Der AstraZeneca Impfstoff in einer Schale.
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AstraZenecas Corona-Impfstoff Warum Vaxzevria nicht mehr zugelassen ist

Stand: 30.07.2024 16:58 Uhr

Seit heute ist der Corona-Impfstoff von AstraZeneca in der EU nicht mehr zugelassen. In den sozialen Medien werden Bedenken bei der Sicherheit als Grund gehandelt. Tatsächlich geht es um kommerzielle Interessen.

Von Laura Bisch, ARD-faktenfinder

Auf der Plattform X (vormals Twitter) kursiert aktuell die Schlagzeile, der Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca sei gestoppt worden. Ein Nutzer schreibt etwa: "Erst konnte man das experimentelle Zeug Millionen Menschen nicht schnell genug aufzwingen und jetzt das." Eine andere Nutzerin postet: "Ist ja nicht so, als wenn man es nicht geahnt hätte, dass man lieber großen Abstand von #AstraZeneca nehmen sollte." Doch was sind die Hintergründe?

Zulassung für AstraZeneca-Vakzin entzogen

Tatsächlich hat die EU-Kommission die Zulassung für das Vakzin Vaxzevria von AstraZeneca bereits am 27. März widerrufen. Bekannt ist das seit dem 3. April. Laut der Kommissionsentscheidung tritt der Entzug der Zulassung am 7. Mai in Kraft. In der Europäischen Union ist die EU-Kommission die zentrale Stelle für Zulassungen oder den Widerruf von Zulassungen von Medikamenten - und damit auch von Impfstoffen. Eine solche Kommissionsentscheidung gilt dann europaweit. Die EU-Kommission bekommt wiederum Empfehlungen der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA).

Anders als in den sozialen Medien suggeriert sind Sicherheitsbedenken bei dem Vakzin kein Grund für den Schritt. Wie eine Sprecherin der Kommission auf eine Anfrage des ARD-faktenfinders mitteilte, erfolgte der Schritt auf Initiative des Unternehmens AstraZeneca. In der EU-Kommission habe es demnach keine Zweifel an Sicherheit oder Wirksamkeit des Impfstoffs gegeben.

Zur Einordnung hieß es aus der EU-Kommission, es sei nicht ungewöhnlich, "dass Unternehmen die Rücknahme der Marktzulassung von Arzneimitteln oder Impfstoffen aus kommerziellen Gründen beantragen". Dies könnte - so die Kommission weiter - zum Beispiel der Fall sein, wenn das Produkt in der EU nicht mehr gefragt ist.

AstraZeneca beantragte Rücknahme der Marktzulassung

AstraZeneca selbst bestätigte auf Anfrage des ARD-faktenfinders, dass das Unternehmen den Widerruf der Zulassung beantragt hat. Zur Begründung nannte AstraZeneca, dass inzwischen "mehrere Varianten von COVID-19-Impfstoffen entwickelt wurden" und es "eine Menge an verfügbaren aktualisierten Impfstoffen" gibt. Dadurch sei es zu einem Rückgang in der Nachfrage nach dem Impfstoff gekommen, der daraufhin nicht mehr hergestellt oder verteilt wurde.

Das Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, teilte auf Nachfrage mit, der Impfstoff Vaxzevria werde in Deutschland bereits seit dem 1. Dezember 2021 nicht mehr eingesetzt. Einen direkten Zusammenhang mit den bekannten Impfnebenwirkungen von Vaxzevria stellte das Institut bei seiner Antwort nicht her.

Mögliche negative Effekte wie die sogenannte Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom - auch bekannt als TTS - seien in den Produktinformationen des Präparats vermerkt, schreibt das Institut in einer Antwort auf die Anfrage des ARD-faktenfinders. Man habe von Beginn der Pandemie an "in periodisch erscheinenden Sicherheitsberichten über die Sicherheit von COVID-19-Impfstoffen und darin immer wieder auch beispielsweise über die TTS berichtet".

Wie das Paul-Ehrlich-Institut dem WDR vor einigen Monaten mitteilte, beträgt die Melderate von "Verdachtsfällen schwerwiegender Nebenwirkungen" in Deutschland weiterhin 0,29 pro 1.000 Impfungen. Das heißt: Nach etwa jeder 3.450. Impfung kommt es zu einem solchen Verdachtsfall.

Nebenwirkungen bereits seit 2021 bekannt

Wann genau AstraZeneca welche Nebenwirkungen des Impfstoffes bekannt gab, stand zuletzt zur Debatte. Medienberichte in Großbritannien und Deutschland titelten am Wochenende, AstraZeneca habe in Gerichtsdokumenten anlässlich eines Falles in Großbritannien erstmals zugegeben, "dass sein Covid-Impfstoff seltene Nebenwirkungen verursacht haben soll". Zuerst hatte die britische Zeitung "The Telegraph" mit Blick auf den Fall Jamie Scott berichtet.

Auf Anfrage des ARD-faktenfinders widersprach AstraZeneca dieser Darstellung. Das Unternehmen teilte mit: "Die jüngsten Medienberichte zur Sicherheit sind nicht neu und spiegeln nicht die Fakten wider." Die Produktinformationen zum AstraZeneca-Oxford-Impfstoff seien bereits im April 2021 mit Zustimmung der britischen Aufsichtsbehörde MHRA aktualisiert worden und berücksichtigten auch die Möglichkeit, dass der Impfstoff in sehr seltenen Fällen Auslöser einer TTS sein könne, schrieb das Unternehmen in einer Antwort. Die Aktualisierung sei demnach gut dokumentiert und öffentlich verfügbar gewesen.

Kommunikation von AstraZeneca in der Kritik

Das britische High Court verwies auf Anfrage des ARD-faktenfinders auf das laufende Verfahren und gab bisher keine Auskunft darüber, auf welche mutmaßlich neuen Nebenwirkungen sich der Bericht der britischen Zeitung bezieht. In Gerichtsunterlagen zum Fall Scott, die dem ARD-faktenfinder vorliegen, heißt es - wie auch in der erwähnten Stellungnahme von AstraZeneca -, in "sehr seltenen Fällen" könne der Impfstoff TTS auslösen. TTS könne zudem auch ohne eine Impfung auftreten. Ob es sich bei den Unterlagen um die handelt, auf die sich "The Telegraph" bezieht, ist unklar.

Von der Anwaltskanzlei Leigh Day, die den britischen Kläger Jamie Scott vor Gericht vertritt, hieß es in einer Antwort an den ARD-faktenfinder, in der Produktinformationen des Herstellers in Großbritannien habe es zunächst "keinen klaren Hinweis" auf die Möglichkeit gegeben, dass der Impfstoff TTS hervorrufen könne - nur auf eine "mögliche Verbindung" sei verwiesen worden. Zu Anfang des Verfahrens habe AstraZeneca zudem den kausalen Zusammenhang abgestritten. Das habe AstraZeneca allerdings mittlerweile revidiert.