Flüchtlinge in griechischen Lagern Auch Städte wollen Kinder aufnehmen
Sieben Oberbürgermeister - ein Appell: In der Debatte über die Aufnahme von Flüchtlingskindern fordern sie, es den Städten zu ermöglichen, freiwillig Flüchtlinge aufzunehmen. Damit steigt der Druck auf die Bundesregierung.
Sieben deutsche Städte fordern von der Bundesregierung Schritte zur Aufnahme von Kindern aus den griechischen Flüchtlingslagern. "Vor allem den Kindern, deren Eltern in vielen Fällen nicht mehr leben und die alleine in den Flüchtlingslagern untergebracht sind, soll nun sofort geholfen werden", heißt es in einem Appell der Oberbürgermeister, über den das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet. Die gemeinsame Erklärung solle am Freitag bundesweit veröffentlicht werden und werde auch vom niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD) unterstützt, hieß es.
Die Unterzeichner sind demnach neben Pistorius die Oberbürgermeister von Köln, Düsseldorf, Potsdam, Hannover, Freiburg im Breisgau, Rottenburg am Neckar und Frankfurt (Oder). Die Bundesregierung müsse handeln und es deutschen Städten ermöglichen, auf freiwilliger Basis vor allem unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen, fordern sie. Dafür fehlten derzeit noch die rechtlichen Möglichkeiten.
Die Stadtoberhäupter gehören SPD, CDU, Grünen, Linken oder keiner Partei an. In ihrer Erklärung verweisen sie auch auf das Bündnis "Städte Sicherer Häfen". Die darin zusammengeschlossenen 140 Städte hätten sich schon bereiterklärt, Flüchtlingen zu helfen. Pistorius sagte dem RND: "Es ist ein starkes Zeichen der Menschlichkeit, dass so viele Kommunen bereit sind, die Schwächsten der Schwachen aufzunehmen."
Auch Kirchen machen Druck
Bereits zuvor hatten Vertreter von Kirchen, Sozialverbänden und Politik ähnliche Forderungen geäußert. Der Bundesverband entwicklungspolitischer und humanitärer Nichtregierungsorganisationen (Venro) mahnte ein "humanitäres Sofortprogramm für Kinder" an: Kinder, minderjährige unbegleitete Flüchtlinge und "andere besonders verletzliche Gruppen" sollten aus den Aufnahmelagern auf den griechischen Inseln geholt werden. "Deutschland darf sich nicht hinter anderen EU-Staaten verstecken, sondern muss schnell einen Beitrag leisten, um Griechenland zu entlasten."
Auch der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei Bundesregierung und EU, Martin Dutzmann, forderte Deutschland und weitere europäische Staaten zur Aufnahme minderjähriger Flüchtlinge aus den griechischen Lagern auf. "Es gibt ja einige Staaten, die dazu bereit sind. Und Deutschland müsste es eben auch sein", sagte er im NDR. Die Verhältnisse in den Flüchtlingslagern seien katastrophal und hätten sich in den vergangenen Tagen weiter verschlechtert.
Dutzmann appellierte auch an die Europäische Union, geltendes Recht nicht einzuschränken. Zwar habe die EU das Recht, ihre Außengrenzen zu sichern, aber "auf der anderen Seite muss sie dabei die Menschenrechte beachten und europäisches Recht durchsetzen". So dürften nicht "Hilfsbedürftige daran gehindert werden, einen Asylantrag zu stellen. Das muss möglich sein", betonte der EKD-Bevollmächtigte.
Der Flüchtlingsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Hamburgs Erzbischof Stefan Heße, sprach von einem "Weckruf": "Der Bürgerkrieg in Syrien und die Not der Flüchtlinge lassen sich nicht einfach ausblenden." Die EU und die Türkei rief Heße auf, eine humanitäre Krise in der Grenzregion abzuwenden. Eine "faire und solidarische Flüchtlingspolitik" sei das Gebot der Stunde. Darunter verstehe er eine gerechte Verantwortungsteilung zwischen den Erstaufnahmestaaten und den anderen Staaten Europas sowie sichere und legale Zugangswege.
Antrag der Grünen im Bundestag gescheitert
Gestern hatte der Bundestag mehrheitlich einen Antrag der Grünen abgelehnt, die darin unter anderem gefordert hatten, 5000 besonders schutzbedürftige Menschen, unter ihnen unbegleitete Minderjährige, aus den griechischen Lagern nach Deutschland zu holen. 117 Parlamentarier hatten dafür, 495 dagegen votiert. Auch die SPD stimmte dagegen, obwohl eine Vielzahl ihrer Abgeordneten inhaltlich dafür war. Sie bezeichneten den Alleingang Deutschlands als kontraproduktiv im Hinblick auf eine europäische Lösung.
Auch zahlreiche Unionsabgeordnete hatten eine persönliche Erklärung unterschrieben, in der sie sich für humanitäre Hilfe vor Ort aussprechen. "Außerdem sollte eine europäische Aufnahme von Kindern und Jugendlichen aus den überfüllten griechischen Flüchtlingslagern, gegebenenfalls mit einer 'Koalition der Willigen', von EU-Mitgliedstaaten, zur Entlastung Griechenlands ermöglicht werden", hieß es in der Erklärung der 48 Parlamentarier. "Die dramatische Lage gerade in den griechischen Hotspots lassen uns und können uns alle nicht unberührt lassen", schrieben die Abgeordneten.
Mützenich pocht auf Entscheidung bis Ende der Woche
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich baut in der Koalition deshalb trotz der gestrigen Entscheidung in der Sache Druck auf. "Ich erwarte, dass wir für Deutschland noch bis zum Ende der Woche eine Regelung zugunsten der Kinder erreichen", erklärte er. Er begrüßte, dass sich Luxemburg, Finnland, Frankreich und andere in einer humanitären Geste bereit erklärt hätten, schutzbedürftige Kinder aufzunehmen.
"Es war gut, dass der deutsche Innenminister in diesem Zusammenhang eine ähnliche Haltung eingenommen hat", sagte Mützenich mit Blick auf Bundesinnenminister Horst Seehofer. Dieser hatte zuvor dafür geworben, minderjährige unbegleitete Flüchtlinge von den griechischen Ägäis-Inseln auf aufnahmewillige EU-Staaten zu verteilen. Wichtig bei der Aufnahme der Kinder und Jugendlichen sei eine europäische Lösung: "Es müssen möglichst viele mitmachen", sagte Seehofer.
Auch mehrere Bundesländer zur Aufnahme bereit
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther hatte sich bereits bereit erklärt, minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen. "Seit dem Wochenende hat sich die Lage im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Griechenland dramatisch verschärft", sagte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Schleswig-Holstein hat in der Vergangenheit mehrfach seine Bereitschaft erklärt, Menschen in Not zu helfen und sich an Kontingentlösungen zu beteiligen, die die Bundesregierung mit den europäischen Partnern aushandelt. Wir sollten hier ein Beispiel geben." Auch Thüringen und Baden-Württemberg hatten in der Vergangenheit angeboten, Kinder und Jugendliche aufnehmen.