Ein Schild mit der Aufschrift "Cour de Justice de l'Union Européenne" steht vor dem Europäischen Gerichtshof (Archivbild: 15.06.2019)
Player: audioMillionenstrafe wegen verspätetem Whistleblowerschutz

Verspäteter Whistleblower-Schutz Deutschland muss 34 Millionen Euro Strafe zahlen

Stand: 06.03.2025 13:56 Uhr

Im Jahr 2023 erließ Deutschland ein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern und setzte damit eine EU-Richtlinie um - zu spät, urteilte jetzt der EuGH und verhängte eine Millionenstrafe.

Von Julius Rabba, ARD-Rechtsredaktion

Im Jahr 2019 deckte Martin Porwoll einen bundesweiten Skandal auf: Sein damaliger Vorgesetzter, ein Apotheker, hatte Krebsmedikamente - sogenannte Zytostatika - gepanscht und an Tausende Patienten ausgegeben. Porwoll bemerkte Auffälligkeiten in den Geschäftszahlen und fing an, Beweise zu sammeln. Er stellte fest, dass weniger Wirkstoff eingekauft worden war, als die Apotheke verordnet hatte.

"Aus Luft wird kein Medikament, also muss massiv unterdosiert worden sein", erinnert sich Porwoll. Er zeigte seinen Chef an. Der wurde daraufhin zu zwölf Jahren Haft verurteilt und darf nie wieder als Apotheker arbeiten. 

Whistleblower gehen große Risiken ein

Doch auch für Porwoll hatten die Enthüllungen schwere Folgen: Er entwickelte psychische Störungen, wurde schließlich fristlos gekündigt und galt fortan als Nestbeschmutzer. Wer als Whistleblower - auch Hinweisgeber genannt - Missstände in Unternehmen oder Behörden aufdeckt, geht ein großes berufliches und soziales Risiko ein.

Im Jahr 2023 erließ Deutschland das sogenannte Hinweisgeberschutzgesetz, um Whistleblower effektiv vor diesen Folgen zu schützen. Unternehmen werden nun in die Pflicht genommen, Meldestellen einzurichten, bei denen Mitarbeiter Rechtsverstöße anzeigen können. Außerdem sollen Repressalien wie Kündigungen gegen Whistleblower verhindert werden.  

Umsetzungsfrist lief im Jahr 2021 ab

Diese Gesetzgebung kam aber zu spät. Das entschied heute der Europäische Gerichtshof. Deutschland muss nun 34 Millionen Euro Strafe an die EU zahlen. Denn die EU hatte die Mitgliedsstaaten schon 2019 dazu verpflichtet, Whistleblower besser zu schützen. Die Umsetzungsfrist für die sogenannte Whistleblower-Richtlinie lief bereits im Jahr 2021 ab.

Deutschland habe die Richtlinie zweieinhalb Jahre zu spät umgesetzt, so Hartmut Ost, Pressesprecher des EuGH. Ursprünglich hatte die Kommission auch die Verhängung eines täglichen Zwangsgelds beantragt. "Da die Richtlinie aber während des Verfahrens doch noch umgesetzt wurde, nahm sie diesen Antrag zurück", so Ost.  

Auch inhaltliche Kritik am Gesetz

Auch inhaltlich steht das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz in der Kritik. So moniert zum Beispiel Martin Porwoll, das Gesetz hätte ihm in der aktuellen Fassung wenig geholfen. Meldestellen in Unternehmen seien zwar "eine nette Idee", in der Praxis würden sie aber die Gefahr bergen, dass am Ende doch gegen den Whistleblower vorgegangen werde - gerade wenn es um Straftaten der Geschäftsleitung gehe.

In dem heutigen Urteil ging es aber nur um die verspätete Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie. Sollte die EU-Kommission der Auffassung sein, dass das Hinweisgeberschutzgesetz in der aktuellen Form nicht den Vorgaben der Richtlinie entspricht, könnte sie auch deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten.

(AZ: C-149/23, C-150/23, C-152/23, C-154/23 und C155/23)

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 06. März 2025 um 11:10 Uhr.