Europaparteitag der AfD Raus aus der EU?
Die AfD hält im sächsischen Riesa ihren zweiten Europaparteitag ab. Neben Personalien soll es dieses Mal auch um Inhalte gehen - vor allem um die Frage, wie es die Partei mit der EU hält.
Die AfD hat ein politisches Luxusproblem: Sie rechnet bei den im Mai bevorstehenden Europawahlen mit einem so großen Erfolg, dass künftig statt einem AfD-Vertreter bis zu 20 Abgeordnete nach Brüssel entsandt werden könnten. Entsprechend viele Kandidaten müssen aufgestellt werden. Das dauert - vor allem, wenn man Basisdemokratie nicht zuletzt als ausführliches Rederecht für jeden einzelnen Bewerber, und sei er noch so aussichtslos, definiert. Dieser Definition folgen viele AfD-Basis-Delegierte, deshalb geht die Partei nun schon in die zweite Runde, um ihre Kandidatenliste zu vervollständigen.
Im vergangenen November, in Magdeburg, ist man nur bis Platz 13 gekommen, nun geht es im sächsischen Riesa weiter. Doch immerhin, diesmal steht auf der Tagesordnung der viertägigen Wahlversammlung auch Inhaltliches. Die AfD will ein Europa-Wahlprogramm debattieren und beschließen - wenn sie neben all der Kandidatenwahl dazu kommt. "Geht ja schnell", witzelte in Magdeburg ein frisch gekürter Kandidat am Rande der Versammlung - "wir sind halt einfach gegen alles".
"Europa der Vaterländer" oder "Dexit"
Das würde er öffentlich und ernsthaft so sicher nicht wiederholen - und täte er es, müsste Spitzenkandidat Jörg Meuthen ihm sofort heftig widersprechen. Denn der erhofft sich vom Europawahlprogramm einen positiven Impuls: "Wir sind nicht die Anti-Europäer", meint Meuthen vor der Wahlversammlung. "Wir haben eine klare Vision von einer EU, die sich auf ihre wenigen Kernaufgaben konzentriert."
Die EU habe durchaus ihren Sinn, so Meuthen - aber eben als ein "Europa der Vaterländer", wie die AfD es nennt. Das sei die ursprüngliche Version der EU, und dahin wolle die AfD zurückkehren. Der vorliegende Leitantrag zum Europa-Wahlprogramm klingt allerdings in Teilen deutlich weniger positiv.
Schon allein, weil die Forderung nach einem "Dexit" drin steht, und zwar in aller Klarheit: Dieser "Dexit" - ein "Austritt Deutschlands oder eine geordnete Auflösung der Europäischen Union" sei "notwendig", heißt es da - und zwar innerhalb einer EU-Legislaturperiode, also innerhalb von fünf Jahren, sollten sich die Reformansätze der AfD nicht verwirklichen lassen.
Die radikale Parteibasis
Die Forderung hat schon vor der Europa-Wahlversammlung zu Streit geführt. Jörg Meuthen etwa hält das für "unrealistisch". Kay Gottschalk, stellvertretender Bundesvorsitzender und finanzpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, spürt bei der "Dexit"-Forderung in dieser Form zumindest "Bauchgrimmen": Raus aus dieser EU, ja, aber wohin? Das ist für ihn die entscheidende Frage. Gottschalk geht es um den Bau eines "neuen Europas" - eines, das "nicht so bürokratisch ist und stärker auf den föderalen Gedanken und mehr Eigenverantwortung setzt".
Aber, so Gottschalk: "Europa werden wir immer brauchen" - und auch, wenn er für den Entschluss zum Brexit große Sympathien hege: So isoliert und planlos solle es eben nicht passieren. Es geht also nicht zuletzt darum, wie radikal die AfD sich in Sachen Europa geben möchte. Dass das Schlagwort "Dexit" in dieser Deutlichkeit überhaupt in den Leitantrag geraten ist, hat wohl auch damit zu tun, dass die AfD zu all diesen Europathemen ihre Mitglieder befragt hat. Auch das Thema "Dexit" wurde so schon getestet - und ergab eine klare Mehrheit von 89 Prozent für den EU-Austritt als letzte Option.
Für Meuthen & Co wird es schwer
Daran kommt auch Jörg Meuthen nicht vorbei. Doch eine Festlegung auf die Entscheidung innerhalb weniger Jahre will er nicht mittragen - für ihn geht es darum, Zeit zu erkaufen. Zeit für die Bildung einer starken rechtspopulistischen Allianz in Europa. Das Kalkül: Erst einmal gilt es, gemeinsam mit anderen europäischen Rechtspopulisten - "natürliche Verbündete" hat Meuthen die österreichische FPÖ, Italiens Lega Nord und Ungarns Ministerpräsidenten Orban genannt - die Mehrheitsverhältnisse in Europa so dramatisch zu verändern, dass eine Reform innerhalb des Systems möglich ist. Das klappe nicht innerhalb weniger Jahre, so argumentieren die Realpolitiker in der AfD, und müssen nun die strengen Ideologen von ihrem Traum einer anderen EU überzeugen.
AfD-Europaparteitag in Magdeburg: Im November ging es vor allem um Personalien
Mag sein, dass es deshalb nötig ist, die Debatte erst mal zu vertagen. Doch auch wenn über das Programm diskutiert wird: Heftiger Streit auf offener Bühne ist kaum zu erwarten. Denn die AfD hat gelernt, dass offen ausgetragene Feindseligkeiten ihr schaden. Und die Europawahl ist ihr wichtig - auch, um Rückenwind für die Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern zu bekommen.
Im Osten punkten
Maximilian Krah aus der sächsischen AfD, auf der Liste der Europa-Spitzenkandidaten schon auf Platz 3 gewählt, sieht einen klaren Zusammenhang: "In den ostdeutschen Ländern wird die EU nicht so sehr als Herzensprojekt gesehen wie im Westen. Da kann man kühl rechnen. Mit unserer EU-kritischen Haltung haben wir da ein Alleinstellungsmerkmal - damit repräsentieren wir in den ostdeutschen Ländern die Mehrheit."
Andere AfD-Forderungen zu Europa sind innerparteilich ohnehin kaum umstritten, auch wenn mehr als 70 Änderungsanträge zum Leitantrag das so erscheinen lassen. Eine drastische Verkleinerung des EU-Parlaments etwa ist das Ziel, ebenso Volksabstimmungen über europäische Themen und ein verstärkter Kampf gegen Lobbyismus und Korruption in der EU, ebenso ein klares Nein zu einer gemeinsamen europäischen Armee.
Dass nationale Grenzkontrollen dauerhaft wieder eingeführt werden und die Beziehungen zu Russland gestärkt werden sollen sowie die Ablehnung des UN-Migrationspaktes gehören zur DNA der Partei. Nun muss nur noch die lästige "Dexit"-Frage geklärt werden - falls vier Tage da ausreichen.