Ramadan in Deutschland Fasten, während die Gedanken in Gaza sind
An einen normalen Ramadan ist für Deutsch-Palästinenser nicht zu denken. Familie El Danaf fastet und versucht, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Doch das fällt schwer, während Verwandte ums Überleben kämpfen.
Wenn um 18:35 Uhr die Sonne in Bonn untergeht, dann stehen an diesem ersten Tag des Ramadan auf dem Esstisch bei Familie El Danaf Linsensuppe, geschmorte Aubergine, Lammkeule mit Gemüse und Nussecken. Die vier erwachsenen Söhne haben sich die Gerichte für das Fastenbrechen gewünscht.
In anderen Jahren hätten sie Fotos gemacht vom gedeckten Tisch und die per WhatsApp und Facebook geteilt. Doch in der aktuellen Situation? "Nein! Verwandte und Freunde in Gaza haben so gut wie nichts zu essen", sagen sie. LKW mit Mehl, Reis, Öl und Trinkwasser kommen kaum durch zu den Menschen im Kriegsgebiet. Von Flugzeugen abgeworfenen Hilfspakete erreichen nur wenige der Not leidenden Menschen.
Freunde in Gaza haben Angst, zu verhungern
"Ein Freund hat mir am Telefon gesagt, er wäre darauf gefasst gewesen, durch Bomben im aktuellen Krieg zu sterben. Aber er hätte nicht damit gerechnet, eventuell zu verhungern", erzählt Mazen El Danaf. Der 61-Jährige und seine Frau Khitam sind in Gaza aufgewachsen.
Vor mehr als 40 Jahren sind sie nach Deutschland gekommen, haben hier eine Familie gegründet. Schwestern, Brüder, Nichten und Cousins aber leben immer noch dort.
Dieser Ramadan sei nicht so feierlich und fröhlich wie sonst, sagt Mazen El Danaf. "Aber die Zeit mit der Familie und das Besinnen auf das Wesentliche helfen uns, Kraft zu tanken. Die letzten Monate waren unheimlich anstrengend - mental und körperlich."
Er ist erst seit wenigen Tagen zurück in Bonn. Ende Dezember ist er nach Ägypten geflogen, um von dort aus seiner Familie in Gaza zu helfen. Wochenlang hat er mit ägyptischen Stellen gesprochen, hat zusammen mit seinen Brüdern, die auch außerhalb von Gaza leben, Geld zusammengetragen - viele tausend US-Dollar.
Mazen und Khitam El Danaf wollen fasten. Doch der Ramadan ist für sie nicht so feierlich und fröhlich wie sonst.
Eine Flucht nach Ägypten kostet viel
Schließlich ist es ihnen gelungen, 28 Familienmitglieder über die Grenze bei Rafah nach Ägypten zu holen, darunter ein achtmonatiges Baby und der 86-jährige Vater von Mazen El Danaf. Sie haben extra einen Krankenwagen organisiert, der den alten Mann zu einem Krankenhaus in der ägyptischen Hafenstadt Port Said transportierte.
"Die Ärzte dort haben gesagt, dass er nicht mehr lang überlebt hätte, so schwach war er", so Mazen El Danaf. Es fehle an Medikamenten in Gaza. Diabetiker hätten kein Insulin, Schmerzmittel gebe es nicht mehr und selbst in Krankenhäusern gebe es keine Betäubungsmittel. Operationen müssten ohne Anästhesie stattfinden. Als katastrophal beschreiben Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen die medizinische Versorgung.
Mazen El Danaf berichtet, dass sich sein Bruder, die Schwägerin, Nichten und Neffen körperlich einigermaßen hätten erholen können in den vergangenen Wochen in Ägypten. Aber die schrecklichen Nachrichten aus Gaza würden sie auch hier erreichen. "Einen Tag, nachdem sie in Port Said angekommen waren, haben wir erfahren, dass drei Nachbarfamilien bei den Angriffen getötet wurden."
Trotz der ganzen Verzweiflung - oder gerade deswegen - wolle die Familie den Ramadan so normal wie möglich gestalten. "Dadurch bekommen sie ein bisschen innere Ruhe", sagt El Danaf.
Etwas Kraft tanken im Ramadan
Seitdem er zurück in Bonn ist, telefoniert Mazen El Danaf täglich mit seinen Verwandten. Auch am Abend beim Iftar, dem Fastenbrechen, werden sie wieder miteinander sprechen.
Seine Frau Khitam wird versuchen, ihre Schwestern zu erreichen. Sie sind weiterhin im Süden von Gaza. Nicht immer gibt es dort eine Internetverbindung. Manchmal hört Khitam El Danaf tagelang nichts von ihnen. Und leider sei es nicht möglich, alle Familienmitglieder nach Ägypten zu holen. "So schlimm das ist, aber das ist auch eine Frage des Geldes", sagen die El Danafs.
Wenn der Ramadan vorbei ist, wird Mazen El Danaf wieder nach Ägypten fliegen, um seine Familie vor Ort zu unterstützen. Sie müssen sich dort jetzt ein Leben aufbauen. Für wie lange? Das weiß keiner. "Ich hoffe, dass es noch während des Ramadan zu einem Waffenstillstand kommt. Die Menschen brauchen eine Pause, sie brauchen eine Perspektive."