Anbauverbot von Gentech-Pflanzen Der vertagte Koalitionsstreit rächt sich
In den Koalitionsverhandlungen konnten die Regierungsparteien sich nicht auf ein Anbauverbot von Gentech-Pflanzen einigen. "Vorbehalte" in der Bevölkerung erkenne man aber an, heißt es im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Der Streit über die Interpretation holt die Koalition nun ein.
Ob Mindestlohn, Maut oder Mütterrente - was im Koalitionsvertrag steht, das wollen Union und SPD stets umsetzen. Egal wie. Schwieriger ist das bei Themen, die im Koalitionsvertrag nicht eindeutig formuliert sind.
"Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an", heißt es im Koalitionsvertrag, von vielen interpretiert als Versprechen einer bundesweit gentechnikfreien Landwirtschaft. Auf konkrete Maßnahmen konnten die Regierungsparteien sich in den Koalitionsverhandlungen jedoch nicht einigen, die von SPD und CSU gewünschte Ablehnung des Anbaus gentechnisch veränderter Lebensmittel schaffte es nicht in den Vetrag.
Der Minister versucht einen Kompromiss
Seitdem gibt es einen andauernden Streit über die richtige Interpretation des Vertrages - und über die Umsetzung eines Gentechnik-Verbots. Der zuständige Agrarminister Schmidt (CSU) beteuert, er wolle keine Gentechnik auf deutschen Feldern und daher möglichst auch ein nationales Verbot, nur in seinem jüngsten Gesetzentwurf, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, steht das so nicht direkt drin.
Da jedes einzelne Anbauverbot einer Gentech-Pflanze technisch-rechtlich geprüft werden müsse, sieht der Minister nur die Möglichkeit des Anbauverbots auf Länderebene. Pauschale Verbote seien nicht zulässig, argumentiert Schmidt. Für bestimmte "zwingende Gründe", wie städtebauliche Belange oder die Raumordnung etwa, habe der Bund eben keine rechtssicheren Eingriffsmöglichkeiten.
Die SPD will ein Verbot
Die SPD und auch das SPD-geführte Bundesumweltministerium sehen das ganz anders: ein bundesweites Verbot sorge für Rechtssicherheit.
Deshalb hat der CSU-Minister in seinem Gesetzentwurf einen Kompromissvorschlag gemacht: Ein sogenannter Anbauausschuss, der sich aus Bund und Ländern zusammensetzt, soll künftig entscheiden, welches Verbot am sinnvollsten ist, ein bundesweites oder ein regionales.
Doch das kann die SPD nicht überzeugen. Der Minister würde seinen jüngsten Gesetzentwurf zu Unrecht als "Kompromissvorschlag" bezeichnen. "Das ist kein Kompromiss, er geht hier nicht auf die SPD zu. Er zieht sich immer wieder auf die Rechtssicherheit zurück, dann soll er doch einfach mal entscheiden. Hinterher kann man immer noch sehen, ob das bundesweite Verbot hält oder nicht", so die verbraucherpolitische Sprecherin der SPD, Elvira Dobrinski-Weiß. Man wolle keinen regionalen Flickenteppich in Sachen Gentechnik.
Die Koalition ist in Sachen Gentechnik gefangen in juristischer Streiterei, scheint es. Hinter dem Paragrafen-Wirrwarr könnte auch etwas anderes stehen als bloßer Expertenzoff: Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) hat sich erst jüngst gegen ein Verbot gentechnisch veränderter Pflanzen in Deutschland ausgesprochen. Und die Christdemokraten sind traditionell sowieso eher gentechnik-freundlich. Vielleicht ist auch das der Spagat, den Minister Schmidt mit seinem jüngsten Gesetzentwurf versucht zu machen.
Opposition: "Minister drückt sich vor Verbotsentscheidung"
Für die Grünen im Bundestag ist das auf jeden Fall so: "Schmidts Expertenkommissions-Vorschlag mag auf den ersten Blick verlockend klingen. Es ist aber nur ein weiterer schlecht kaschierter Versuch des CSU-Ministers, sich selbst um die Verbotsentscheidung zu drücken. Die Politik darf solche Entscheidungen nicht an Expertenkommissionen abschieben", so der Sprecher für Gentechnik, Harald Ebner.
Als nächstes steht in Brüssel die Zulassung des Genmais 1507 an. Bis dahin sollte die Koalition sich geeinigt haben, wie sie ihren Koalitionsvertrag interpretiert - und wie ernst sie die Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber der Gentechnik nimmt.