Europawahl 2024
Wahlkampfabschluss der Linken Im Krisenmodus in die Wahl
Europawahlen waren für die Linke schon immer ein schwieriges Terrain, in diesem Jahr kommt noch Konkurrenz aus den ehemaligen eigenen Reihen hinzu. Die Partei kämpft gegen den Bedeutungsverlust.
"Gerechtigkeitswahlkampf", so nennt die Linke ihre Wahlkampftour und behauptet selbstbewusst, dass das mit der Gerechtigkeit "nur mit links" ginge.
Klar ist aber auch: Die Linke ist in einer Krise. Das ist schon länger so, aber vor Wahlen fällt es besonders auf. In Potsdam fand nun die Abschlussveranstaltung der linken Wahlkampftour statt - mit dem Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Martin Schirdewan, der Parteivorsitzenden Janine Wissler und dem Allzeit-Linken Gregor Gysi.
Gysi teilt dabei gleich mal aus: "Ich bin ja auch eitel", sagt er auf der Bühne vor etwa 300 Leuten, "aber ich bin noch nie auf die Idee gekommen, eine Partei nach mir zu benennen!" Der Seitenhieb gegen das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kommt gut an, die Leute applaudieren lachend. Das Publikum ist bunt gemischt - viele sehr junge Menschen, viele über 70, alles dazwischen eher wenig vertreten.
"Klassisch linke" Themen dominieren die Bühne
Bei den Rednern auf der Bühne geht es um die klassischen linken Themen. Darum, dass Krankenhäuser in öffentliche Hand müssten, dass börsennotierten Wohnungsunternehmen die Lizenz entzogen werden müsse und dass die Bundesregierung mit ihrer Kürzungspolitik und dem Sozialabbau nicht durchkommen dürfe.
Eine Frau versucht das Publikum zu animieren und skandiert laut: "Mieten runter, Löhne rauf!" Die Resonanz ist eher verhalten. Das Publikum hört ruhig und konzentriert zu, aber Begeisterung kommt nicht auf.
Die Menschen wählen entweder "schon immer" die Linke, oder sie sind überzeugt von der Wichtigkeit der linken Ziele. "Es muss mehr um soziale Gerechtigkeit gehen, um Ökologie aber auch, und wir müssen eine menschlichere Migrationspolitik haben", sagt eine junge Frau, die ganz sicher die Linke wählen will.
Und ein älterer Herr ergänzt, dass er es besser fände, wenn es in Deutschland eine hohe Vermögens- und Erbschaftssteuer geben würde. Und dafür würde sich eben vor allem die Linke einsetzen.
Schreckgespenst BSW
Martin Schirdewan, der seit 2017 im EU-Parlament sitzt und auch jetzt Spitzenkandidat ist, warnt vor den "Lobby-Kumpels" der Konservativen und den "Fascho-Kumpels" der AfD und betont, dass nur die linke Fraktion die Gewerkschaften gestärkt habe. Fast flehend hört es sich an, wenn er dann sagt: "Eine Sache, die ihr bitte im Herzen tragen sollt: Wir sind die einzige Partei, die keine Spenden annimmt, wir senden unkorrumpierbare Abgeordnete ins Parlament!"
Aber auch Schirdewan weiß, dass es bei der Wahl am Sonntag schwierig wird. EU-Wahlen waren für die Linke schon in der Vergangenheit nicht besonders erfolgreich und nun ist da nicht nur die bisherige Konkurrenz.
Jetzt gibt es auch noch das Bündnis Sahra Wagenknecht. Darüber spricht man nicht gern, aber jedem im Führungsteam der Linkspartei ist klar, dass viele einstige linke Wählerinnen und Wähler nun zum BSW wechseln werden. Momentan liegt die Linke in Umfragen bei drei bis vier Prozent, das BSW bei etwa sieben.
Die Politikwissenschaftlerin Sabine Kropp von der Freien Universität Berlin schätzt es so ein: "Die Linke wird auf jeden Fall mit einem Rückgang ihrer Zustimmung zu kämpfen haben. Einerseits bei den Europawahlen, aber - noch gravierender - bei den Landtagswahlen im Herbst. Insofern ist das Aufkommen des BSW ein ernsthaftes Problem für sie."
Mehr Harmonie seit Wagenknechts Weggang
Auch dieser Wahlkampf zeigt, wie schwer es der Linken fällt, neue Wählerinnen und Wähler zu gewinnen unter denen, die sich abgehängt fühlen, die große finanzielle Probleme haben, die mit Renten von 1.000 Euro oder Mindestlohn auskommen müssen.
Die klassische linke Klientel des "kleinen Mannes" hat sich abgewandt, das aktuelle Führungsteam aus Schirdewan und Wissler ist vielen Menschen unbekannt. Nach wie vor zieht Gysi die meisten Zuhörerinnen und Zuhörer. Allerdings ist er, ebenso wie Gesine Lötzsch oder Dietmar Bartsch, auch nicht das Aushängeschild für einen neuen Aufbruch der Linken in die Zukunft.
Immerhin, die großen innerparteilichen Streits sind seit dem Weggang von Sahra Wagenknecht geringer und stiller geworden. Die Zusammenarbeit von Partei und der übriggebliebenen Gruppe im Bundestag funktioniert besser als zuvor. Die Linke gibt sich große Mühe sich zusammen zu raufen. Spät, eventuell zu spät für viele Wählerinnen und Wähler.