Lindner auf FDP-Parteitag "Für ein nicht-linkes Deutschland"
Auf ihrem Parteitag in Berlin will die FDP ihr liberales Profil schärfen - und sich auch von ihren Koalitionspartnern abgrenzen. Parteichef Lindner warb um Verständnis für oft langwierige Entscheidungsfindungen der Ampel.
FDP-Chef Christian Lindner hat beim Bundesparteitag der Liberalen um Verständnis für die oft mühsame Entscheidungsfindung in der Ampel-Koalition geworben. "Es ist ja so in dieser Koalition, dass wir um viele Fragen ringen müssen", sagte Lindner in seiner Rede in Berlin. Der jüngste, rund 30 Stunden dauernde Koalitionsausschuss habe dies "irgendwie offensichtlich" werden lassen. Die Koalition müsse sich aber an ihren Ergebnissen messen lassen - und hier habe die FDP viel vorzuweisen.
"Jawohl, bei uns dauert es manchmal auch lang", sagte der FDP-Chef. "Aber nach 30 Stunden stehen da schnellere Autobahnprojekte, ein Klimaschutzgesetz mit Marktwirtschaft, Investitionen in die Bahninfrastruktur und anderes", fuhr er fort. "Ich kann nur sagen: Bei uns lohnt das Warten wenigstens."
Lindner kündigte an, die politischen Vorstellungen seiner Partei kämpferisch voranzutreiben zu wollen. Es sei "nicht schlimm, wenn die FDP angegriffen wird für das, wofür sie steht", sagte er in der anderthalbstündigen Parteitagsrede. Schlimm sei nur, "wenn die FDP angegriffen wird, weil sie für nichts steht."
"FDP als Garantin haushaltspolitischer Vernunft"
In der Koalition sehe sich die FDP als Garantin von Marktwirtschaft und haushaltspolitischer Vernunft, sagte Lindner, der auch Finanzminister ist. "Wir kämpfen für den Wert der Freiheit, für wirtschaftliche Vernunft, faire Lebenschancen und ein modernes, nicht-linkes Deutschland", sagte der Parteichef. "Der Auftrag ist eben noch nicht erfüllt. Wir stehen gemeinsam erst am Anfang."
Lindner positionierte sich klar gegen weitere Staatsschulden und für die Einhaltung der Schuldenbremse. Sie sei nicht "irgendein Fetisch", sondern ein "Gebot der ökonomischen Klugheit". So müsse er in diesem Jahr als Finanzminister verantworten, 40 Milliarden Euro für die Bedienung alter Schulden aufzuwenden - Geld, das für Investitionen "in Digitalisierung und Bildung" fehle.
Die Verantwortung dafür sieht Lindner bei der Union: Innerhalb der Großen Koalition habe sie immer mehr neue Sozialleistungen eingeführt, die nicht nachhaltig finanziert seien. "Jetzt kommt der Boomerang der unsoliden Finanzpolitik der CDU zurück", so Lindner. "Wir haben in Deutschland ein Ungleichgewicht zwischen Vergangenheit und Zukunft."
Wirtschaftliche Alternativen zu China
Mit Blick auf die deutsche Wirtschaft sagte Lindner, es brauche Alternativen zu China. Man müsse stärker auf andere Märkte setzen, so der Bundesfinanzminister. "Das wird nicht über Nacht zu verändern sein." China sei mittlerweile ein systemischer Rivale mit globalem Anspruch. Trotzdem bleibe die Volksrepublik ein wichtiger Partner. Für Geschäfte mit dem kommunistischen Land dürfe man aber nicht seine liberalen Werte wegwerfen.
Frühere "Samtpfötigkeit" in Deutschland gegenüber China, sei "ein Fehler" gewesen, sagte Lindner weiter. Freiheit als Richtschnur sei der Anspruch der FDP auch international. "Es darf niemals der Eindruck entstehen, dass wir uns für gute Geschäfte unseren liberalen Werte abkaufen lassen", so der FDP-Chef. China habe aber eine kaum zu unterschätzende Bedeutung für die deutsche Wirtschaft.
"Straßenblockaden sind physische Gewalt"
Stellung bezog Lindner auch zu den Aktionen der Klimaaktivisten der "Letzten Generation" und übte scharfe Kritik an Straßenblockaden. Mit Sorge sehe er auch eine gewisse Sympathie in der öffentlichen Diskussion für sogenannte Klimakleber. Manche sagten, die Motive der Blockierer seien edel. Wer aber eine andere Politik wolle, der könne in die Politik gehen und Mehrheiten für seine Positionen erwerben.
Das Blockieren von Straßen und Autobahnen sei nichts anders "als physische Gewalt", sagte Lindner. "Tempolimit und 9-Euro-Ticket, das sind ganz kleine Ideen - und dafür der große Ärger", sagte Lindner weiter. "Umgekehrt wäre besser."
"Russland vollständig isolieren"
Lindner äußerte sich in seiner Rede auch zum russischen Krieg gegen die Ukraine. Er sicherte dem Land weitere Solidarität und Unterstützung zu. "Wir leisten unseren Beitrag dazu, dass die Durchhaltefähigkeit der Ukraine in diesem Krieg dauerhaft größer bleibt als die Bösartigkeit, die von Putin ausgeht", sagte Lindner. "Wer in dieser Phase der Geschichte nicht an der Seite der Ukraine steht, der steht auf der falschen Seite der Geschichte."
Lindner forderte, den Angreifer Russland politisch, rechtlich und wirtschaftlich vollständig zu isolieren - "weil es kein business as usual mit denen geben kann, die das Völkerrecht brechen". Die Ukraine kämpfe für all das, was auch Deutschland heilig sei, betonte Lindner.
Neuwahl der Parteiführung
Im Mittelpunkt des ersten Tages des Delegiertentreffens stehen personelle Weichenstellungen: Der seit zehn Jahren amtierende Parteichef Lindner will sich am späten Nachmittag der Wiederwahl stellen.
Auch die Mitglieder des Parteivorstands und des Präsidiums werden neu gewählt. Inhaltlich wollen die Liberalen anderthalb Jahre nach Eintritt in die Ampel-Koalition ihr Profil schärfen und sich von den Regierungspartnern SPD und Grüne abgrenzen. Die inhaltlichen Debatten über die Anträge sollen am Samstag und Sonntag im Mittelpunkt stehen.
Das Delegiertentreffen gilt als wichtiger Stimmungstest bei den Liberalen. Seit ihrem Eintritt in die Koalition haben sie mit schwachen Umfragewerten und schlechten Ergebnissen bei Landtagswahlen zu kämpfen, an der FDP-Basis gibt es anhaltende Vorbehalte gegen die Koalition.