Bundesweite Proteste gegen rechts Hunderttausende setzen "ein klares Signal"
Hunderttausende Menschen sind an diesem Wochenende in ganz Deutschland auf die Straße gegangen, um ein Zeichen gegen rechts zu setzen. Politiker dankten den Demonstrierenden - für ein "klares Signal".
Bundesweit sind am Wochenende Hunderttausende Menschen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen. Allein in Berlin seien am Sonntag 350.000 Menschen gekommen, teilten das Netzwerk Campact und Fridays for Future mit, die dort Mitveranstalter waren. In München sprachen die Veranstalter von rund 250.000 Teilnehmenden.
Die Polizei schätzte sowohl in Berlin als auch in München die Zahl der Demonstrierenden auf bis zu 100.000. Die Organisatoren der zahlreichen Kundgebungen errechneten für die Tage von Freitag bis Sonntag eine Gesamtzahl von 1,4 Millionen Teilnehmenden.
In München und auch schon am Freitag in Hamburg mussten die Demonstrationen wegen Überfüllung abgebrochen werden. Es könne nicht mehr für die Sicherheit der Teilnehmenden garantiert werden, hieß es.
Steinmeier: "Zeigen, dass wir gemeinsam stärker sind"
Spitzenpolitiker unterschiedlicher Parteien stellten sich hinter die Kundgebungen. "Die hohe Beteiligung an den Demonstrationen, besonders in Halle, ist ein starkes Signal gegen Rechtsextremismus und für ein demokratisches Miteinander, auf das wir mit Stolz blicken können", sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) der "Mitteldeutschen Zeitung".
Sachsens Ministerpräsident, Michael Kretschmer (CDU), nahm selbst an einer Demonstration in Görlitz teil. Im Bericht aus Berlin sagte Kretschmer, es sei bewegend, was da passiert. Nun ginge es aber auch darum, als Politik, die die Verantwortung trage, zu beweisen, dass man mit dieser Demokratie erfolgreicher sei. Kretschmer forderte die Bundesregierung zum Handeln auf. Alle hätten eine staatsbürgerliche Verantwortung mitzutragen. Er sei überzeugt, dass es gelingen könne, diesen Nährboden zu entziehen und Deutschland weitere Jahrzehnte von Stabilität und Wohlstand zu geben.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dankte den Demonstranten für ihren Einsatz für die Demokratie. "Diese Menschen machen uns allen Mut. Sie verteidigen unsere Republik und unser Grundgesetz gegen seine Feinde. Sie verteidigen unsere Menschlichkeit", sagte er in Berlin in einer Videobotschaft. Ganz unterschiedliche Menschen seien auf die Straße gegangen. "Aber sie alle haben eines gemeinsam: Sie stehen jetzt auf gegen Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Sie wollen auch in Zukunft frei und friedlich zusammenleben." Nötig sei jetzt ein Bündnis aller Demokratinnen und Demokraten. "Die Zukunft unserer Demokratie hängt nicht von der Lautstärke ihrer Gegner ab - sondern von der Stärke derer, die die Demokratie verteidigen. Zeigen wir, dass wir gemeinsam stärker sind."
Baerbock: "Die Stärke in unserem Land"
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) wertete die Demonstrationen als ermutigendes Zeichen für die Demokratie. "Was für eine Kraft, die von diesem Wochenende ausgeht", schrieb er auf der Plattform Instagram. "Ihr zeigt, dass Deutschland eine starke Demokratie ist. Dass Ihr nicht duldet, wenn der Rechtsextremismus die Grundfeste unseres Staates zerstören will".
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) lobte den zunehmenden Protest gegen rechts in Deutschland vor allem auch in kleineren und mittelgroßen Städten. "Das ist doch die Stärke in unserem Land", sagte sie in Potsdam. Wenn es um die Frage gehe, ob man Mensch oder Menschenhasser sei, gingen Menschen auf die Straße - auch ohne große Aufrufe und zum ersten Mal.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte der "Rheinischen Post": "Dass mehrere Hunderttausend Menschen Gesicht zeigen und gerade jetzt unsere Demokratie aktiv verteidigen, das ist ein sehr ermutigendes Zeichen."
Merz: Lob für Demos, Warnung vor "Nazi-Keule"
Auch CDU-Chef Friedrich Merz lobte die bundesweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und warnte gleichzeitig davor, die AfD eine Nazi-Partei zu nennen. "Ich finde, das ist ein äußerst ermutigendes Zeichen einer lebendigen Demokratie, dass sich in einer so großen Zahl Menschen auf die Straße begeben", sagte Merz am Sonntagabend in der ARD-Sendung Caren Miosga. Sie hätten "für den Erhalt unserer Demokratie, unseres Rechtsstaates, unserer Freiheit" demonstriert.
Zugleich widersprach Merz NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), der die AfD eine "Nazi-Partei" genannt hatte. "Natürlich gibt es da richtige Nationalsozialisten. Aber deswegen sind die Wählerinnen und Wähler dieser Partei nicht alles Nazis" betonte Merz. "Und wenn wir die zurückgewinnen wollen für die demokratischen Parteien unseres Landes, dann dürfen wir sie nicht beschimpfen." Wichtiger sei, die Probleme im Land zu lösen, dann werde der Zuspruch für die Rechtspartei wieder kleiner. "Die Nazi-Keule, die bringt uns nicht weiter."
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder schrieb an die Menschen, die demonstriert hatten: "Vielen Dank für dieses klare Signal! Wenn Demokraten zusammenhalten, haben Extremisten keine Chance."
Im TV-Sender "Welt" zeigte sich der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erfreut darüber, dass die Ereignisse in Potsdam die Menschen im Land wachgerüttelt hätten. Für Jüdinnen und Juden sei dies ein Bild, "das wieder Vertrauen in die demokratischen Verhältnisse in der Bundesrepublik schaffen kann."
Entsetzen über Geheimtreffen im November
Seit rund einer Woche gibt es in vielen Städten deutschlandweit große Demonstrationen gegen die AfD und Rechtsextremismus. Auslöser für die Proteste sind die Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv über ein Treffen von Rechtsextremisten am 25. November in Potsdam, an dem AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der Werteunion teilgenommen hatten.
Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte bei dem Treffen nach eigenen Angaben über "Remigration" gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang.