Europawahl 2024
BSW nach Europawahl Aus dem Stand auf 6,2 Prozent
Das Bündnis Sahra Wagenknecht gibt es erst seit fünf Monaten. Trotzdem kommt die Partei bei der Europawahl auf 6,2 Prozent. Ein Wahlerfolg, nicht nur auf Kosten der Linken.
Sahra Wagenknecht strahlt. Selten hat man die stets kontrolliert wirkende Parteivorsitzende des BSW so gelöst gesehen. "Es war die absolut richtige Entscheidung, eine neue Partei zu gründen", sagt sie heute auf der Pressekonferenz in Berlin. Und sie betont, dass das BSW im Osten sogar auf Platz 3 gelandet ist und damit eine Kraft sei, die die Politik in Deutschland verändern werde. Das klingt selbstbewusst, aber auch erleichtert.
Wagenknecht weiß, dass ein Scheitern der neuen Partei, die ihren Namen trägt und immer noch wie eine "One-Woman-Show" wirkt, auch ihr eigener politischer Untergang hätte bedeuten können. Nun ist es anders gekommen.
Das Bündnis hat erst vier Landesverbände, konnte bei einigen Kommunalwahlen nicht antreten und hat erst etwa 650 Mitglieder bundesweit. Der gestrige Wahlerfolg wird somit allgemein als beachtlich bezeichnet, das BSW selbst nennt ihn historisch.
Erste Bewährungspobe
Die Abspaltung von den Linken war erst im vergangenen Oktober, doch bei der gestrigen ersten Bewährungsprobe für die neue Partei hat das BSW keineswegs nur ehemals linke Wählerinnen und Wähler zu sich hinüber gezogen. Die größte Wählergruppe, die sich jetzt für das BSW entschieden hat, kommt von der SPD: 580.000.
580.000 Wählerinnen und Wähler gewinnt das BSW von der SPD.
Blick nach vorn
Und obwohl auf dem Podium, mit Ausnahme von Thomas Geisel, dem Ex-SPD-Bürgermeister von Düsseldorf, nur ehemalige linke Politikerinnen und Politiker sitzen, scheint das BSW mit dieser politischen Vergangenheit abgeschlossen zu haben. Angesichts des schlechten Wahlergebnisses der Linken von 2,7 Prozent, gibt sich Sahra Wagenknecht freundlich distanziert und - wie sie betont - ohne Häme: "Wir sind ja aus der Linken heraus gegangen, weil wir der Überzeugung waren, dass der Kurs, den die Linke fährt, nämlich grüner als die Grünen zu sein, dass es dafür kein ausreichendes Wählerpotential gibt."
Das war es dann aber auch schon mit dem Rückblick. Stattdessen präsentieren sich die einstigen "Quälgeister in der Linken" (so Wagenknecht selbst über sich und ihre Anhänger), selbstbewusst als neue Player im politischen Wettkampf.
Offen für Koalitionen - unter Bedingungen
Und das heißt konkret, dass das BSW nichts gegen Neuwahlen im Bund hätte und bei einer möglichen Vertrauensfrage des Kanzlers Olaf Scholz nicht das Vertrauen aussprechen würde. Das heißt aber auch, dass das BSW sich als Koalitionspartner beispielsweise in Sachsen sieht, dafür aber bereits Bedingungen stellt.
"Wenn wir mit fliegenden Fahnen unter Herrn Kretschmer in eine Regierung gehen und alles geht weiter wie bisher, würden wir nicht nur unser Parteiprojekt zerstören, sondern auch viele enttäuschen. Das wird nicht stattfinden."
Und was eine Koalition mit der SPD angeht, da argumentiert Parteichefin Wagenknecht mit einem fast mitleidigen Lächeln, dass es mit den Sozialdemokraten und ihren schlechten Wahlergebnissen im Osten ja wahrscheinlich sowieso nicht für eine Mehrheit reichen würde.
Abgrenzung zur AfD
Deutlich dagegen die Distanz zur AfD. Auch wenn die Migrationsskepsis des BSW ein Teil des Wahlerfolgs ist, sieht Sahra Wagenknecht insbesondere in der wirtschaftspolitischen Ausrichtung der AfD keinerlei Basis für eine Zusammenarbeit mit ihrer eigenen Partei.
"Die AfD lehnt sehr viele Dinge ab, die für uns essenziell sind: Die AfD hat gegen unseren höheren Mindestlohn gestimmt, sie ist dafür, den Soli für sehr Reiche abzuschaffen. Sie ist gegen eine stärkere Besteuerung sehr reicher Leute und auch gegen Mietregulation." Für die Arbeit im EU-Parlament ergänzt der BSW-Spitzenkandidat Fabio de Masi: "Bei uns ist klar, wir würden mit Frau Meloni oder Frau Le Pen nicht zusammenarbeiten."
Mit wem das BSW und seine sechs Abgeordneten im künftigen EU-Parlament eine Koalition bilden will, dazu will de Masi allerdings noch nichts sagen, deutet allerdings an, dass er sich eine Zusammenarbeit mit der italienischen Fünf-Sterne Bewegung gut vorstellen kann. Die gilt als Europa-skeptisch und russlandfreundlich.
Parteienlandschaft aufgerüttelt
Dem BSW fehlt eine breite personelle Aufstellung neben Wagenknecht, ihm fehlen Mitglieder, Landesverbände und - am wichtigsten - ihm fehlt ein fundiertes Programm.
Trotzdem hat die neue Partei mit einer bisher in Deutschland nicht vorhandenen Mischung aus linken und rechten Inhalten ein Potential erreicht, das Deutschlands Parteienlandschaft aufrüttelt und bei den Landtagswahlen im Osten im kommenden Herbst neue Koalitionsmöglichkeiten eröffnet.