Marschflugkörper für die Ukraine Scholz will "Taurus"-Reichweite wohl begrenzen
Dass "Taurus"-Marschflugkörper an die Ukraine geliefert werden könnten, sorgt überwiegend für Zuspruch. Kritik gibt es jedoch an einer möglichen Begrenzung der Reichweite - von der Opposition und Regierungsparteien.
Eine mögliche Reichweiteneinschränkung von "Taurus"-Marschflugkörpern, die an die Ukraine geliefert werden könnten, sorgt für Kritik in der deutschen Politik. Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sprach sich etwa gegen eine solche Beschränkung aus. "Die technische Veränderung der 'Taurus' würde nur zur weiteren Verzögerung führen und ist nicht sinnvoll", sagte er. Vielmehr sei diese "Scheindiskussion" ein Hinweis darauf, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kein Vertrauen in die Ukraine habe.
Eine Umprogrammierung der Marschflugkörper dürfte nach Einschätzung Kiesewetters dafür "in wenigen Wochen möglich sein". Dies widerspreche aber der Wirksamkeit des "Taurus". "Sinn und Zweck des Marschflugkörpers ist gerade die Hochpräzision und Reichweite von 500 Kilometern", sagte er. Eine Beschränkung auf ausschließlich ukrainisches Gebiet könne sinnvoller durch eine Absprache mit der ukrainischen Regierung erfolgen.
Der CDU-Politiker wies darauf hin, dass die Ukraine sich bislang "an alle Vorgaben gehalten hat". Auch die britischen Marschflugkörper "Storm Shadow" verwende das Land nicht auf russischem Territorium. "Vielmehr befürchte ich, dass man im Kanzleramt verhindern will, dass 'Taurus' zu dem eingesetzt wird, was militärstrategisch am sinnvollsten ist: die Krim zu befreien", sagte er weiter.
Scholz will offenbar Begrenzung
Zuvor wurde bekannt, dass Gespräche zwischen der Bundesregierung und dem "Taurus"-Hersteller laufen, wie der "Spiegel" berichtete. Demnach bat Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Firma, eine Limitierung für die Ziel-Programmierung in die Marschflugkörper zu integrieren. Bundeskanzler Scholz wolle durch technische Modifikationen ausschließen, dass die Ukraine mit den weitreichenden Waffensystemen Angriffe auf russischem Territorium ausführen kann.
Laut "Spiegel" will der Kanzler die "Taurus"-Lieferung erst genehmigen, wenn er von der technischen Modifikation überzeugt ist. Die Bundesregierung teilte dazu heute mit, es gebe keinen neuen Sachstand zu dem Thema. Auch das Verteidigungsministerium erklärte, es sei keine politische Entscheidung zur Abgabe getroffen worden. Das Nachrichtenportal "t-online" berichtete unter Berufung auf SPD-Kreise jedoch, die Regierung wolle "in Kürze" die Lieferung der Marschflugkörper verkünden.
Mit ihrer Reichweite von mehr als 500 Kilometern könnten die "Taurus"-Marschflugkörper auch russisches Staatsgebiet erreichen. Die Ukraine sicherte allerdings bereits zu, westliche Waffen nicht für Angriffe auf russisches Gebiet einzusetzen.
Strack-Zimmermann warnt vor Verzögerungen
Auch die Verteidigungspolitikerinnen von FDP und Grünen kritisierten die Idee, die Reichweite der "Taurus"-Marschflugkörper als Bedingung für deren Lieferung einzuschränken. "Die Ukraine braucht die deutschen 'Taurus'-Marschflugkörper, um auf russischem Gebiet rein militärische Stellungen angreifen zu können, von denen ständig Angriffe auf die Ukraine ausgehen", sagte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann der "Rheinischen Post".
Die Grünen-Politikerin Sara Nanni plädierte für eine uneingeschränkte Lieferung. "Die Ukraine sollte das konventionelle Material bekommen, das wir selber auch nutzen würden, müssten wir uns oder die NATO verteidigen", sagte Nanni gegenüber "t-online". Die Bundestagsabgeordnete fügte hinzu: "Ohne Einschränkungen."
Strack-Zimmermann warnte in dem Zusammenhang vor Verzögerungen. "Sollte für die Bundesregierung eine geminderte Reichweite die Bedingung für eine Lieferung sein, würde das eine monatelange Verzögerung für die neue Einstellung der Waffen bedeuten", sagte die FDP-Politikerin. "Es wäre aber immer noch besser, als gar nichts zu schicken."
"Ein schlechter Witz"
Linken-Parteivize Lorenz Gösta Beutin äußerte hingegen deutliche Ablehnung zu einer möglichen Lieferung. "Marschflugkörper mit Gebietseinschränkungen auszuliefern, ist doch ein schlechter Witz", sagte er. "Jeder Jugendliche kann handelsübliches Geoblocking für digitale Dienste umgehen." Ein moderner Staat mit Zugriff auf IT-Firmen und Flugzeugbauer "wird doch in der Lage sein, eine solche Sperre auch bei Militärtechnik zu umgehen".
Der Linkenpolitiker warnte, so würden die Regeln der Rüstungsexporte "ad absurdum geführt". Beutin ergänzte: "Was kommt als Nächstes: Panzer, deren Ketten blockieren, sobald sie über die Grenze fahren? Sturmgewehre mit Warnaufdrucken 'Schießen tötet'?"