Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr Lehren aus 20 Jahren am Hindukusch
20 Jahre dauerte der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und endete überstürzt. Für die Politik gibt es viel aufzuarbeiten. Zwei Gremien wollen damit diese Woche beginnen - mit unterschiedlichen Zielen.
Was mit der dramatischen Evakuierungsmission im Sommer 2021 in Kabul endete, hatte seinen Anfang 2001: Deutschland beteiligte sich am internationalen Einsatz gegen den islamistischen Terrorismus in Afghanistan. In knapp 20 Jahren wurden dort etwa 160.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten eingesetzt. 59 von ihnen kamen ums Leben. Doch seit dem Rückzug der Amerikaner, der internationalen Truppen und der Rückkehr der Taliban im vergangenen Jahr stand das Engagement infrage.
Frauenrechte massiv eingeschränkt
Tausende Menschen sind seitdem aus Afghanistan geflohen. Einige haben dabei ihr Leben verloren, andere mussten wieder zurückkehren oder hatten gar keine Chance, aus dem Land herauszukommen. Vor allem für die Frauen hat sich viel verändert, ihre Rechte sind immer mehr eingeschränkt worden. "Schleichend zum Tode verurteilt" - so hat Amnesty International eine Studie zu den Rechten der Frauen in Afghanistan genannt.
Frauen und Mädchen würde in fast allen Lebensbereichen diskriminiert, und ihr Protest dagegen werde gewaltsam unterdrückt, schreibt die Menschenrechtsorganisation. Schulen und Universitäten können sie nicht besuchen. Die Zahl der Kinderehen, Früh- und Zwangsverheiratungen ist stark angestiegen. Es gibt offenkundig einiges aufzuarbeiten.
"Vieles ist nicht gelungen"
Gleich zwei Gremien wollen damit diese Woche beginnen. Heute trifft sich das eine davon zum ersten Mal: die Enquetekommission "Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands". Ihr gehören zwölf Bundestagsabgeordnete der unterschiedlichen Fraktionen an. Hinzu kommen zwölf von den Fraktionen benannte Sachverständige - mit dabei sind unter anderen General a. D. Egon Ramms oder die Politikwissenschaftler Ursula Schröder und Carlo Masala.
Den Vorsitz übernimmt der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Müller. "Es ist vieles nicht gelungen", resümierte er gleich nach der ersten Sitzung der Kommission. Dauerhafte Sicherheit und Stabilität habe das Bundeswehr-Engagement nicht gebracht. In vielen Bereichen sei die Situation heute wieder wie vor 20 Jahren. "Waren die Aufträge für den Einsatz klar genug? Waren Bundeswehr und zivile Kräfte ausreichend unterstützt und ausgestattet?" Auf diese Fragen will Müller mit der Kommission Antworten finden. Es geht also ums große Ganze, vor allem um daraus Lehren für künftige Einsätze zu ziehen - wie es ihr Name selbst sagt.
Ortskräfte wurden zurückgelassen
Das unterscheidet die Enquetekommission wohl am meisten von dem anderen Gremium, das am Donnerstag seine Arbeit beginnen wird: dem Untersuchungsausschuss zum überstürzten Afghanistan-Abzug der Bundeswehr und ihrer Verbündeten. Darin finden sich ausschließlich Bundestagsabgeordnete. Die Anzahl bemisst sich an der Größe der Fraktionen.
Sie blicken weniger voraus, sondern hauptsächlich zurück. Es geht unter anderem darum, herauszufinden, warum die Geschwindigkeit der Rückeroberung durch die Taliban so unterschätzt worden ist. Gab es genügend Notfallpläne?
Geklärt werden soll auch die Frage, wie es dazu kam, dass zahlreiche afghanische Ortskräfte, die für die Bundeswehr und andere deutsche Institutionen gearbeitet hatten, zurückgelassen wurden. Von den 20 Jahren Afghanistan-Einsatz wie bei der Enquetekommission sind hier nur die letzten eineinhalb Jahre im Fokus.
Weitreichende Befugnisse für U-Ausschuss
Und es gibt weitere Unterschiede: Während die Enquetekommission ehemals Verantwortliche lediglich zu Befragungen einladen kann, hat der Untersuchungsausschuss weitreichendere Befugnisse. Die Mitglieder haben das Recht zu erzwingen, dass Zeugen und Sachverständige vor dem Ausschuss erscheinen und aussagen. Außerdem dürfen sie Akten und Schriftstücke anfordern, sogar Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.
Im Untersuchungsauftrag ist für den Ausschuss kein konkretes Enddatum genannt. Meist nutzen die Parlamentarier die gesamte Legislatur, je nach Anzahl der einzusehenden Akten oder zu vernehmenden Zeugen.
Die heute eingesetzte Enquetekommission dagegen soll dem Bundestag eigentlich spätestens nach der Sommerpause 2024 einen Abschlussbericht vorlegen. Auch wenn einige Mitglieder eher hoffen, dass sie es überhaupt schaffen, noch in dieser Legislatur einen Bericht fertigzustellen.