Wahlprogramme im Vergleich Was die Parteien im Gesundheitswesen planen
Spätestens die Corona-Krise hat die Schwächen des deutschen Gesundheitssystems offengelegt. Die Parteien haben zum Teil sehr konkrete Ideen, was sich ändern muss. Die Positionen im Überblick.
Das deutsche Gesundheitssystem fußt auf dem Nebeneinander von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen. An diesen Strukturen möchte die Union festhalten. Eine Versicherung für alle, wie von SPD, Linkspartei und Grünen gefordert, lehnt sie ab. Ebenso die FDP. Die AfD will Fallpauschalen, Kopfpauschalen und Budgetierung abschaffen und mahnt mit Blick auf sensible Patientendaten vor zu viel Digitalisierung. Dissens gibt es auch beim Thema Sterbehilfe.
CDU/CSU
Die Union will am Nebeneinander von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen festhalten. Eine Einheitsversicherung lehnt sie ab. Zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung setzt sie weiterhin auf einkommensabhängige paritätische Beiträge, Eigenbeteiligung und einen Steueranteil für versicherungsfremde Leistungen (wie in der Pandemiebekämpfung). Die elektronische Patientenakte möchte sie weiterentwickeln - als ein Baustein hin zu einer digitalisierten Gesundheitsversorgung bis 2030. Alle Bürgerinnen und Bürger sollen einen digitalen und wohnortnahen Weg zu Ärzten, Apotheken, Hebammen oder Physiotherapeuten haben.
CDU und CSU wenden sich gegen kommerzielle Sterbehilfe, sie befürworten eine lebensbejahende Beratung für unheilbare Kranke. Zugang zu Hospiz- oder Palliativversorgung will die Union garantieren. Die Gesundheitsbehörden der Länder und Kommunen sollen weiter modernisiert, personell verstärkt und mit dem Robert Koch-Institut, das zum deutschen Public-Health-Institut werden soll, vernetzt werden. Bei Medikamenten und Schutzkleidung soll Deutschland unabhängiger werden. Die Union lehnt die Legalisierung von Drogen ab. Die Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen und in der Pflege möchte sie stärken.
SPD
Die SPD möchte eine solidarisch finanzierte Bürgerversicherung für alle als Kranken- und Pflegeversicherung (vgl. "Was die Parteien in der Pflege wollen"). Ähnliche Pläne haben Grüne und Linkspartei. Nach den SPD-Plänen sollen mittelfristig auch Beamte und Selbstständige einkommensabhängige Beiträge einzahlen. Die Kommerzialisierung im Gesundheitswesen will die SPD beenden, das System der Fallpauschalen überprüfen und gegebenenfalls abschaffen. Krankenhäuser sollen mehr ambulante Behandlungen anbieten, in Kommunen soll es mehr medizinische Versorgungszentren geben. Auch die SPD will den öffentlichen Gesundheitsdienst besser ausstatten. Der Digitalisierung misst sie hier einen hohen Stellenwert zu. Arznei- und Medizinprodukte sollen auch in Krisenzeiten in Deutschland ausreichend verfügbar sein.
Die SPD plädiert für eine regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene im Rahmen von Modellprojekten. Der Besitz kleiner Mengen von Cannabis soll nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden.
AfD
Die AfD äußert sich nicht eindeutig zur Organisation der Krankenkassen oder einer Bürgerversicherung. Sie schlägt eine Zusammenlegung von sozialer Pflegeversicherung und gesetzlicher Krankenversicherung vor (vgl. "Was die Parteien in der Pflege wollen"). Statt Fallpauschalen will sie ein Individualbudget für Krankenhäuser, um auch in strukturschwachen Regionen medizinische Versorgung zu gewährleisten. Maximal 60 Prozent der Krankenhäuser sollen in privater Trägerschaft sein. In der ambulanten Versorgung tritt die AfD für eine leistungsorientierte Bezahlung ein, Kopfpauschalen und Budgetierung will sie aufheben. So sollen auch junge Mediziner motiviert werden, eine Praxis zu übernehmen, gerade in ländlichen Regionen.
Patientendaten sollen nach Ansicht der Partei auf der Krankenversicherungskarte gespeichert werden, nicht aber in einer zentralen Datenbank. Eine Pflicht zur Organspende lehnt die AfD ab, ebenso wie aktive Sterbehilfe. Nur in der Medizin soll Cannabis legal verabreicht werden dürfen. Die Partei ist gegen eine direkte oder indirekte Impfpflicht und auch gegen die Maskenpflicht im Kampf gegen die Corona-Pandemie.
FDP
Die FDP lehnt eine Bürgerversicherung ab. Sie will am System von gesetzlicher und privater Krankenversicherung festhalten, den Wechsel zwischen beiden aber erleichtern. Mit finanziellen Anreizen und Zusatzangeboten soll der Wettbewerb zwischen den Kassen erhöht und Bürokratie abgebaut werden. Krankenhäuser sollen finanziell abgesichert, Fehlanreize für eine Überversorgung abgebaut werden. Ambulante und stationäre Versorgung will die FDP besser vernetzen, die digitale Infrastruktur im Gesundheitswesen und robotische Assistenzsysteme will sie gezielt fördern. Auszubildende im Gesundheitsbereich sollen bundesweit von der Zahlung von Schulgeldern befreit sein.
Die FDP fordert ein liberales Sterbehilfegesetz, das klar regelt, unter welchen Voraussetzungen Menschen Hilfe zur Selbsttötung in Anspruch nehmen und leisten dürfen. Eine kontrollierte Freigabe von Cannabis soll nach Ansicht der Partei erlaubt sein. Die Steuer-Mehreinnahmen aus dem Cannabis-Verkauf in lizenzierten Geschäften will sie in Prävention und Beratung investieren.
Linkspartei
Die Linkspartei will die Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung abschaffen und stattdessen eine solidarische Gesundheitsversicherung, in die alle einzahlen. Zuzahlungen und Eigenanteile sollen wegfallen. Krankenhäuser sollen in kommunale, öffentliche oder gemeinnützige Hand überführt und nicht mehr gewinnorientiert arbeiten. Die Fallpauschalen will die Partei abschaffen. Der öffentliche Gesundheitsdienst soll gestärkt und ausgebaut werden. Regionale Gesundheitszentren sollen als Anlaufstelle mittelfristig eine wohnortnahe Versorgung sowohl ambulanter als auch stationärer Versorgung gewährleisten.
Sie fordert 100.000 zusätzliche Pflegekräfte in den Krankenhäusern und 500 Euro mehr Grundgehalt. Es soll eine gesetzliche Personalbemessung geben. Die Linke will Cannabis legalisieren und den Eigenanbau erlauben. Für häufig gebrauchte Drogen soll es bundeseinheitliche Höchstmengen geben, bei deren Besitz keine Strafverfolgung erfolgt.
Bündnis90/Die Grünen
Ziel der Grünen ist eine solidarisch finanzierte Bürgerversicherung für die Gesundheits- und Pflegeversorgung, in die alle mit einkommensabhängigen Beiträgen einzahlen. Das Gesundheitssystem wollen sie fit machen für künftige Pandemien. Daher soll die Krankenhaus- und Notfallversorgung reformiert und die Digitalisierung (vor allem in den Gesundheitsämtern) vorangetrieben werden. Es soll einen unabhängigen Pandemierat geben, der klar kommuniziert und Maßnahmen transparent begründet. Die Grünen wollen ambulante und stationäre Angebote in Stadt und Land besser vernetzen und kommunale Gesundheitszentren aufbauen. Kliniken sollen künftig nicht mehr nach Fallzahl, sondern auch nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden. Den Trend zur Privatisierung wollen die Grünen stoppen. Die Notrufleitstellen der Nummern 112 und 116117 sollen unter dem Dach von Gesundheitsleitstellen vereint werden.
Die Arbeitsbedingungen im Gesundheits- und Pflegebereich will die Partei verbessern, vor allem durch mehr Personal (vgl. "Was die Parteien in der Pflege wollen"). Die Ausnahmen im Arbeitszeitgesetz für den Gesundheitsbereich möchte sie beschränken. Die Grünen sprechen sich für ein selbstbestimmtes Sterben aus, sehen hier aber den Bundestag in der Pflicht, die Sterbehilfe verfassungsgemäß zu regeln. In der Drogenpolitik befürworten sie einen regulierten Verkauf von Cannabis.