Gesetzesvorhaben der Ampel Eine Zeitenwende in der Migrationspolitik?
Deutschland soll sich zum modernen Einwanderungsland mausern. Dazu gehören für die Ampelkoalition einfachere Einbürgerungen aber auch schnellere Abschiebungen. Doch die Vorlagen sind umstritten, wie die erste Lesung im Bundestag zeigt.
Leichtere Einbürgerungen, doppelte Staatsbürgerschaft, schnellere Abschiebungen - die beiden migrationspolitischen Gesetzesvorhaben der Bundesregierung haben für hitzige Debatten im Bundestag gesorgt.
Die Vorlagen zielen in zwei unterschiedliche Stoßrichtungen im Umgang mit zugewanderten Menschen: Wer in Deutschland seinen Lebensunterhalt selbst verdient und integriert ist, soll schneller einen deutschen Pass bekommen. Wer hingegen ohne Rechtsgrundlage hier ist, soll schneller abgeschoben werden. Die Vorlagen wurden in erster Lesung beraten, aber noch nicht beschlossen.
Deutschland für Fachkräfte attraktiver machen
Mit ihrer Reform des Staatsangehörigkeitsrechts will die Bundesregierung Deutschland für Fachkräfte attraktiver machen und die Lebensleistung der sogenannten Gastarbeitergeneration anerkennen. Es gehe darum zu zeigen, dass Deutschland eine liberale Demokratie sei und keine "Blut-und-Boden-Gemeinschaft", sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).
Zuwanderer sollen künftig bereits nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland Staatsbürger werden können. Bisher müssen sie mindestens acht Jahre im Land leben. Bei guten Leistungen in Schule oder Job, guten Sprachkenntnissen oder ehrenamtlichem Engagement soll die Einbürgerung schon nach drei Jahren möglich sein.
Doppelte Staatsbürgerschaft ermöglichen
Wer einen deutschen Pass haben möchte, soll den alten dafür nicht mehr aufgeben müssen. Das gilt jetzt schon für EU-Bürgerinnen und EU-Bürger und einige Sonderfälle, aber beispielsweise nicht für Menschen aus der Türkei. Die geplante Reform ermögliche es mehr Menschen, in Deutschland heimisch zu werden, ohne dass sie dafür ihre Wurzeln abbrechen müssten, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese.
Auf schriftliche Deutsch-Prüfungen und einen Einbürgerungstest soll bei Älteren, die über staatliche Anwerbeabkommen als Arbeitskräfte ins Land gekommen waren, verzichtet werden. Sie müssen nur nachweisen, dass sie sich im Alltag ohne nennenswerte Probleme auf Deutsch verständigen können. Die Anforderung, selbst komplett für den eigenen Lebensunterhalt aufzukommen, soll für diese Menschen nicht gelten.
Vor allem Frauen aus dieser Gruppe bekommen aufgrund von langjähriger Beschäftigung im Niedriglohnsektor oft nur eine geringe Rente. Die Grünenpolitikerin Filiz Polat sagte, in den weiteren Beratungen sollten auch andere Menschen, "die unverschuldet arbeitslos geworden sind", berücksichtigt werden.
CDU: "Staatsbürgerschafts-Entwertungsgesetz"
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm sprach von einem "Staatsangehörigkeits-Entwertungsgesetz". Für ausländische Fachkräfte sei eine schnelle Einbürgerung unwesentlich, so der CDU-Politiker. Wichtiger seien zügige Visaverfahren, ein rascher Familiennachzug sowie Unterstützung bei der Wohnungssuche.
Abgeordnete der Ampelkoalition betonten, der Entwurf sehe Regelungen vor, um eine Einbürgerung von Rassisten und Antisemiten zu verhindern. Gökay Akbulut, Abgeordnete der Linkspartei, sagte: "Solche Gesinnungsprüfungen finde ich wenig hilfreich." Klare Kante gegen Antisemitismus und Rassismus sei wichtig, doch sollte dies für Deutsche und Nicht-Deutsche gleichermaßen gelten. Generell sei es aus Sicht ihrer Partei aber gut, "dass das Staatsbürgerschaftsrecht endlich reformiert werden soll".
Entwurf soll Abschiebungen vereinfachen
Für die geplanten Verfahrensvereinfachungen zur Abschiebung warb Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Die SPD-Politikerin sagte, wer vollziehbar ausreisepflichtig sei, müsse Deutschland auch verlassen. Sie sagte: "Der Rechtsstaat darf sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen."
Der Entwurf für ein "Rückführungsverbesserungsgesetz" sehe teils Maßnahmen vor, die einen "Eingriff in elementare Grundrechte" darstellten, kritisierte Grünenpolitikerin Polat. Ihre Fraktion wolle daher genau prüfen, ob dies gerechtfertigt sei. Der FDP-Innenpolitiker Stephan Thomae sagte dagegen, es sei eine Reform mit Augenmaß. Das Vorhaben soll dafür sorgen, dass Abschiebungen nicht mehr so oft im letzten Moment scheitern, etwa weil die Betroffenen nicht auffindbar sind.
28 statt zehn Tage Ausreisegewahrsam
Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams soll von derzeit zehn auf 28 Tage verlängert werden. Ferner sind erweiterte Befugnisse von Behörden vorgesehen, etwa sollen Behördenvertreter in Gemeinschaftsunterkünften auch andere Räume als das Zimmer des Abzuschiebenden betreten dürfen. Schleuser sollen zudem schneller ausgewiesen werden können.
Es sei zwar zu begrüßen, dass die Ampelkoalition nun erste Anstrengungen unternehme, um Abschiebungshindernisse zu beseitigen, sagte der CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries. Diese seien aber nicht ausreichend. Noch wichtiger wäre es, die Kontrolle darüber, wer einreise, zurückzugewinnen. Der AfD-Abgeordnete Bernd Baumann sagte, ein Ausreisegewahrsam unter einem halben Jahr "bringt gar nichts".
Regierung: 600 zusätzliche Abschiebungen möglich
In den Jahren 2021 und 2022 gab es pro Jahr etwa 12.000 Abschiebungen. Im Gesetzentwurf heißt es, es werde angenommen, dass durch die verschärften Regelungen jährlich etwa 600 Ausreisepflichtige mehr als bisher abgeschoben werden könnten. Ende Oktober hielten sich nach Angaben des Bundesinnenministeriums 250.749 Ausreisepflichtige in Deutschland auf.
Unter ihnen waren 201.084 Menschen, die eine Duldung besaßen, also eine temporäre Aussetzung der Abschiebung. Gründe für eine Duldung können etwa eine Erkrankung sein oder fehlende Ausweisdokumente.