Städte und Gemeinden zur Zuwanderung "Es muss sich endlich etwas tun"
Viele Kommunen unterstützen Söders Vorstoß, eine Obergrenze für Geflüchtete einzuführen. Die Integration der Ankommenden sei derzeit kaum noch zu leisten, beklagen sie. Innenministerin Faeser lehnt den Vorstoß jedoch ab.
Landkreise, Städte und Gemeinden sehen sich vom Bund mit der zunehmenden Zahl an Geflüchteten allein gelassen. Sie beklagen einen Mangel an Geld, an Unterkünften sowie an Plätzen für junge Geflüchtete in Schulen und Kitas. Die Integration der Ankommenden sei nicht mehr zu leisten.
Für die Unterbringung der Menschen sind die Länder zuständig, ebenso wie für die Umsetzung von Abschiebungen. Den gesetzlichen Rahmen für Abschiebungen gibt jedoch der Bund vor.
Der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Uwe Brandl (CSU), hat nun den Vorstoß von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (ebenfalls CSU) für eine restriktivere Migrationspolitik unterstützt. "Es muss sich endlich etwas tun. Nicht mehr in Worten, sondern in Taten. Ein Weiter-So wird den Kitt in unserer demokratischen Gesellschaft zerstören", sagte er dem "Tagesspiegel".
Reinhard Sager (CDU), Präsident des Deutschen Landkreistages, befürwortet ebenfalls Söders Vorstoß. Derzeit sei "an ordentliche Integration der Geflüchteten kaum noch zu denken", sagte er der "Bild": "Unseren Anspruch, Geflüchtete angemessen aufnehmen und vor allem gut integrieren zu können, können wir nicht mehr erfüllen. So geht leider das Vertrauen der Bürger in den Staat nach und nach verloren."
Söder will "Integrationsgrenze"
Söder hatte im Interview mit "Bild am Sonntag" eine deutliche Begrenzung der Zuwanderung gefordert. Er brachte unter dem Namen "Integrationsgrenze" auch die Idee ins Spiel, die Zahl der aufgenommenen Asylbewerber deutschlandweit auf 200.000 pro Jahr zu begrenzen. "Wir kommen doch jetzt schon mit der Unterbringung und dem Bau von Schulen, Kitas und Wohnungen nicht mehr hinterher. Deshalb braucht es in Anlehnung an die Obergrenze eine neue feste Richtgröße: die Integrationsgrenze."
Unterstützung erhielt Söder auch von CDU-Parteichef Friedrich Merz. Der Vorschlag, eine Grenze einzuziehen, sei richtig. "Wir können das nicht so weiter machen, wie es gegenwärtig läuft.", sagte er den Sendern Pro7 und Sat1. Wenn es so weitergehe, "fliegt uns hier in diesem Land einiges um die Ohren".
Skepsis äußerte hingegen der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke. Er verwies auf den monatelangen Streit zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU vor einigen Jahren. "Die Forderung nach einer Obergrenze hat CDU und CSU schon einmal an den Abgrund geführt", warnte er in der "Augsburger Allgemeine".
Anfang 2016 hatte der damalige CSU-Chef Horst Seehofer bereits eine Obergrenze gefordert - ebenfalls mit dem Limit von 200.000 Geflüchteten, denen pro Jahr die Einreise nach Deutschland gewährt werden sollte.
Politisches Problem nicht mit mathematischer Formel zu lösen
Doch bei den Ampel-Parteien stößt die geforderte "Integrationsgrenze" auf scharfe Kritik. Söders Vorschlag würde schon "rein rechnerisch" nicht funktionieren, warnte etwa Sebastian Hartmann, der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, im Gespräch mit der Zeitung "Welt":
Was sollten wir denn mit dem 200.001. Menschen machen? Ihm die Prüfung auf das im Grundgesetz verbriefte Recht auf Asyl verweigern?
Ganz ähnlich äußerte sich der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Stephan Thomae. Ein politisches Problem könne nicht mithilfe einer mathematischen Formel gelöst werden: "Asylbewerber würden in der ersten Jahreshälfte aufgenommen, egal ob sie wirklich schutzbedürftig sind oder nicht, und in der zweiten Jahreshälfte würden Schutzsuchende abgewiesen, egal ob sie schutzbedürftig sind oder nicht." Ein solches Vorgehen würde das Asylsystem "in die Absurdität" führen, immerhin basiere es auf der individuellen Schutzbedürftigkeit eines Einzelnen. Thomae brachte stattdessen weitere Migrationsabkommen ins Spiel, durch die bereits in Drittstaaten geprüft werden sollte, ob Geflüchtete einen Anspruch auf Asyl hätten.
Faeser: Härteres Vorgehen gegen Schleuser
Bundesinnenministerin Nancy Faeser wies die Idee einer festen Obergrenze umgehend zurück: "Ich glaube, dass (sich) Herr Söder und Herr Merz etwas vormachen, dass Deutschland allein etwas steuern könnte mit Obergrenzen", erklärte die SPD-Politikerin im Bericht aus Berlin. Söder und Merz würden die wichtigste Frage übersehen: "Wie kann man Migration dauerhaft steuern? Das geht nur europäisch."
Dennoch räumte die Ministerin ein, dass auf die aktuellen Entwicklungen reagiert werden muss und kündigte ein härteres Vorgehen gegen Schleuser an. Dazu will sie eine Taskforce einrichten. Tschechien habe hier bereits seine Mitarbeit angekündigt, Polen und Österreich allerdings noch nicht.
Schleierfahndung verstärken
Feste Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze lehnte Faeser ab. Verstärkt würden aber verdachts- und anlassunabhängige Personenkontrollen, also die sogenannte Schleierfahndung. Bund und Länder hatten im Mai die Einführung stationärer Kontrollen wie zwischen Bayern und Österreich abhängig von der Lage auch an anderen Grenzen Deutschlands zu Nachbarländern vereinbart.
Zu Forderungen, mehr Staaten zu sogenannten sicheren Herkunftsländern zu erklären, um Abschiebungen dorthin zu erleichtern, erklärte die Bundesinnenministerin, die entsprechende Einstufung von Moldau und Georgien werde bereits helfen, das Ausmaß irregulärer Migration zu reduzieren.
Unterstützung für von der Leyen
Die Pläne von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Überwachung der EU-Außengrenze im Mittelmeer zu Luft und zu See zu verstärken, unterstützte die Innenministerin. "Wir werden es nicht anders machen können", sagte sie. Ansonsten bekomme man die Migrationslage nicht in den Griff. Faeser kündigte weitere Beratungen mit ihren Amtskollegen aus Spanien, Italien und Frankreich über die Lage im Mittelmeer an.
Angesichts der schwierigen Lage auf der Insel Lampedusa wolle man einen gemeinsamen Aktionsplan auf den Weg bringen, um Italien zu unterstützen. Auf der kleinen Mittelmeerinsel waren in den vergangenen Tagen Tausende Bootsmigranten angekommen. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte bei einem Besuch von der Leyens auf Lampedusa ein gemeinsames Vorgehen der 27 EU-Staaten gefordert sowie Migrationsabkommen mit den nordafrikanischen Staaten.
Mit Informationen von Dietrich Karl Mäurer, ARD-Hauptstadtstudio