. Stattdessen werde Vizepräsident Mike Pence nach Südamerika reisen.
Zuvor hatte Trump den möglichen Giftgasangriff als "abscheuliche Tat" verurteilt und eine "harte Antwort" angekündigt. Wie diese aussehen soll, ließ die Regierung in Washington bislang offen. Militärische Schritte schloss sie nicht aus.
Russland würde Abschussvorrichtungen angreifen
Der russische Botschafter im Libanon drohte den USA mit Vergeltungsschlägen, sollten sie Syrien mit Raketen angreifen. "Wenn es einen Angriff der Amerikaner geben sollte, dann würden die Raketen abgeschossen", sagte Botschafter Alexander Sasypkin dem Hisbollah-Fernsehsender al-Manar. Es würden aber auch die Abschussvorrichtungen angegriffen, von denen aus die Raketen abgefeuert würden, sagte er unter Berufung auf eine Erklärung des russischen Präsidenten Wladimir Putin und des russischen Armeechefs. Potenzielle Angriffsziele wären damit auch US-Kriegsschiffe in der Region, wenn von denen Marschflugkörper abgefeuert würden.
Damit würde eine direkte Konfrontation der beiden Atommächte drohen. Noch am Vortag hatte Russlands Vize-Außenminister Michail Bogdanow die Gefahr einer militärischen Konfrontation als gering bezeichnet und erklärt, es gebe auf Arbeitsebene Kontakte zwischen Vertretern beider Mächte wegen Syrien. Er glaube, dass sich der gesunde Menschenverstand durchsetzen werde.
Bei dem gemeldeten Giftgaseinsatz auf die von Rebellen kontrollierte Stadt Duma in Ost-Ghouta am Samstag sollen nach Angaben der Hilfsorganisation Weißhelme mindestens 42 Menschen getötet worden sein. Mehr als 500 Personen wurden demnach in Krankenhäusern behandelt.
Streit über rechtliche Grundlagen eines US-Angriffs
In den USA wird darüber gestritten, ob Trump die rechtlichen Grundlagen für einen Militäreinsatz in Syrien hat. Mehrere US-Senatoren beider großer Parteien meldeten sich zu Wort. Die republikanische Seite vertrat mehrheitlich die Ansicht, Präsident Trump habe die Legitimation für einen begrenzten Angriff. Die meisten Demokraten erklärten hingegen, dies wäre ein Gesetzesbruch.
Eine vom Kongress nach den Terroranschlägen in New York und Washington im Jahr 2001 erlassene und noch immer geltende Direktive erlaubt militärische Maßnahmen im Kampf gegen den islamistischen Terror. "Ich kann mir keine noch so große Menge an kreativer Juristerei vorstellen, die es erlauben würde, damit eine Intervention in Syrien abzudecken", sagte der unabhängige, jedoch den Demokraten zugeneigte Senator Angus King dem Sender CNN.
Frankreich prüft Einsatz in Syrien
Unterstützung bekam Trump von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron. Angriffe auf "chemische Kapazitäten" in Syrien seien möglich, sagte Macron. Frankreich tausche sich mit Partnern aus, vor allem mit den USA und mit Großbritannien. "Wir werden unsere Entscheidung in den kommenden Tagen mitteilen."
Bereits in der Vergangenheit, etwa bei dem Einsatz von Giftgas im syrischen Chan Scheichun, hatte Macron Chemiewaffen als "rote Linie" bezeichnet - und ebenfalls mit militärischen Reaktionen gedroht.
Zerstörte Häuser in der Stadt Duma, Ost-Ghouta. Bei dem mutmaßlichen Giftgas-Angriff sollen mindestens 42 Menschen getötet worden sein.
Trump telefoniert mit Macron und May
Trump telefonierte wegen der Krise erneut mit Macron. Dabei bekräftigten beide ihren Wunsch nach einer entschlossenen Reaktion der internationalen Gemeinschaft, wie der Élyséepalast mitteilte. Trump telefonierte auch mit Großbritanniens Premierministerin Theresa May. Die beiden hätten sich darauf geeinigt, dass es keine weiteren Einsätze chemischer Waffen in Syrien geben dürfe, hieß es aus dem Weißen Haus.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, dass "die Evidenz" für den Einsatz von Chemiewaffen "sehr, sehr klar und sehr deutlich ist". "Es ist schon erschütternd, dass nach so vielen internationalen Diskussionen und Ächtungen immer wieder dort Chemiewaffen eingesetzt werden. Und davon müssen wir leider ausgehen", so Merkel. Sie forderte die UN auf, diesbezüglich eine "sehr deutliche Sprache" zu sprechen.
Auch die NATO verturteilte den Angriff in Duma. "Jeder Einsatz von chemischen Waffen ist inakzeptabel und die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden", sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg.
Bundeskanzlerin Merkel zufolge ist es "sehr, sehr deutlich", dass in Duma Giftgas eingesetzt wurde.
Syrische Armee in Alarmbereitschaft
Die USA machen die Regierung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad für den mutmaßlichen Giftgasangriff verantwortlich. Russland wies jegliche Anschuldigungen gegen die syrische Regierung zurück. Moskau erklärte, die Rebellen hätten den Angriff lediglich inszeniert. Russland ist im Syrien-Krieg ein enger Verbündeter der Regierung von Machthaber Assad.
Die syrische Regierung versetzte ihre Armee "in höchste Alarmbereitschaft", um auf eventuelle Angriffe reagieren zu können. Das berichtet die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Mehrere Stützpunkte in verschiedenen Landesteilen seien zudem angesichts möglicher Angriffe vorsorglich geräumt worden, berichtet die Beobachtungsstelle.
Warnung für Flüge im östlichen Mittelmeer
Angesichts der Spannungen vor einem möglichen Militäreinsatz der USA und anderer Staaten gegen Syrien hat die Luftraumüberwachung Eurocontrol alle Airlines auf mögliche Probleme im östlichen Mittelmeer hingewiesen. In der gestern veröffentlichten Warnung hieß es, dass "innerhalb der nächsten 72 Stunden" Luftangriffe in Syrien sowie der Einsatz von Raketen und Marschflugkörpern möglich seien.
Zuvor hatten bereits die Flugaufsichtsbehörden verschiedener Länder vor Flügen in den syrischen Luftraum gewarnt. Doch die Mitteilung von Eurocontrol umfasst mit einem Bezug zu der Gegend um Zypern ein größeres Gebiet. Eurocontrol bezog sich auf eine Mitteilung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA).