Nach Wahlsieg in Sonneberg "Immer schwieriger, gegen die AfD Politik zu machen"
Die AfD hat im thüringischen Sonneberg erstmals ein kommunales Spitzenamt erobert. Experten sehen das als Zäsur. Es werde immer schwieriger, gegen die Rechtspopulisten Politik zu machen oder gegen sie in Ostdeutschland die Wahlen zu gewinnen.
Nach dem Wahlsieg der AfD im thüringischen Landkreis Sonneberg erwarten Expertinnen und Experten weitere Erfolge der rechtspopulistischen Partei in Ostdeutschland. "Wenn es nicht zu einem dramatischen Stimmungswechsel kommt, könnten die Landtagswahlen und die Kommunalwahlen im nächsten Jahr zu einem Triumphzug der AfD werden", sagte der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer der Nachrichtenagentur dpa.
Der Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung an der TU Dresden sagte, die AfD werde auf Landesebene zwar mangels Partnern nicht regieren. Doch würden große Bündnisse der übrigen Parteien nötig, um noch Regierungsmehrheiten zustande zu bekommen. "Es wird immer schwieriger, gegen die AfD Politik zu machen oder gegen die AfD Wahlen zu gewinnen."
"Fruchtbarer Boden für die AfD"
Im Landkreis Sonneberg hatte der AfD-Kandidat Robert Sesselmann am Sonntag die Stichwahl um das Amt des Landrats gewonnen. Es ist das erste kommunale Spitzenamt für die Rechtspartei bundesweit. Die Unterstützung von Linken, SPD, Grünen und FDP für den CDU-Gegenkandidaten Jürgen Köpper reichte nicht aus, um den AfD-Erfolg zu verhindern. Nächstes Jahr gibt es Landtags- und Kommunalwahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg sowie Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.
Politikwissenschaftler Vorländer sprach von einer Gemengelage verschiedener Motive bei den Wählerinnen und Wählern. Die AfD sei seit Jahren in vielen Regionen Ostdeutschlands tief verwurzelt und habe teils ein Potenzial von mehr als 30 Prozent. Viele Menschen hätten konservative, rechtspopulistische, rechtsnationale oder sogar völkische Einstellungen. Derzeit komme die Unzufriedenheit mit der Bundesregierung hinzu. "Das ist ein fruchtbarer Boden für die AfD", sagte Vorländer.
"Bestätigung für rechtsextremen Radikalisierungskurs"
Nach Ansicht des Magdeburger Extremismusforschers Matthias Quent hat Sesselmanns Wahlsieg "einen symbolischen Wert von bundesweiter Bedeutung", wie er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte. "Die realen Gestaltungsmöglichkeiten eines Landrats in einem Kreis mit 54.000 Einwohnern sind begrenzt, aber dieser Wahlsieg gibt der AfD eine zentrale Position für den Angriff auf die Landes- und Bundespolitik."
Zudem sei der Wahlausgang eine Bestätigung für den "rechtsextremen Radikalisierungskurs" von AfD-Landeschef Björn Höcke. Der Wissenschaftler hält es sogar für möglich, dass der AfD-Wahlerfolg Ausgangspunkt für eine "Normalisierung und Legitimierung einer Zusammenarbeit zwischen AfD und CDU" sein könnte.
"Alarmsignal für die Demokratie"
Wie üblich tagen heute die Gremien der Bundestagsparteien, dort könnte die Wahl in Sonneberg Thema werden. Grünen-Parteichefin Ricarda Lang hatte das Ergebnis als Warnung an alle demokratischen Kräfte gewertet. AfD-Kandidat Sesselmann hatte vor allem gegen die Politik der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP im Bund Wahlkampf gemacht - mit der Energie- und Flüchtlingspolitik als Fokus.
Der thüringische SPD-Landesvorsitzende Georg Maier machte auch instabile politische Verhältnisse in dem Bundesland für den Ausgang der Landratswahl verantwortlich. Bei vielen Themen, die die Menschen bewegten, gebe es zu wenig erkennbare Fortschritte, weil die rot-rot-grüne Minderheitsregierung auf die Zustimmung der CDU angewiesen sei. "Wir drehen uns wirklich teilweise im Kreis", sagte Maier.
Der Erfolg Robert Sesselmanns sei ein Alarmsignal für die Demokratie, sagte der Linken-Ko-Vorsitzende Martin Schirdewan im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Als Grund für die erste Übernahme eines kommunalen Spitzenamts durch die AfD nannte der Linken-Politiker die Unzufriedenheit mit der Bundesregierung sowie die Aneignung rechtspopulistischer Narrative durch die Unionsparteien und die FDP.
Höhenflug der AfD hält seit Wochen an
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, wertet die erste Wahl eines AfD-Politikers zu einem Landrat als "Dammbruch". Diesen dürften die demokratischen politischen Kräfte in diesem Land nicht einfach hinnehmen, sagte Schuster dem RND.
Die AfD befindet sich seit Wochen auch in bundesweiten Umfragen auf einem Höhenflug und ist dort meist zweitstärkste Kraft hinter der Union. Alle anderen Parteien schließen eine Koalition mit der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuften Partei aus.