Präsidentschaftswahl AfD-Abgeordnete wollen nach Russland reisen
In einer Woche sind in Russland Präsidentschaftswahlen. Wahlbeobachter der OSZE sind nicht zugelassen. Nun wurden offenbar AfD-Abgeordnete als "Experten für Demokratie" eingeladen. Drei wollen die Einladung annehmen.
Er reise mit einem guten Gefühl ab, so erzählt es der AfD-Bundestagsabgeordnete Stefan Keuter seinen Facebook-Followern. Im März 2018 war das, als er im Auftrag der russischen Staatsduma als "Wahlbeobachter" die Wahlen von Wladimir Putin zum russischen Präsidenten begleitet hat.
Während Experten anschließend eher von einer "technischen Legitimierungsmaßnahme" als einer ordentlichen Wahl sprechen, erklärt Keuter, alles sei "frei, geheim und gleich" durchgeführt worden.
Auch sein Fraktionskollege Ulrich Oehme war damals vor Ort, lobte die Wahlen und musste später eingestehen, dass seine Reisekosten vom russischen Parlament bezahlt worden waren. Insgesamt waren 2018 acht AfD-Bundestagsabgeordnete als "Beobachter" in Russland.
Russische Bürgerkammer lädt AfD-Abgeordnete ein
Es scheint, als wäre die russische Führung damit sehr zufrieden gewesen. In einer Woche steht Präsident Wladimir Putins vierte Wiederwahl an. Außer ihm sind bisher nur Kandidaten zugelassen, die als chancenlos gelten oder Putin sogar unterstützen. Internationale Beobachter der OSZE hat Russland nicht eingeladen - AfD-Abgeordnete sind dagegen erwünscht.
Die "Bürgerkammer der Russischen Föderation" habe bayerische AfD-Landtagsabgeordnete als "Experten für Demokratie" zur Wahl nach Russland eingeladen. So steht es in einer E-Mail, die dem Bayerischen Rundfunk vorliegt. Unterzeichnet ist diese von den Abgeordneten Andreas Jurca, Elena Roon und Ulrich Singer.
Sie wenden sich mit ihrer Mail an den AfD-Bundesvorstand, den bayerischen Landesvorstand und ihre Kollegen in der Landtagsfraktion, um ihre Reise nach Russland zu rechtfertigen. Für sie sei dies eine Möglichkeit, "etwaige Demokratiedefizite oder Wahlprozeduren zu diskutieren". Darüber hinaus sei der primäre Zweck der Reise, "die von der Parteilinie unterstütze Forderung nach einem diplomatischen Dialog umzusetzen".
Bürgerkammer gilt nicht als unabhängig
Die Bürgerkammer wurde 2005 gegründet und soll das russische Parlament beraten. Vertreten sind darin Prominente, Intellektuelle und Künstler. Theoretisch soll die Zivilgesellschaft so an politischen Entscheidungen beteiligt werden. Faktisch spielt die Bürgerkammer machtpolitisch aber keine Rolle und gilt auch nicht als unabhängig.
Für Gerhard Mangott, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck, ist deswegen klar: Bei der Einladung der Bürgerkammer gehe es um ein staatliches Interesse. Russlandfreundliche westliche Parlamentarier sollen der Wahl attestieren, ordnungsgemäß abgelaufen zu sein. "Das soll nach innen und nach außen signalisieren: Auch westliche Politiker bescheinigen uns, dass alles richtig abgelaufen ist", sagt Mangott.
Jurca, Roon und Singer weisen solche Vorwürfe zurück. Sie schreiben dem BR: "Wir glauben, dass in Anbetracht der derzeitigen Situation die russische Regierung nicht ernsthaft an einen legitimierenden Effekt durch den Besuch einiger westlicher Politiker glaubt." Es sei eine Standardaufgabe des Bürgerrats, ausländische "Demokratieexperten" einzuladen.
AfD-Bundesvorstand nicht erfreut
Zunächst war geplant, dass der Bürgerrat die Reise auch finanziert. Die Abgeordneten teilen nun mit, dass sie sich entschieden hätten, die Kosten selbst zu tragen, "gerade um Vorwürfen einer Befangenheit keinen Raum zu bieten". Ob sie sich nach der Wahl öffentlich äußern werden? Das, so schreiben sie, bedinge sich "durch unsere Beobachtungen in Russland".
Der Bundesvorstand der AfD scheint ganz und gar nicht erfreut darüber. Er hat sich am Montag per Mail eingeschaltet. Der Schriftverkehr liegt dem BR und dem ARD-Hauptstadtstudio vor. Man habe beschlossen, den drei Abgeordneten "dringend" zu empfehlen, "die vom 13.-19.03.2024 geplante Reise in die Russische Föderation nicht anzutreten".
Der Bundesvorstand nimmt in Anspruch, dass Entscheidungen über außenpolitische Angelegenheiten der AfD allein bei ihm liegen. Das hatte die Parteiführung im September 2022 schriftlich fixiert, nachdem einige AfD-Landtagsabgeordnete unabgesprochen in Richtung der von Russland besetzten Gebiete in der Ukraine unterwegs waren.
Immer russlandfreundlicher
Der Verdacht, dass Abgeordnete der AfD durch Russland instrumentalisiert werden könnten, kommt für die AfD zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Gerade erst hat die Süddeutsche Zeitung über ein internes Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz berichtet, nach dem die Partei womöglich als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft werden könnte. Darin führt der Nachrichtendienst laut SZ als neuen Punkt auch das "Verhältnis zu Russland" an.
In den vergangenen Jahren hat sich die AfD immer russlandfreundlicher positioniert. Zahlreiche Recherchen belegen enge Verbindungen zwischen Partei und Russland.
"Wir vertreten die Interessen unserer Partei"
Die AfD lehnt seit Beginn des russischen Angriffskrieges auch jegliche Waffenlieferungen an die Ukraine ab. Co-Parteichef Tino Chrupalla hatte seine Rede in der Sondersitzung des Bundestages kurz nach dem russischen Einmarsch noch dazu genutzt, um sich bei Russland für die Wiedervereinigung Deutschlands zu bedanken. Kanzler Olaf Scholz habe mit seinem Vortrag den "Kalten Krieg reaktiviert", so Chrupalla.
Das 100-Milliarden-Paket für die Bundeswehr bezeichnete er als "Wettrüsten". Dass die AfD seitdem stets fordert, mit Russland wieder ins Gespräch zu kommen, wollen sich nun die drei Abgeordneten aus Bayern zunutze machen.
"Wir tragen die von der Partei geforderte Diplomatie und den Dialog nach Russland und vertreten somit die Interessen unserer Partei", schreiben Singer, Roon und Jurca in ihrer Antwort an den Bundesvorstand.
Bewusste Konfrontation mit der Parteiführung
Und nicht nur das, sie suchen bewusst die Konfrontation mit der Parteiführung, der sie per Mail mitteilen: Es falle auf, dass sich der Beschluss ausschließlich auf sie beschränke, "obwohl weitere Kollegen ebenfalls Einladungen aus der Russischen Föderation erhalten haben". Außerdem fordern sie, im Rahmen des nächsten Bundesparteitages eine Beschlussvorlage einzubringen, die eine Distanzierung von Russland fordere, "wenn dies inzwischen im Einklang mit der geltenden Parteilinie stehen sollte".
Der russischen Führung dürfte die schwelende innerparteiliche Auseinandersetzung egal sein. Es sieht alles danach aus, als würden die drei Landtagsabgeordneten die ihnen zugedachte Rolle trotz der Kritik des Bundesvorstandes ausfüllen: "Wir werden die Termine, die im Rahmen des Standardprogramms des Bürgerrats vorgesehen sind, wahrnehmen", erklären sie auf Nachfrage dem BR.