Unternehmen und Corona "Unplanned" in die Krise
Ein Reise-Start-Up, das eigentlich dieses Jahr schwarze Zahlen schreiben wollte, muss wie viele andere jetzt die Krise managen. Kommen die Hilfen wirklich an? Eine Langzeitbeobachtung.
Frauke Schmidt trägt einen dezenten roten Lippenstift auf. Sie hat sich eine schicke grüne Seidenbluse angezogen, darunter: eine Yogahose. Schmidt ist nach ihrem Skiurlaub in Österreich seit 13 Tagen in häuslicher Quarantäne. "Aber für das telefonische Team-Meeting will ich mich doch noch ein bisschen zurecht machen", sagt die Start-Upperin. Inzwischen ist auch ihr ganzes Team im Homeoffice.
Frauke Schmidt und Christian Diener haben das Start-up "Unplanned" 2016 gegründet. Das Unternehmen bietet individuell gestaltete Überraschungsreisen in Europa an. Die Auftragslage ist durch die Ausbreitung des Coronavirus auch bei ihnen eingebrochen.
Schmidt hat vor drei Jahren mit ihrem Partner Christian Diener in München "Unplanned" gegründet. Es bietet Reisen, "die Du nie vergessen wirst". So lautet ihr Claim. Schmidt und Diener schicken ihre Kunden auf Überraschungstrips. Niemand soll wissen, wo es hingeht. Es ist von der Unterkunft bis hin zum Museumsbesuch, Reitausflug oder Weintasting alles vorher organisiert. Die Reisenden erhalten nur eine Info über das Wetter und noch ein paar kleine Hinweise, um auch das richtige Gepäck mitzunehmen. Am Flughafen darf dann erst der Umschlag mit dem Reiseziel geöffnet werden.
Eine Reise ins Ungewisse
Knapp zehn Mitarbeiter, darunter auch zwei Praktikanten, unterstützen Schmidt und Diener dabei, die Kunden in die ausgefallenen Ecken Europas zu schicken. Transilvanien gehört zum Portfolio wie auch ein klassisches Wochenende in Italien. "Wir haben nicht nur Geld, sondern auch viel Herzblut reingesteckt", sagt Schmidt zu tagesschau.de. "Im vergangenem Jahr haben wir ungefähr eine Million Euro Umsatz gemacht. Und dieses Jahr haben wir fest mit schwarzen Zahlen kalkuliert. Alles hat Anfang des Jahres auch darauf hingedeutet", sagt Schmidt. Aber dann kam Corona.
Corona statt Bologna
"Es ging eigentlich schon Ende Februar los", erzählt Schmidt. "Da kamen schon einige verunsicherte Reisende auf uns zu und wollten wissen, ob sie ihren Trip überhaupt antreten können." Das junge Unternehmen stellte dann schnell auf Krisenmodus um. Auf ihrer Webseite haben Schmidt und Diener informiert und die Kunden auch direkt kontaktiert. "Wir konnten viele erstmal auf den Herbst umbuchen und vollständige Stornierungen vermeiden. Wir haben super verständnisvolle Kunden", sagt Schmidt. "Da hängt ja nicht nur für uns, sondern auch viel für unsere Partner dran. Wir sind etwa bei den anstehenden Trips schon in Vorleistung gegangen. Wenn viele storniert hätten, hätten wir dann auch den von uns bereits gebuchten Bauernhof zum Beispiel in Italien kündigen müssen. Das ist wie eine Kettenreaktion", so Schmidt.
Mit Kurzarbeitergeld die Löhne sichern
Ein großes Polster hat das junge Unternehmen nicht. Beide Geschäftsführer verzichten derzeit auf ihr Gehalt. Für die festen Mitarbeiter haben sie Mitte März Kurzarbeitergeld bei der Bundesagentur für Arbeit beantragt. Zunächst haben sie die Arbeitszeit und damit die Gehaltszahlung um 50 Prozent reduziert. Für das nun fehlende Gehalt kommt der Bund auf. Er schießt 30 Prozent bzw. 37 Prozent für Mitarbeiter mit Kindern zu.
In Bayern hat die Landesregierung - ähnlich wie andere Bundesländer - zusätzlich Sofortmaßnahmen aufgesetzt. Das Programm richtet sich an Betriebe und Freiberufler, die durch die Corona-Krise in eine existenzbedrohliche wirtschaftliche Schieflage und in Liquiditätsengpässe geraten sind. In Bayern ist die Antragstellung online möglich. Die Höhe ist gestaffelt: mindestens 5000 Euro bis maximal 30.000 Euro, abhängig von der Anzahl der Mitarbeiter. Schmidt hofft auf 7500 Euro, um wenigstens die laufenden Kosten wie etwa die Büromiete zu decken. "Das Gute ist, dass das eben kein Kredit ist, sondern man das Geld nicht zurückzahlen muss". Auf dem Konto haben die Geschäftsführer die Soforthilfe noch nicht. Nächste Woche entscheidet die bayrische Verwaltung, ob "Unplanned" das Geld bekommt. "Was es sonst noch an Steuerstundungen oder Krediten gibt, kommt für uns nicht infrage", sagt Schmidt. Denn aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben. Niemand wisse zurzeit, wie es weitergeht.
Milliardenhilfen vom Bund
Diese Woche bringt die Bundesregierung noch weitere Hilfspakete auf den Weg. "Für uns ist es schwierig selbst durchzublicken, ob und wie wir auch davon profitieren", sagt Schmidt. Hilfe und Beratung bekommt "Unplanned" etwa von ihrem Verband Internet Reisevertrieb (VIR). "Unsere Branche ist anderen Unternehmen einige Wochen voraus. Im Tourismus schlug Corona als erstes zu", so VIR-Vorstand Michael Buller zu tagesschau.de. Die Branche steht unter Zeitdruck. Die sogenannte Bazooka von Bundesfinanzminiser Olaf Scholz sieht Buller teilweise kritisch. "Die Überbrückungskredite der KfW haben nicht nur sehr hohe Hürden, sie sind für die Unternehmen auch riskant", so Buller.
Denn die Zinsen können für diese Kredite bis zu 7 Prozent betragen. Außerdem ist eine selbstschuldnerische Bürgschaft zu hinterlegen. Unternehmer haften dann sprichwörtlich mit ihrem letzten Hemd. Aber die Bundesregierung wil daneben noch echte Beihilfen zusteuern: für Soloselbstständige und auch für Großunternehmen. Ein Unternehmen wie "Unplanned" dürfte hier noch mal auf 15.000 Euro für die nächsten drei Monate hoffen. 50 Milliarden Euro sind alleine in diesem Topf. "Das kann eine echte Hilfe sein", so Buller.
Was genau für "Unplanned" infrage kommt, wird erst in den nächsten Tagen klarer, wenn das Nothilfepaket wirklich an den Start geht. Schmidt und Diener machen sich keine Illusionen. Das wird wohl einer ihrer härtesten Trips.