Regierung will Entlastung Beim Bürokratieabbau bleibt ein langer Wunschzettel
Über kaum ein Problem klagt die Wirtschaft mehr als über zu viel Bürokratie. Die Bundesregierung will mit einem Entlastungsgesetz gegensteuern. Doch viele Unternehmer sehen weiterhin hohe Hürden bei Investitionen.
In der Werkshalle der Müller-Zeiner Industrieverpackungen GmbH in Berlin-Neukölln riecht es nach frischem Holz. In einem Teil der Halle wird Holz auseinandergesägt, in anderen Teilen entstehen Paletten und Kisten. Das Familienunternehmen mit seinen rund 150 Beschäftigten ist noch an vier weiteren Standorten in Berlin, Brandenburg und Bayern aktiv.
Das Holz zu bekommen, war zuletzt aber gar nicht so einfach, sagt Geschäftsführerin Gabriele Köstner - und verweist auf bürokratische Hürden. Eine europäische Verordnung fordert, dass Unternehmen sicherstellen müssen, dass Holz aus Ländern außerhalb der EU aus legalem Einschlag stammt. "Eine solche Risikoanalyse ist für ein Unternehmen unserer Größe aber in den meisten Fällen zu kompliziert."
"Immer noch eine Schippe drauf"
Als Holz aus der EU 2021 knapp wurde, ging das Unternehmen mit hohem Personalaufwand eine Analyse für Holz aus der Ukraine ein. Doch kaum hatte man mit dem Import von Holz aus der Ukraine begonnen, kam der russische Überfall. Und das Holz des angegriffenen Landes galt nun plötzlich als "Konfliktholz".
"Es dauerte bis zum September 2023, bis wir wieder Holz aus der Ukraine kaufen durften", sagt Gabriele Köstner kopfschüttelnd. Sie ärgert sich vor allem darüber, dass andere EU-Staaten den Import bereits im Lauf des Jahres 2022 wieder erlaubten.
Deutschland, so Köstners Erfahrung, sei in der Anwendung europäischer Vorschriften ganz besonders streng. "Da wird immer noch eine Schippe draufgelegt." Man könnte einen Großteil der Bürokratie in Deutschland minimieren, wenn EU-Gesetze zumindest nur eins zu eins umgesetzt würden.
Scholz versprach Besserung
Ein Problem, das auch die Bundesregierung erkannt hat. Bei der Vorstellung des "Paktes für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung" im November versprach Bundeskanzler Olaf Scholz künftig eine "Eins-zu-Eins-Umsetzung" von EU-Vorgaben.
Auch mit dem 4. Bürokratieentlastungsgesetz greift die Ampel-Koalition unter Federführung von Justizminister Marco Buschmann Forderungen aus der Wirtschaft auf: Beispielsweise werden Aufbewahrungsfristen für Belege verkürzt. Hotels müssen von Gästen mit deutscher Staatsbürgerschaft keine Meldescheine mehr verlangen.
Engagement für Klimaschutz wird erschwert
Sowohl den großen Wirtschaftsverbänden als auch vielen Unternehmern gehen die Veränderungen aber nicht weit genug. Besonders problematisch findet Köstner zum Beispiel, wenn das Engagement von Unternehmen für den Umwelt- und Klimaschutz bürokratisch erschwert wird.
Das musste sie zuletzt beim Versuch, nach Erdwärme zu bohren, erfahren. Ab einer bestimmten Tiefe muss nämlich geprüft werden, ob eine Gegend für ein nukleares Endlager geeignet ist. "Da ging es um eine Baustelle vor Berlin. Da ist so ein nukleares Endlager doch nicht so sehr wahrscheinlich."
Aufgrund der Vorschriften würden tiefere Bohrungen häufig gar nicht in Betracht gezogen, obwohl sie ökologisch von Vorteil seien, so Köstner. Besonders kurios: Durch das neue Bürokratieentlastungsgesetz soll zwar gelten, dass bei Bohrungen ab 400 Meter das Amt für Bergbau nicht mehr gefragt werden muss, doch Bohrungen ab 156 Meter erfordern weiterhin die Genehmigung des Bundesamts für nukleare Sicherheit.
Förderprogramme scheitern am Aufwand
Projekte, die wegen bürokratischer Auflagen gescheitert sind, kennt auch Daniel Swinka zur Genüge. Er ist technischer Leiter beim Unternehmen RuLa BRW, das im brandenburgischen Königs Wusterhausen Lkw-Reifen erneuert. Gerade bei Förderanträgen hat er viele negative Erfahrungen gemacht.
Diese hätten häufig lange Genehmigungszeiten. "Bis sie dann doch abgelehnt werden", sagt Swinka. Dabei würden von der Politik immer wieder neue Förderprogramme aufgelegt. Doch gerade kleinere Unternehmen könnten die Bedingungen oft nicht erfüllen.
Zum Beispiel, weil bei der Förderung von Photovoltaik mindestens drei Angebote eingeholt werden müssen, die man aber für große Anlagen gar nicht so leicht bekommt. Oder weil die Anträge voll mit Kleingedrucktem sind. "Wenn man hier was ändert, spart das nicht nur Ressourcen in den Unternehmen, sondern auch bei den bearbeitenden Stellen." Damit würde die Verwaltung auch von den "horrenden" Bearbeitungsdauern runterkommen, meint Swinka.
Habeck setzt auf Praxis-Checks
Weniger wäre mehr - auch bei Statistiken. So könnten die Zeiträume zur Abgabe von Daten verlängert werden, nicht alle Daten müssten dann monatlich erfasst werden, in vielen Fällen könnten auch Quartals- oder Jahresberichte reichen, so die Einschätzung von Swinka.
Von der Politik wünscht er sich vor allem, dass sie mehr auf die Praktiker hört. "Denn wir müssen ja am Ende mit den Regeln arbeiten". Positiv werten viele Unternehmer daher die sogenannten Praxis-Checks, mit denen das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck in Erfahrung bringen will, wo Bürokratie ganz konkret Investitionen verhindert.
Auch Gabriele Köstner hat schon oft konkrete Vorschläge zur Bürokratieentlastung gemacht. Sie engagiert sich unter anderem in der Industrie- und Handelskammer in Berlin. Ihr Hauptwunsch an die Politik aber ist, der Wirtschaft wieder mehr Vertrauen entgegenzubringen. Die ganzen Bürokratie- und Dokumentationspflichten drückten letztlich ein Misstrauen des Staates gegenüber seinen Bürgern und den Unternehmern aus. "Da wünsche ich mir einfach mehr Vertrauen."