Friedrich Merz steht hinter Alexander Dobrindt im Bundestag
analyse

Erst Dobrindt, dann Merz Heftige Debatte, ungewöhnliche Taktik

Stand: 11.09.2024 15:48 Uhr

Regierung und Opposition griffen sich hart an in der Generaldebatte - vor allem beim Thema Asyl und Migration. Mit der Reihenfolge ihrer Sprecher sorgte die Union für einen Überraschungsmoment. War die Taktik erfolgreich?

Eine Analyse von Iris Sayram, ARD-Hauptstadtstudio

Bundestagsplenum, neun Uhr. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas eröffnete wie gewohnt die Debatte, die in der Haushaltswoche traditionell mit dem Angriff der größten Oppositionsfraktion auf die Bundesregierung startet. Eigentlich Auftritt Friedrich Merz - eigentlich.

Debatte startet mit einer Überraschung

Nach den gescheiterten Migrationsgesprächen zwischen der CDU und CSU mit Innenministerin Faeser (SPD), Justizminister Buschmann (FDP) und Außenministerin Baerbock (Grüne) am gestrigen Abend, hatte Merz bereits deutliche Töne gefunden: "Schade, ich vermisse die Führung des Bundeskanzlers. Der Bundeskanzler hätte spätestens in dieser Situation von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen müssen."

Was nichts anderes bedeutet, als dass Scholz seine ohnehin schon angeschlagene und zerstrittene Ampelkoalition einmal mehr strapazieren sollte. Mit dieser Vorlage von gestern waren die Erwartungen an die Eröffnungsrede von Merz am heutigen Morgen hoch. Doch zur Überraschung vieler Beobachter nutzte Alexander Dobrindt (CSU) die erste Rede für einen Frontalangriff auf die Ampel.

Erste Rede bricht mit gewohnter Reihenfolge

Fraktionen bekommen eine Gesamtredezeit, die sie auf einzelne Redner verteilen können. Auch die Reihenfolge legen sie fest, manchmal erst kurz vor Beginn der Sitzung. Insofern hat die Union nur ihren Spielraum genutzt, allerdings damit für einen kurzen Überraschungsmoment gesorgt. Warum? Eingelassen hat sich Merz selbst dazu nicht. Aber es heißt aus Unionskreisen, Merz habe erst die Rede des Kanzlers anhören wollen, um dann darauf zu reagieren, statt wie üblich umgekehrt.

Bundeskanzler spricht von einer "Theateraufführung"

Ob auch der Kanzler überrascht war, ließ er sich als zweiter Redner jedenfalls nicht anmerken. Ungewohnt lebendig wirkte er am Podium. Auch im Zentrum: Wer nun wirklich das Scheitern der gestrigen Gespräche in Sachen irregulärer Migration zu verantworten hat. Dabei gab es einen klaren Schuldigen für Scholz: Merz. Dieser habe sein Gesprächsangebot nicht ernst gemeint, nur taktiert. Scholz nannte es eine "Theateraufführung".

Dennoch sei die Tür nicht zu für eine Zusammenarbeit. Auf Bundesebene wird die zwar grundsätzlich für die Pläne der Ampel nicht benötigt, aber wenn es um das Thema Steuerung der Migration geht, sind auch die Länder gefragt. Das von der CDU geführte Hessen saß gestern mit am Tisch und verließ diesen im Gleichschritt mit den Bundesvertretern der Union. Viel Raum für eine Fortsetzung der Gespräche eröffnete sich im Laufe der heutigen Aussprache nicht.

Merz bleibt dabei: Zurückweisung von praktisch jedem

Als Merz dann nach etwa 90 Minuten zu seiner Rede ansetzte, klang er weitaus gemäßigter als noch gestern. Er spannte einen Bogen von der Weltpolitik und fand lobende Worte für die Leistungen von Migranten in Deutschland - etwa im Gesundheitsbereich. Da war er sehr weit entfernt von seiner früheren Aussage über Geflüchtete, die den Einheimischen Termine beim Zahnarzt wegnähmen. Die Unterstellung, das Gespräch absichtlich zum Scheitern gebracht zu haben, nannte der Fraktionsvorsitzende "infam".

Er beharrte dennoch auf der juristischen, politischen und faktischen Machbarkeit, in "großem Umfang" Geflüchtete an der deutschen Grenze zurückzuweisen. Was eigentlich nur zuverlässig mit der Ausrufung einer sogenannten Notlage funktioniert. Dass es bereits deutliche Gegenwehr zu diesen Gedankenspielen von europäischen Nachbarstaaten gibt für so einen politischen Alleingang Deutschlands, verschwieg Merz.

Ob sich Wähler davon überzeugen lassen, könnte sich bei der anstehenden Wahl in Brandenburg in zehn Tagen zeigen. Taktik und zu viele politische Spiele werden allerdings leicht vom Wähler durchschaut. Sie bergen die Gefahr, den gegenteiligen Effekt an der Wahlurne zu erzielen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 11. September 2024 um 15:00 Uhr.