Bund-Länder-Gipfel Eine Einigung - aber noch viele Streitpunkte
Mit mehrstündiger Verspätung haben die Bund-Länder-Gespräche begonnen - zuvor hatte ein überraschender Vorstoß zur Migrationspolitik für neuen Streit in der Länderrunde gesorgt. Einig ist man sich hingegen beim Thema Planungsbeschleunigung.
Die Spitzen von Bund und Ländern haben ihre Beratungen insbesondere über den künftigen Kurs in der Migrationspolitik begonnen. Der Beginn des Treffens verzögerte sich allerdings wegen eines überraschenden Vorstoßes bei der traditionellen Vorbesprechung der Länder: Gemeinsam mit dem Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann legten die unionsregierten Länder einen neuen Forderungskatalog vor und machten sich für Asylverfahren außerhalb Europas stark. Damit stellten sie sich hinter einen entsprechenden Vorschlag des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU).
Die SPD-Länder reagierten verärgert. Die Beratungen seien "nicht so wirklich erquicklich" gewesen, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Eine entsprechende Forderung der unionsregierten Länder sei nicht vereinbart worden.
Die Idee ist, die Asylverfahren entlang der Fluchtrouten durchzuführen. Weil machte deutlich, dass die SPD-geführten Länder sich dies nur für Transitstaaten hätten vorstellen können, also für Länder, die Migranten passieren. "Aber wir sind nicht in der Lage, heute zuzustimmen dem Wunsch, Drittstaaten im Allgemeinen auch dafür vorzusehen."
Dass die Verhandlungen so aus dem Fahrplan gelaufen seien, sei eine Überraschung, sagt die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios, Tina Hassel, mit Blick auf die neu vorgelegten Forderungen. "In stundenlangen Abstimmungsrunden wurde dann versucht, die strittigen Punkte in eine Protokollnotiz auszulagern und später zu klären, um zumindest halbwegs geeint in die eigentlichen Verhandlungen zu gehen."
Mehr Geld vom Bund gefordert
Einigkeit gab es unter den Ländern hingegen darüber, dass sie für die Unterbringung von Flüchtlingen mehr Geld vom Bund haben wollen. "Wir Länder haben einen sehr klaren Vorschlag gemacht. Wir sind sehr einig in der Frage", sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, der hessische Regierungschef Boris Rhein (CDU). Die Länder zahlten in diesem Jahr rund 18 Milliarden Euro und die Kommunen etwa fünf Milliarden Euro für Flüchtlinge. "Deswegen glauben wir, dass da eine Unwucht ist, die überwunden werden muss. Und darüber werden wir jetzt mit dem Bund diskutieren und zu Beschlüssen kommen", betonte Rhein. Die Begrenzung der Zuwanderung sei eine originäre Aufgabe des Bundes.
Die 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten einigten sich auch auf die Forderung nach der Einführung einer Bezahlkarte für Asylsuchende und die Begrenzung des Familiennachzugs. Gemeinsam werden demnach auch eine Wiederbelebung des EU-Türkei-Abkommens, effektivere Binnengrenzkontrollen und eine Weiterentwicklung des Asylrechts in einer parteiübergreifenden Kommission gefordert. Auf diese Positionen hatten sich die Länderchefs im Grundsatz bereits bei ihrem Treffen im Oktober in Frankfurt am Main verständigt.
Einigung auf Beschleunigungspakt
Beim Thema Planungsbeschleunigung verkündeten Länder und Bund bereits eine Einigung. Ein neuer Beschleunigungspakt soll demnach mehr Tempo in Planungs- und Genehmigungsverfahren bringen, damit Windräder, Stromtrassen, Bahnstrecken und Wohnungen schneller gebaut werden können.
Es gehe darum, "dass nicht noch ein Politiker sagt, alles soll schneller werden, sondern dass es tatsächlich passiert", sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD). In den vergangenen Jahrzehnten hätten Bund und Länder "mit großer Liebe und Zuneigung" immer mehr Vorschriften erfunden. Diese sollten nun vereinfacht werden. Das Paket umfasse dazu an die 100 Einzelregelungen, unter anderem zu Autobahnen und Zugtrassen, zum Bau von Wohnungen, dem Ausbau von Dachgeschossen und das Aufstellen von Mobilfunkmasten. Weitere Vereinfachungen etwa im Gesundheitswesen und der Wasserstoffindustrie sollten folgen, kündigte Scholz an.
"Ich freue mich sehr darüber, dass wir einig sind als Bund und Länder, und das ist im Föderalismus eben wichtig", sagte auch Rhein. Unter anderem beim Thema Bauen werde vieles erleichtert. Einmal erteilte Typengenehmigungen für serielles Bauen sollten etwa bundesweit gelten. Um- und Ausbau von Wohnungen werde nicht mehr an Auto-Stellplätzen scheitern. Ein Windrad könne ohne Genehmigung an der gleichen Stelle durch ein anderes ersetzt werden.
Umweltverbände hatten die Bund-Länder-Pläne zuvor scharf kritisiert. Sie fürchten, es könne auf Kosten der Natur gehen, wenn Regelungen für Umweltverträglichkeitsprüfungen und Artenschutz verändert werden.
Länder wollen Weiterführung des Deutschlandtickets
Beim Deutschlandticket bekannten sich die Länder zu einer Fortsetzung des Angebots, forderten aber ein Bundes-Signal zur weiteren gemeinsamen Finanzierung. Das Ticket sei ein Erfolgsmodell, und man wolle es weiterführen, sagte Rhein. "Aber wir müssen jetzt ein Zeichen setzen gegenüber den Verkehrsverbünden."
Weil erläuterte, dass nach Vorstellung der Länder in diesem Jahr nicht verbrauchte Bund-Länder-Mittel übertragen werden könnten. Dies schaffe die Grundlage, dass das Ticket auch im nächsten Jahr weitergehen könne. "Ob und in welcher Form das Auswirkungen auf die Preisgestaltung haben wird, das müssen uns die Verkehrsminister sagen."