Flugblatt-Affäre Dachau will keinen politischen Besuch von Aiwanger
Die KZ-Gedenkstätte Dachau hat Bayerns Vize-Regierungschef Aiwanger gebeten, von einem Besuch abzusehen. Den hatte der Antisemitismusbeauftrage der Bundesregierung vorgeschlagen. Zu neuer Kritik vom Zentralrat der Juden wollte sich Aiwanger nicht äußern.
Die KZ-Gedenkstätte Dachau möchte in der Debatte um Antisemitismusvorwürfe gegen den bayerischen Vize-Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger (Freie Wähler) nicht zur Bühne werden. "Von öffentlichkeitswirksamen politischen Besuchen im Vorfeld der bayerischen Landtagswahl möchte die KZ-Gedenkstätte Dachau absehen", sagte eine Sprecherin der "taz".
Sie reagierte damit auf den Vorschlag des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, dass Aiwanger das frühere Konzentrationslager in der Nähe von München besuchen sollte. Die aktuelle Debatte zeige aber, so die Sprecherin, "wie wichtig eine lebendige Erinnerungskultur und der Kampf gegen Rechtsradikalismus und Antisemitismus nach wie vor ist".
"In Gedenkstätten wird kein Ablasshandel betrieben"
Kritik an Kleins Vorschlag kommt auch von Jens-Christian Wagner, dem Leiter der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Statt sich damit auseinanderzusetzen, warum Aiwanger "mit Schuldumkehr, der Beschimpfung seiner Kritiker und einer 'Jetzt-erst-recht-Haltung' durchkommt und in Bierzelten dafür gefeiert wird, sollen die Gedenkstätten und jüdischen Gemeinden die erinnerungskulturellen Scherben zusammenkehren, die Aiwanger und Söder hinterlassen haben", sagte Wagner der Zeitung. "In Gedenkstätten wird kein Ablasshandel betrieben."
Huber: Ähnlichkeit mit Trumpismus
Auch Ex-CSU-Chef Erwin Huber meldete sich in der Flugblatt-Affäre zu Wort. Seiner Ansicht nach ähnelt das Verhalten Aiwangers den Methoden des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. "Man kann Aiwanger natürlich nicht mit Trump gleichstellen. So groß ist der Aiwanger ja nicht. Aber die Methoden ähneln sich", sagte der 77-Jährige im Deutschlandfunk. "Man nimmt gar nicht zur Kenntnis, dass es Vorwürfe gibt. Man leugnet das einfach. Man droht mit Klage. Zweitens: Man macht sich zum Opfer. Das hat schon Ähnlichkeiten mit dem Trumpismus. Ich hoffe, dass das nicht Schule macht in der deutschen Politik."
Aiwanger nimmt an Sondersitzung teil
Aiwanger selbst erklärte unterdessen, an der von der Opposition erzwungenen Sondersitzung des bayerischen Landtags diese Woche teilnehmen zu wollen. "Ich werde nach jetziger Einschätzung am Donnerstag an dieser Sitzung teilnehmen", sagte Aiwanger im Anschluss an eine Sitzung des bayerischen Kabinetts in München. Auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kommt zu der Sondersitzung.
Ob er auch selbst das Wort ergreifen will, ließ der Chef der Freien Wähler offen. Außerdem lehnte er weitere Stellungnahmen zur Affäre - etwa zur Kritik des Zentralrats der Juden - vorerst ab. Wie Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) sagte, ist auch unklar, ob Söder in der Landtagssitzung sprechen wird.
In Bayern wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Eigentlich sollte der Landtag das nächste Mal erst wieder zur konstituierenden Sitzung nach der Wahl zusammentreten. Die Sitzung am Donnerstag ist ein sogenannter Zwischenausschuss, dem nur etwa ein Viertel des Landtags angehören.
Keine Stellungnahme zu neuer Zentralrats-Kritik
Eine öffentliche Stellungnahme zu neuer Kritik des Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, lehnte Aiwanger ab. Schuster hatte am Montagabend in den tagesthemen unter anderem beklagt, dass er "Reue und Demut" bei Aiwanger "nicht feststellen" könne. Zudem kritisierte er, dass das Mittel der "Opfer-Täter-Umkehr", das der Freie-Wähler-Chef gewählt habe, "überhaupt nicht geht".
Auf Schusters Kritik wollte Aiwanger, der an der Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung teilnahm, nicht eingehen: Er könne "dazu jetzt keine Antwort geben". Auch auf Nachfrage, ob er nach Schusters Kritik eventuell Konsequenzen ziehen, bestimmte Dinge nicht mehr tun wolle, also etwa den Kampagnen-Vorwurf nicht mehr erheben wolle, sagte er lediglich, er wolle "in diesem Rahmen hier keine Antwort darauf geben". Auch die Frage, warum er auf den Fragenkatalog von Ministerpräsident Söder zu den Vorwürfen nur wenig ausführlich geantwortet habe, ließ Aiwanger unbeantwortet.