Bundesregierung Strengere Vorgaben beim Tierschutz beschlossen
Zucht, Onlinehandel, Rinderhaltung - die Bundesregierung hat für den Umgang mit Heim- und Nutztieren strengere Regeln beschlossen. Tierschützern gehen die Bestimmungen nicht weit genug, Landwirte befürchten neue Bürokratie.
Die Bundesregierung hat sich auf strengere Vorgaben beim Tierschutz geeinigt. Verschärfte Regeln sollen laut Bundeslandwirtschaftsministerium etwa für die Haltung von Heim- und Nutztieren, die Zucht von Hunden und den Onlinehandel mit Haustieren gelten.
"Die allermeisten Tierhalterinnen und Tierhalter in Deutschland werden ihrer Verantwortung gegenüber den Tieren gerecht", erklärte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Doch noch immer gebe es beim Umgang mit Tieren und bei deren Haltung Defizite. "Deshalb leiden in Deutschland viele Tiere."
Zukünftig soll unter anderem die Qualzucht beendet werden - wenn Tiere also auch für Merkmale gezüchtet werden, die zu Schmerzen oder Krankheiten führen. Hier wird die bisherige Definition um weitere Leiden der Tiere erweitert, wie das Landwirtschaftsministerium ausführte. "Dazu gehören Symptome wie Blindheit, Taubheit oder Atemnot." Zur besseren Kontrolle müssen Verkäufer von Tieren im Internet ihre persönlichen Daten bei der jeweiligen Plattform hinterlegen. Vorgesehen ist außerdem eine verpflichtende Videoüberwachung in Schlachthöfen.
Kritik von Tierschützern und vom BUND
Bei einem zentralen Thema, dem ursprünglich anvisierten Verbot der Anbindehaltung von Rindern, sollen künftig allerdings weitreichende Ausnahmen gelten. So soll es nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums erst nach einer Übergangszeit von zehn Jahren gänzlich verboten sein, Rinder das ganze Jahr über im Stall anzubinden. Für kleinere Betriebe bleibt zudem dauerhaft die saisonale Anbindehaltung möglich.
"Anbindehaltung ist Tierquälerei", sagte dazu Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder. Das Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung mit Übergangsfrist sei weitgehend bedeutungslos, weil diese Haltungsart ohnehin ein "Auslaufmodell" sei. Durch das Ermöglichen der saisonalen Anbindehaltung allerdings würden Tausende Tiere weiterhin die meiste Zeit ihres Lebens angebunden verbringen. Damit verstoße Özdemir gegen den Koalitionsvertrag, der ein Verbot vorsehe.
Der Minister verwies auf "die wertvollen und artenreichen Kulturlandschaften in Süddeutschland mit den Bergbauern und Almen, Wiesen und Weiden". Tatsächlich wird die Anbindehaltung von Kühen vor allem in Baden-Württemberg und Bayern praktiziert. Tierschutzpräsident Schröder vermutet deshalb eine strategische Entscheidung Özdemirs mit Blick auf dessen politische Ambitionen in seiner Heimat Baden-Württemberg.
Weitere wichtige Punkte wie ein Verbot des Transports lebendiger Tiere in Länder außerhalb Europas, strengere Regeln für Tierversuche oder die Kastrationspflicht für Katzen mit Freigang fehlten in dem Entwurf zudem gänzlich, kritisierte Schröder. Auch das Abschneiden der Ringelschwänze bei Ferkeln werde "nicht wirksam eingeschränkt", ergänzte Olaf Band, Vorsitzender des BUND. Auch fehle für die Qualzucht im Bereich landwirtschaftlich gehaltener Tiere weiterhin jede brauchbare Definition.
Bauernverband beklagt neue Bürokratie
Der Deutsche Bauernverband (DBV) prangerte den Gesetzentwurf dennoch als "wenig praktikabel und in handwerklicher Hinsicht sehr überarbeitungsbedürftig" an, besonders in der Schweinehaltung. Die Bundesregierung gehe mal wieder über EU-Vorgaben hinaus und schaffe neue Bürokratie, statt für Entlastung der Landwirte zu sorgen. "Wir setzen jetzt auf das parlamentarische Verfahren und hoffen, dass dort mit Sachverstand vernünftige Lösungen gefunden werden", erklärte der beim DBV für die Nutztierhaltung zuständige Präsidiumsvertreter Hubertus Beringmeier.
Er hoffe, dass die Bundestagsfraktionen diesen "falschen" Beschluss korrigieren, sagte auch Tierschutzbundpräsident Schröder. Weitere Regeln betreffen etwa Wildtiere in Zirkussen: Elefanten, Giraffen oder Nilpferde im Bestand eines Zirkus dürfen auch weiterhin gehalten, aber nicht neu angeschafft werden. Außerdem drohen bei schweren Verstößen gegen das Tierschutzrecht wie das grundlose Töten oder die Misshandlung von Tieren härtere Strafen.
Nach dem Kabinettsbeschluss kann der Gesetzentwurf nun an den Bundestag gehen. Einen ersten Entwurf hatte das Ministerium im Februar vorgelegt. SPD, Grüne und FDP hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, Lücken in der Nutztierhaltungsverordnung zu schließen und das Tierschutzgesetz zu verbessern.