Nordwestdeutsche Stahlindustrie Inflationsprämie und 5,5 Prozent mehr Lohn
In der nordwestdeutschen Stahlindustrie haben Arbeitgeber und IG Metall eine Tarifeinigung erzielt. Die Beschäftigten erhalten eine Inflationsprämie und 5,5 Prozent mehr Lohn. Der Abschluss dürfte Vorbild für weitere Tarifverhandlungen in der Branche sein.
Nach einem rund 14-stündigen Verhandlungsmarathon haben sich Arbeitgeber und IG Metall in der nordwestdeutschen Eisen- und Stahlindustrie auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt.
Der IG Metall in Düsseldorf zufolge erhalten die etwa 68.000 Beschäftigten zum 1. Januar 2024 eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.500 Euro netto, Auszubildende erhalten 1.000 Euro. Von Februar bis November gibt es monatliche Zahlungen in Höhe von 150 Euro netto, Auszubildende erhalten 80 Euro. Ab 1. Januar 2025 steigen die Entgelte und Auszubildendenvergütung um 5,5 Prozent. Der Tarifvertrag läuft bis zum 30. September 2025.
Sicherheit bei Klima-Transformation
Zudem vereinbarten beide Seiten Eckpunkte für einen zusätzlichen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung im Rahmen der ökologischen Transformation der Industrie. Er soll im Betrieb zur Anwendung kommen, wenn durch die vielfach geplante Umstellung der Produktion in Richtung Klimaneutralität weniger Arbeitskräfte benötigt werden. Das gilt zum Beispiel für Kokereien, deren Koks eines Tages in mit Wasserstoff betriebenen Anlagen nicht mehr benötigt wird.
Die Einigung sieht vor, dass - ausgehend von der Regelarbeitszeit von 35 Stunden - die Arbeitszeit um drei Stunden auf 32 Stunden abgesenkt werden kann. Die IG Metall konnte dafür keinen vollen Lohnausgleich erreichen, aber eine Bezahlung von dann 33 Stunden. Bei einem Mehrbedarf, etwa wegen eines zeitweisen Parallelbetriebs von alten und neuen Technologien, kann die Arbeitszeit auch um bis zu drei Stunden erhöht werden.
Die Gewerkschaft wertete die Regelung zur Beschäftigungssicherung als Vorbild. Der Abschluss sei "zukunftsweisend für die Stahlindustrie" und mache die Beschäftigung im Umbruch der Branche sicherer, erklärte Nadine Boguslawski, die im Bundesvorstand der IG Metall für Tarifpolitik verantwortlich ist.
Absenkung der Arbeitszeit - ohne Lohnausgleich
Die Einigung sieht außerdem die Möglichkeit vor, die individuelle Arbeitszeit auf 33,6 Stunden abzusenken, allerdings ohne Lohnausgleich und nur, sofern keine betrieblichen Gründe dagegen sprechen. Nur wer 60 Jahre und älter ist und im Schichtdienst arbeitet, soll dann 34,1 Stunden bezahlt bekommen.
In den Jahren 2026 und 2027 wird die Altersgrenze jeweils um ein Jahr abgesenkt. Im Jahr 2027 soll die Regelung neu bewertet werden. Zudem wurden die Tarifverträge zur Altersteilzeit, Beschäftigungssicherung und zum Einsatz von Werkverträgen verlängert.
Beidseitiger Lob für Einigung zur Beschäftigungssicherung
Die IG Metall zeigt sich nach nach der Einigung in der fünften Verhandlungsrunde in Düsseldorf zufrieden. Mit dem Ergebnis werde den Beschäftigten Sicherheit in der Transformation der Industrie gegeben. "Kommt es zum Druck auf Beschäftigung, kann durch die Arbeitszeitverkürzung bei Teilentgeltausgleich die noch vorhandene Arbeit auf mehrere Schultern verteilt werden", sagte der Vorsitzende des IG-Metall-Bezirkes NRW und Verhandlungsführer, Knut Giesler.
Bei der Verkürzung der Arbeitszeit hätte sich die Gewerkschaft mehr gewünscht, so Giesler. Positiv bewertete er die Inflationsausgleichsprämie, durch die die "Beschäftigten schnell Entlastung" enthielten. Zudem sorge der Tarifabschluss für eine nachhaltige Steigerung der Einkommen.
Der Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes Stahl, Reiner Blaschek, teilte mit, die vereinbarte Entgelterhöhung strapaziere angesichts der sich rapide verschlechternden Rahmenbedingungen die Möglichkeiten der Unternehmen maximal. "Sehr positiv bewerten wir, dass es uns gemeinsam mit der IG Metall gelungen ist, eine passgenaue Regelung zur Arbeitszeit und zur Beschäftigungssicherung während der ökologischen Transformation unserer Industrie zu schaffen."
Abschluss gilt als Orientierung für andere Regionen
Die Gewerkschaft war unter anderem mit einer Forderung nach einem Lohnplus von 8,5 Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten in die Verhandlungen gegangen. Zudem hatte sie eine 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich gefordert. Die jetzige Einigung gilt als Pilotabschluss für die Stahlindustrie. Die Friedenspflicht war Ende November geendet. Seitdem hatten sich mehrere zehntausend Stahlarbeiter an mehrstündigen Warnstreiks beteiligt. In den vergangenen Tagen hatte die Gewerkschaft dabei zu 24-Stunden-Warnstreiks aufgerufen, unter anderem in Duisburg, dem größten Stahlstandort Europas.
Zur nordwestdeutschen Stahl- und Eisenindustrie gehören Werke in Nordrhein-Westfalen, Bremen und Niedersachsen. In der ostdeutschen Stahlindustrie mit ihren etwa 8.000 Beschäftigten ist die fünften Verhandlungsrunde für den 18. Dezember angesetzt. In der saarländischen Stahlindustrie mit ihren etwa 15.000 Beschäftigten haben die Tarifverhandlungen noch nicht begonnen. Dort endet die Friedenspflicht Ende Februar. Das Tarifgebiet umfasst neben dem Saarland auch zwei Werke in Wetzlar (Hessen) und Kehl (Baden-Württemberg).