Nordsyrien Pentagon fordert Rückzug türkischer Truppen
Seit dem türkischen Einmarsch in Nordsyrien sind mehr als 100.000 Menschen auf der Flucht. Die USA fordern die Türkei zum Rückzug auf. Ankara hingegen verlangt Solidarität der NATO-Partner.
Das Pentagon hat die Türkei zum Abbruch der Militäroffensive in Nordsyrien aufgerufen. Das teilte US-Verteidigungsminister Mark T. Esper nach Angaben des Pentagons seinem türkischen Amtskollegen Hulusi Akar in einem Telefonat mit. Demnach gefährde die türkische Offensive die Fortschritte der internationalen Koalition gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat". Nach einem türkischen Angriff brachen nach kurdischen Angaben fünf IS-Kämpfer aus einem Gefängnis in der Stadt Qamischli aus.
Die Türkei hatte am Mittwoch ihren dritten Einsatz in Nordsyrien begonnen, um die Kurdenmiliz YPG von der Grenze zu vertreiben. Der Einmarsch folgte auf die überraschende Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, amerikanische Soldaten aus der Grenzregion abzuziehen. Die türkische Regierung will eine sogenannte Sicherheitszone unter ihrer alleinigen Kontrolle einrichten. Dort sollen auch Millionen syrische Flüchtlinge angesiedelt werden, die derzeit in der Türkei leben.
Mehr als 100.000 Menschen auf der Flucht
Nach Angaben des UN-Menschenrechtsbüros gibt es "verstörende Berichte" von Bodenangriffen türkischer Truppen oder von Gruppen, die dem türkischen Militär nahestünden. Unter anderem seien die Wasserversorgung, Dämme, Kraftwerke und Ölfelder getroffen worden, sagte ein Sprecher. Nach einem türkischen Luftangriff siei die Wasserversorgung in der Region Aluk zusammengebrochen. Mehr als 100.000 Menschen in der Region seien auf der Flucht.
Türkei verlangt NATO-Solidarität
Für den Einmarsch in Syrien wurde die Türkei heftig kritisiert. Die EU erwägt, Sanktionen zu verhängen. Die Türkei fordert hingegen ein "klares und deutliches" Bekenntnis der Solidarität der NATO-Staaten. "Im Rahmen des Grundsatzes der Unteilbarkeit der Sicherheit ist es unsere natürlichste und legitimste Erwartung, dass sich unsere Alliierten mit uns solidarisieren", sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu in einer Pressekonferenz mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. "Es reicht also nicht zu sagen: 'Wir verstehen die legitimen Sorgen der Türkei'. Wir wollen diese Solidarität klar und deutlich sehen."
Die kurdischen Milizen waren im Kampf gegen den "Islamischen Staat" ein enger Verbündeter der USA. Ihre Truppen gingen in Syrien am Boden gegen die Extremisten vor und konnten wichtige Gebiete einnehmen. Sie überwachen außerdem zahlreiche Lager mit gefangenen IS-Kämpfern.
Mahnung zur Zurückhaltung
Stoltenberg mahnte die Türkei zur Zurückhaltung bei ihrem Militäreinsatz. Er habe "ernste Bedenken hinsichtlich einer Destabilisierung der Region" und habe die türkische Regierung gebeten, "zurückhaltend zu agieren". Er warnte auch davor, mit der Offensive die Erfolge im Kampf gegen den IS zu gefährden. Insbesondere bestehe die Sorge, dass gefangen genommene IS-Kämpfer entkommen, sagte Stoltenberg.
121 Festnahmen von Kritikern
Interne Kritik will die Türkei zum Schweigen bringen. Wegen kritischer Beiträge gegen die Offensive im Internet seien bisher 121 Menschen festgenommen worden, sagte Innenminister Süleyman Soylu. Außerdem habe man rund 500 Konten auf sozialen Medien überprüft, die den Einsatz als Besatzung bezeichnet und ihn "beleidigt" hätten. Die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, einigen Betroffenen werde Terrorpropaganda und Aufwiegelung vorgeworfen. Soylu kündigte weitere Ermittlungen an.