Verstoß gegen EU-Recht EuGH kippt anlasslose Vorratsdatenspeicherung
Die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen EU-Recht, entschied der Europäische Gerichtshof. Ohne Anlass dürften die Kommunikationsdaten der Bürgerinnen und Bürger nur unter strengen Voraussetzungen gespeichert werden.
Die deutsche Vorratsdatenspeicherung ist mit EU-Recht nicht vereinbar. Ohne Anlass dürften die Kommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger nicht gespeichert werden, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.
Bedrohung nationaler Sicherheit muss gegeben sein
Wenn es nicht um die Verteidigung der nationalen Sicherheit gehe, sei eine Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten im Bereich der elektronischen Kommunikation nur in engen Grenzen möglich, stellte das Gericht fest. Unabhängig von einer zeitlichen Begrenzung stelle der Zugang zu solchen Informationen einen schwerwiegenden Eingriff in Grundrechte dar.
Aus der Gesamtheit der Daten könnten sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben von fast allen Menschen in Deutschland gezogen werden. Das könnte dazu führen, dass ein Gefühl der ständigen Überwachung entsteht.
Zur Bekämpfung schwerer Kriminalität können die Mitgliedstaaten jedoch unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit insbesondere eine gezielte Vorratsspeicherung und/oder eine umgehende Sicherung solcher Daten sowie eine allgemeine und unterschiedslose Speicherung von IP-Adressen vorsehen, erklärten die Richter.
Regelung in Deutschland liegt auf Eis
Die Vorratsdatenspeicherung war seit Jahren in Deutschland umstritten - sie ist derzeit ausgesetzt. Sicherheitsbehörden sehen in ihr ein Hilfsmittel für die Aufklärung von Straftaten. Gegner lehnen die anlasslose Speicherung der Daten als zu tiefen Eingriff in die Freiheitsrechte und unzulässiges Mittel der Überwachung ab.
Bundesjustizminister Marco Buschmann nannte das Urteil auf Twitter "historisch" und sprach von einem "guten Tag für die Bürgerrechte". Der FDP-Politiker sprach sich dafür aus, die deutsche Regelung "zügig und endgültig" aus dem Gesetz zu streichen.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Benjamin Strasser (FDP), verwies auf das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren, bei dem Daten erst gesammelt (eingefroren) werden, wenn ein konkreter Tatverdacht vorliegt. Dies schone die Grundrechte und stelle nicht alle Bürgerinnen und Bürger unter einen Generalverdacht, erklärte Strasser.
Die Bundesregierung hatte schon vor dem Urteil angekündigt, die Regelung reformieren zu wollen, allerdings ist sich die Koalition bei dem Thema uneins. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach sich zuletzt zumindest für die Sicherung von IP-Adressen aus, um sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet besser verfolgen zu können. Faeser will sich am Mittag zum EuGH-Urteil äußern.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, und der Grünen-Rechtspolitiker Helge Limburg erklärten jetzt, für eine wie auch immer geartete Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung sehe man "weder rechtlichen noch politischen Spielraum". Die Vorratsdatenspeicherung gehöre "auf die Müllhalde der Geschichte."
Mit Informationen von Gigi Deppe, ARD-Rechtsredaktion