Krankenhausreform Auch große Kliniken zunehmend am Limit
Viele kleine Krankenhäuser kämpfen ums Überleben. Aber auch große Kliniken stehen vor Problemen. Zwei Beispiele aus Regensburg zeigen: Die Situation im Krankenhaus-Sektor ist vor der geplanten Klinikreform angespannt.
Es klingt dramatisch: Im Protokoll einer internen Sitzung am Uniklinikum Regensburg wird die Finanzsituation des Hauses als besorgniserregend beschrieben: "Da (…) sich im Zuge der aktuellen Wirtschaftsplanung für die Jahre 2024 - 2028 bedenkliche Defizite ansammeln ist dringender Handlungsbedarf angezeigt. Nach diesen Prognosen entgeht das UKR nur aufgrund der Gewährträgerschaft des Freistaats Bayern einer Anmeldung zur Insolvenz", heißt es im Protokoll der Vorstands- und Direktorenklausur vom 10. November 2023.
Das prognostizierte Defizit der Uniklinik wird für 2024 mit mehr als 45 Millionen Euro angegeben - und das, obwohl die Klinik in den vergangenen Jahren sogar leichte Überschüsse erwirtschaftet hat.
Viele Risiken für Kliniken
Auf Nachfrage relativiert das Uniklinikum die genannte Zahl. Das Ganze sei ein bewusst erstelltes Risiko-Szenario, sagt der ärztliche Direktor des UKR, Oliver Kölbl - "ein Worst-Worst-Szenario". Darin habe das Klinikum berechnet, wie es finanziell 2024 dastehe, wenn mehrere Risiken zusammenträfen: weiter sehr hohe Energiekosten, fehlende Refinanzierung von Tarifsteigerungen, sinkende Patientenzahlen und weiter steigende Sachkosten.
Solche Risiko-Szenarien sind durchaus üblich. Kölbl erklärt, es gebe daneben auch ein realistischeres Szenario: Darin werde nur von einem vergleichsweise kleinen Minus von drei Millionen Euro ausgegangen. Erstaunlich ist nur, dass dieses Real-Szenario im Protokoll der Sitzung mit keinem Wort erwähnt wird.
Kölbl räumt ein, mit der Präsentation des Risiko-Szenarios sollten die Sparanstrengungen im Haus nochmals forciert werden. "Ziel war natürlich auch, den Mitarbeitern zu zeigen, dass Anstrengungen von allen Berufsgruppen notwendig sind, damit es nicht zu diesem Worst-Case-Szenario kommt, dass sich alle anstrengen und motiviert sind und gut zusammenarbeiten." Der Druck auf sein Führungsteam hat offenbar auch gewirkt: "Die Zahlen für Januar/Februar zeigen, dass alle die Botschaft verstanden haben, weil die beiden Monate gut liefen", sagt Kölbl.
Krankenhaus musste bereits Station schließen
Das Beispiel zeigt: Auch bei Kliniken, die in den vergangenen Jahren finanziell vergleichsweise gut dastanden, ist der Spardruck groß. Das gilt auch für das Barmherzige Brüder Krankenhaus in Regensburg. Mit knapp tausend Betten ist es das größte katholische Krankenhaus Deutschlands.
In den vergangenen Jahren war das Erreichen einer ausgeglichenen Bilanz noch gut möglich, sagt Geschäftsführer Andreas Kestler. Aber das werde immer schwerer. 2023 musste das Krankenhaus sogar die stark defizitäre Klinik für Alten-Rehabilitation schließen, um die finanzielle Situation zu verbessern.
Ausgaben steigen stärker als Einnahmen
Die Ausgaben für die Krankenhäuser sind durch Preissteigerungen und gestiegene Personalausgaben in Folge der letzten Tarifabschlüsse stark angestiegen. Die Vergütung der Leistungen sei aber bei weitem nicht in gleicher Weise mitgewachsen, sagt Kestler. Die Schere gehe immer weiter auseinander.
Die geplante Klinikreform, die der Geschäftsführer kritisch sieht, müsse die Finanzsituation verbessern. "Ich gönne unseren Ärzten die Tarifsteigerungen von über zehn Prozent in den letzten zwei Jahren schon. Aber wenn ich nur fünf Prozent ersetzt bekomme, wird es irgendwann schwierig, was sich jeder vorstellen kann", so der Geschäftsführer. Wenn sich das nicht ändert, müsse die Klinik über einen Investitionsstopp oder die Schließung weiterer Bereiche nachdenken.
Ein weiterer Kritikpunkt: die Bürokratie. Diese belaste die Kliniken bereits enorm. Das an diesem Freitag im Bundesrat auf der Tagesordnung stehende Krankenhaustransparenzgesetz habe für den Patienten keinen Mehrwert und erhöhe den bürokratischen Aufwand zusätzlich, kritisiert das Krankenhaus. Geschäftsführer Kestler spricht von einer "Misstrauensbürokratie".
Wirtschaftliche Lage deutschlandweit angespannt
Das Deutsche Krankenhaus Institut (DKI) befragt regelmäßig Krankenhäuser nach der wirtschaftlichen Situation. Bei der jüngsten Erhebung erwarteten 78 Prozent der Kliniken für 2023 ein Minus in der Bilanz. Die Befragung zeigt auch, dass große Krankenhäuser über 600 Betten ihre aktuelle wirtschaftliche Situation besonders schlecht einschätzen. Für 2024 erwarten drei von vier Kliniken dieser Größe, dass sich die Lage eher verschlechtert.
Sparen auch beim Personalschlüssel
Um zu sparen, will das Uniklinikum Regensburg versuchen, die Sach- und Energiekosten weiter zu senken. Der ärztliche Direktor Kölbl räumt aber auch Sparmaßnahmen beim Personal ein: Schon vergangenes Jahr sei entschieden worden, die Anzahl der Patienten pro Pflegekraft zu erhöhen. Im besagten Protokoll heißt es dazu: "Die bisherige UKR-interne Konvention zur Definition des Pflegeschlüssels (…) ist auf den Prüfstand zu stellen und soll an die gesetzlichen Regelungen angepasst werden."
Man liege auch jetzt noch ein Stück weit über dem gesetzlichen Mindestmaß, sagt Kölbl. In der Vergangenheit sei man aber noch großzügiger gewesen und habe hier nachjustiert. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres habe sich diese Sparmaßnahme bereits ausgezahlt, weil so mehr Fälle behandelt werden konnten, sagt der ärztliche Direktor.
Kritik an Sparmaßnahmen
Solche Einsparungen bei der Pflege sehen Gewerkschaftsvertreter aber kritisch. Heinz Neff von der Gewerkschaft ver.di im zuständigen Bezirk Oberpfalz hält eine Erhöhung der Patientenanzahl pro Pflegekraft für "nicht verantwortbar". "Wir haben die gesetzlichen Untergrenzen, die ein absolutes Mindestmaß sind", sagt Neff.
Es brauche Sicherheit für die Patienten und auch fürs Personal. "Gute Pflege, gute medizinische Versorgung braucht auch eine entsprechend gute Personalausstattung und kann sich nicht an irgendwelchen Untergrenzen orientieren." Mit einer zusätzlichen Belastung der Mitarbeitenden werde der Arbeitsplatz unattraktiver. Das Problem großer Kliniken sei aber in Zeiten des Pflegekräftemangels, dass sie nicht zu viel, sondern zu wenig Personal hätten.