Reaktionen auf Corona-Lockerungen "Schaukel ist kein Ersatz für Schule"
Ein positives Signal, mehr nicht: Die Grünen vermissen weitere Erleichterungen für Familien, der FDP fehlt eine Perspektive. Auch Lobbyverbände reagierten enttäuscht auf die vorsichtigen Schritte aus dem Corona-Lockdown.
Die Strategie von Bund und Ländern in der Corona-Krise - in Trippelschritten aus dem Lockdown - stößt auf Zustimmung, bei anderen aber auch auf Unverständnis. Vor allem Lobbyverbände und Bildungsvertreter zeigten sich enttäuscht. Auch die Reaktionen der Opposition sind gemischt.
"Österreich ist schneller"
Deutliche Kritik kam von FDP-Chef Christian Lindner. Unzureichend seien die Beschlüsse von Bund und Ländern. "Die Ergebnisse der Beratungen geben wie erwartet leider keine klare Perspektive", sagte er. "Bei Bildung, Gastronomie und Bundesliga wird weiter nur vertagt." Andere Länder in Europa wie Österreich seien inzwischen wesentlich schneller als Deutschland. "Die Kosten für die Stabilität unseres Landes werden politisch unterschätzt", warnte der Vorsitzende der Liberalen.
Bei Grünen-Chefin Annalena Baerbock klang die Reaktion differenzierter. "Die Öffnung von Spielplätzen ist ein erstes positives Signal an Kinder und Familie", sagte sie. "Aber Rutsche und Schaukel sind kein Ersatz für Kita-Betreuung und Schulunterricht. Viele Eltern sind am Rande ihrer Kräfte. Homeschooling, Homeoffice und Haushaltsarbeit sind auf Dauer nicht vereinbar. Viele Kinder leiden unter der Isolation und vermissen ihre Freunde."
Baerbock forderte die Bundesregierung auf, Kinder und Familien stärker in den Blick zu nehmen. Dafür sei es höchste Zeit, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Sie erwarte von der Bundesregierung, dass sie bis zum nächsten Mittwoch einen konkreten Fahrplan für die Kinder-Betreuung in Kitas und Schulen vorlege. Dann wollen Bund und Länder erneut über das weitere Vorgehen beraten.
Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten hatte sich auf mehrere vorsichtige Lockerungsschritte der bundesweit geltenden Schutzmaßnahmen geeinigt. Sie betreffen Spielplätze, aber auch Zoos, Museen, Ausstellungen und Gedenkstätten - einen bundesweit einheitlichen Zeitpunkt für eine Öffnung gibt es aber nicht. In einigen Ländern dürfen Besucher am Wochenende bereits wieder in die Tierparks, in anderen erst im Laufe der nächsten oder übernächsten Woche.
In die Schule oder die Kita dagegen dürfen die meisten Kinder auch weiterhin nicht. Bund und Länder wollen erst am 6. Mai darüber beraten, wann und wie die Einrichtungen wieder geöffnet werden. Bildungsvertreter wie die Gewerkschaft GEW äußerten sich denn auch enttäuscht. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey sah hingegen einen "Silberstreif am Horizont" für Kinder und Eltern. Die SPD-Politikerin bezog sich dabei auf die Öffnung von Spielplätzen.
"Nach Wochen in den eigenen vier Wänden ohne echten Ausgleich endlich wieder auf dem Spielplatz toben, klettern und schaukeln zu können - darüber freut sich gerade in städtischen Ballungsgebieten jetzt jedes Kind", sagte sie. Zugleich wies Giffey auf die Auflagen hin: "Offene Spielplätze sollen aber nicht dazu einladen, jetzt plötzlich sorglos und unvorsichtig zu sein", erklärte sie. "Abstands- und Hygieneregeln müssen weiter konsequent eingehalten werden." Dafür hätten vor allem die Eltern eine Verantwortung.
Städtetag gegen zusätzliche Auflagen
Auch der Städtetag sieht Eltern oder Bezugspersonen in der Verantwortung. Zusätzliche behördliche Auflagen für die Benutzung der Spielplätze lehnen die Städte ab: "Wir bitten die Länder dringend, keine zusätzlichen Auflagen festzulegen, wie beispielsweise strenge Zugangskontrollen mit Identitätsfeststellung der Spielplatzbesucher", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der Deutschen Presse-Agentur. "Das ist lebensfremd und schafft nur Konflikte.
Freibäder öffnen?
Der Städte- und Gemeindebund freute sich vor allem, dass Gottesdienste in beschränkter Form wieder möglich sind. "Das gibt den Menschen in schweren Zeiten Halt und entspricht auch den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch die Öffnung von Spielplätzen, Museen und Zoos sei für die Menschen ein Schritt zurück zur Normalität. Mit Blick auf die Sommermonate forderte er ein Konzept zur Öffnung der Freibäder.
Laschet sieht Wut
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet, der bei den Bund-Länder-Beratungen dabei war, rief dazu auf, die gravierenden Folgeschäden der Einschränkungen des öffentlichen Lebens stärker in den Blick zu nehmen. In einem Beitrag für das Nachrichtenmagazin "Focus" spricht der CDU-Politiker von "zunehmenden Zweifeln und der wachsenden Wut bei vielen Menschen, deren Leben, Familie und Beruf davon unmittelbar betroffen sind".
"Perspektivisch droht uns eine tiefe Rezession, in der Hunderttausende von Menschen ihren Job verlieren", betont Laschet und fordert: "Verantwortungsvolle Normalität heißt immer weniger Reglementierung - immer mehr Eigenverantwortung." Laschet, der sich auch um den CDU-Vorsitz bewirbt, drängt seit Längerem auf schnellere Lockerungen und setzt dies in NRW auch teilweise um - auch zum Ärger von Ministerpräsidentenkollegen und Kanzlerin.
Brandbrief des Mittelstands
Auch aus dem Mittelstand kommt massive Kritik am Kurs von Bund und Ländern in der Corona-Krise. In einem Brief des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft an Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder heißt es: "In großer Sorge um die Zukunft dieses Landes und um den Wohlstand seiner Bürger appellieren wir an die Politik: Beenden Sie die einseitige Fixierung auf eine rein virologische Sichtweise und damit das gefährliche Spiel mit den Zukunftschancen dieses Landes" Es gehe um das Schicksal des deutschen Mittelstands, heißt es. "Wir fordern, dass künftig die Erfordernisse der Wirtschaft in Ihrer Corona-Politik einen deutlich höheren Stellenwert erhalten als bislang.