Pläne des ukrainischen Präsidenten Korruption soll mit Verrat gleichgesetzt werden
Immer wieder erschüttern Korruptionsskandale die Ukraine. Nun will Präsident Selenskyj das Parlament zu strengeren Strafen bei Korruption auffordern. Für die Dauer des Krieges soll sie mit Landesverrat gleichgesetzt werden.
Die Regelung solle nur solange gelten, wie in der Ukraine der Kriegszustand herrsche, erklärte Wolodymyr Selenskyj in einem Interview. Sie sei ein wichtiges wichtiges Instrument, um die Korruption zu bekämpfen.
"Keiner soll auch nur daran denken, in Kriegszeiten Schmiergeld zu nehmen. Wir erschießen die Übeltäter ja nicht, das ist kein Stalinismus", so der Präsident. "Aber wenn es Beweise gibt, dann sollte der Schuldige hinter Gitter wandern. Der Sieg im Krieg ist wichtig, und er wird kommen. Aber wichtig ist auch der Sieg über den inneren Feind, die Korruption."
Das Strafmaß würde dadurch deutlich steigen, auf mindestens zehn Jahre Freiheitsentzug. Für Staatsverrat ist aber auch eine lebenslängliche Freiheitsstrafe möglich. Zudem solle künftig auch der Geheimdienst SBU in Korruptionsfällen ermitteln, heißt es in Selenskyjs Präsidialamt. Sein Vorschlag werde schon in der kommenden Woche im Parlament beraten, sagte Selenskyj.
Vorwürfe gegen den Verteidigungsminister
Der Vorstoß des Präsidenten kommt vor dem Hintergrund verschiedener Korruptionsvorwürfe aus den vergangenen Monaten. Erst gestern wehrte sich Verteidigungsminister Oleksij Resnikow bei einer Pressekonferenz gegen den Bericht einer Internetzeitung, im vergangenen Jahr seien untaugliche Winterjacken für Soldaten gekauft worden - von einer Firma, die mit einem Parlamentsabgeordneten verbunden sei.
Resnikow erklärte, die Ukraine habe damals im Eiltempo Jacken für die mobilisierten Soldaten kaufen müssen. "Wir haben uns damals an alle gewandt, die uns Winterkleidung liefern konnten, wir brauchten 1.180.000 Jacken. Das waren schwierige Zeiten, in denen wir die Lieferanten nicht darauf überprüft haben, ob sie allen Compliance-Regeln entsprechen. Tatsache ist aber, dass wir von der Firma, um die es hier geht, volltaugliche Winterjacken erhalten haben."
Entlassungen in Kreiswehrersatzämtern
In diesem Fall halten unabhängige Antikorruptionsaktivisten die Darstellung des Ministeriums für glaubhaft. Im Januar allerdings hatte ein Vize-Verteidigungsminister seinen Hut nehmen müssen - weil Nahrungsmittel für Soldaten zu erhöhten Preisen eingekauft worden waren. Und Selenskyj kündigte vor kurzem an, die Leiter aller Kreiswehrersatzämter zu entlassen. Viele von ihnen sollen Schmiergeld genommen haben, um einzelne Männer vom Kriegsdienst freizustellen.
Im Juli wurde ein mutmaßlicher Skandal bei der medizinischen Versorgung an der Front publik. Rund 40.000 Erste-Hilfe-Sets von Soldaten sollen minderwertige sogenannte Tourniquets enthalten, mit denen man verletzte Gliedmaßen abbinden kann. Darüber informierten an der Front eingesetzte medizinische Hilfskräfte.
Könnten Bürgerräte helfen?
Korruption sei ein Problem, das nicht nur mit höheren Strafen bekämpft werden sollte, meint Anastasia Schuba, die seit neun Jahren als freiwillige Helferin die Armee unterstützt. Deshalb gehört sie einem Bürgerrat für Korruptionsbekämpfung im Verteidigungsministerium an. "Wir begleiten Maßnahmen, die Korruption bekämpfen sollen. Wir verfolgen auch Korruptionsvorwürfe aus der Gesellschaft. Und wir gehen auf den Minister oder den zuständigen Beamten zu und sagen, wo Korruptionsrisiken bestehen und wie man sie ausräumen sollte."
Sie hoffe, dass auch andere Ministerien solche Bürgerräte einführen, sagt Schuba. Den Kauf von Rüstung darf der Bürgerrat im Verteidigungsministerium allerdings bisher nicht kontrollieren, gibt sie zu.