Asylpolitik von CDU und CSU Entscheidung vertagt
Der große Bruch im Asylstreit ist ausgeblieben - eine Lösung aber nicht gefunden. Kanzlerin Merkel akzeptiert zunächst den "Masterplan" von CSU-Chef Seehofer, sucht nach einem europäischen Weg und droht mit der Richtlinienkompetenz.
Es sollte der Tag der Entscheidung werden im Asylstreit zwischen CDU und CSU, doch beide Seiten haben sich auf Ende Juni vertagt. Bis dahin hat Kanzlerin Merkel nun Zeit, gemeinsam mit den anderen EU-Staaten zu einer Lösung zu kommen.
Die Christsozialen verkündeten nach ihrer Vorstandssitzung, in der Frage der Abweisung von Flüchtlingen an der Grenze einstimmig votiert zu haben. Ab sofort sollen demnach alle Flüchtlinge an der Grenze abgewiesen werden, für die ein Einreiseverbot gilt. Die Entscheidung bei der CSU für den sogenannten "Masterplan" von Bundesinnenminister Horst Seehofer fiel demnach einstimmig.
Kommen auch auf dem EU-Gipfel am 28. und 29. Juni keine Vereinbarungen mit den europäischen Partnern zustande, sollten auch Männer, Frauen und Kinder zurückgewiesen werden, die bereits in einem anderen EU-Staat als Flüchtlinge registriert wurden.
Merkel will keine Alleingänge - und pocht auf Richtlinienkompetenz
Unmittelbar nachdem die CSU in München ihre Entscheidung bekannt gegeben hatte, stellte sich die Kanzlerin in Berlin der Presse. Sie hatte sich Rückendeckung vom CDU-Vorstand für ihren europäischen Kurs in der Flüchtlingspolitik geholt. CDU und CSU hätten das gemeinsame Ziel, die Migration nach Deutschland deutlich zu verringern. Deutsche und europäische Interessen müssten in Einklang gebracht werden, sagte Merkel.
Mit Blick auf die CSU betonte sie, sie wolle bei der Zurückweisung von Migranten an der Grenze nicht unilateral, nicht unabgesprochen und nicht zu Lasten Dritter agieren. Nach dem Ende des EU-Gipfels wolle sie zunächst mit ihrer Partei und dann mit der CSU über die Ergebnisse sprechen. Es solle trotzdem keinen Automatismus für eine Zurückweisung ab dem 1. Juli geben, "falls noch nicht alles in trockenen Tüchern ist." Wenn dies dennoch "in Kraft gesetzt" würde, "dann würde ich sagen, ist das eine Frage der Richtlinienkompetenz".
Seehofer: "Grundlegender Dissens" mit Merkel
Auch Seehofer stellte sich der Presse und sprach von einem "grundlegenden Dissens" mit der Kanzlerin. "Es geht neben der Funktionsfähigkeit eines Rechtsstaats auch um die Glaubwürdigkeit meiner Partei", sagte er. Die CSU sei für eine europäische Lösung, wenn diese aber nicht möglich sei, müsse es Zurückweisungen an der deutschen Grenze geben. Er sei in diesem Punkt fest entschlossen.
Weniger Geld - mehr Sachleistungen
Selbst wenn der Streit damit für heute erst einmal entschärft werden konnte, drohen weitere Koalitions-Konflikte angesichts der neuen Details, die aus Seehofers noch immer nicht veröffentlichten "Masterplan" bekannt geworden sind. Nach Informationen der "Augsburger Allgemeinen" geht es dem Minister nicht nur um die Abweisung von Geflüchteten an der Grenze, sondern auch um Änderungen bei deren Unterstützung.
Demnach will Seehofer Zahlungen an Flüchtlinge künftig massiv einschränken und nahezu komplett auf Sachleistungen umstellen. Außerdem sieht das Konzept des Ministers vor, den Zeitraum, in dem Asylbewerber nur einen Grundbedarf erstattet bekommen, bevor sie Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe erhalten, von 15 auf 36 Monate zu verlängern, berichtet die Zeitung unter Berufung auf CSU-Kreise.
Diese Pläne dürften den Koalitionspartner SPD auf den Plan rufen: Im Januar hatten die Sozialdemokraten von "Schikanen" gegen Flüchtlinge gesprochen, als Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ähnliche Pläne vorgestellt hatte.
Oppermann: Beispielloser Machtkampf
Der Sozialdemokrat und Bundestags-Vizepräsident Thomas Oppermann sieht Merkels Macht schwinden: "Ich glaube, dass die Kanzlerin - egal wie es ausgeht - nur schwer beschädigt aus dem Konflikt herauskommt", sagte er der "Bild"-Zeitung. Der Machtkampf zwischen Merkel und Seehofer sei beispiellos.
Baerbock: Unverantwortliches Verhalten
Grünen-Chefin Annalena Baerbock wies schon einmal Spekulationen zurück, ihre Partei könne im Falle eines Bruchs der Union in die Bresche springen: "Die Lage ist gerade so krass, dass wir jetzt keine Was-wäre-wenn-Spielchen als Grüne machen", sagte sie dem RBB. Die Grünen könnten nicht einfach bei einem schwarz-roten Koalitionsvertrag mitmachen.
Das Verhalten der CSU sei unverantwortlich. Die CSU stelle derzeit alles in Frage, was in Europa in 60 Jahren ausgebaut worden sei.