Umfragetief vor den Wahlen Die FDP im Überlebenskampf
Vorwahlumfragen zeigen: Die FDP könnte im Osten in der Bedeutungslosigkeit versinken. Eine Strategie dagegen scheint die Parteispitze derzeit nicht zu haben. Ein Stimmungsumschwung ist aber möglich.
Die drei bevorstehenden Landtagswahlen im Osten drohen für die FDP zum Desaster zu werden. In Sachsen und Thüringen kommen sie derzeit in Befragungen auf so wenig Zustimmung, dass sie von Umfrageinstituten schon gar nicht mehr in Prozentzahlen dargestellt werden.
In Brandenburg lagen die Freien Demokraten in Umfragen zuletzt bei drei Prozent. Die Partei kämpft im Osten um das politische Überleben. Drei weitgehend unbekannte Spitzenkandidaten touren durch die Länder. Die Wahlkampfveranstaltungen sind oft schlecht besucht.
Auf Konfrontationskurs
Umso wichtiger ist es für die Partei, wenigstens medial Aufmerksamkeit zu erregen - zum Beispiel mit der Forderung, das Bürgergeld zu kürzen oder mehr Platz für Autos in Innenstädten zu schaffen. Es entsteht der Eindruck, dass es den Liberalen bei diesen Themen weniger um die Sache als vielmehr um die Schlagzeilen geht.
Denn beide Forderungen haben keinerlei Aussicht auf Erfolg - weil die Koalitionspartner SPD und Grüne einer Bürgergeld-Kürzung nicht zustimmen werden und nicht der Bund, sondern die Kommunen über die Verkehrspolitik in den Städten und Gemeinden entscheiden.
Im Widerspruch zum Ampel-Programm
Diese und andere FDP-Vorschläge stehen im Widerspruch zum Ampel-Programm auf Bundesebene, sagt Politikwissenschaftlerin Ursula Münch im BR-Interview. Die Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing erklärt: "Damit führt die FDP ständig den Leuten vor Augen: Da ist jemand an einer Bundesregierung beteiligt, an der er als Partei gar nicht beteiligt sein will."
Das sei ein kontraproduktives Verhalten. So werde die Zerstrittenheit der Regierungskoalition immer wieder zur Schau gestellt. Das ärgere viele Wählerinnen und Wähler und lasse Politik als "unseriös und nicht wirkungsvoll erscheinen". Letztendlich schadeten sich die Freien Demokraten damit selbst und ihren Ampelpartnern, die in Umfragen ebenfalls schlecht dastehen.
Kulturkampf ums Auto
Vor allem der Versuch, den Kulturkampf ums Auto wiederzubeleben, wirkt durchsichtig. Für Marc Debus, Politologe an der Universität Mannheim, geht es der FDP dabei um Profilschärfung: "In der Hoffnung, dass man dadurch Wählerinnen und Wähler überzeugt, die mit der Politik der Ampelkoalition unzufrieden sind", erläutert er im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio.
Die liberalen Auto-Pläne wirken auch deshalb durchsichtig, weil sie nicht schlüssig sind. Einerseits feiert FDP-Verkehrsminister Volker Wissing das 49-Euro-Ticket und arbeitet an Konzepten, um Menschen vom Land beim Autofahren in die Stadt spätestens am Stadtrand zum Umsteigen auf Bus und Bahn zu bewegen. Andererseits fordert seine Partei jetzt mehr Parkplätze und günstigere Parkgebühren in den Stadtzentren.
Wobei das Thema "Auto und Verbrenner" durchaus Wählerpotenzial hat. Sich dafür starkzumachen, hilft zum Teil der Union und besonders der AfD. Beide haben es aber in der Opposition deutlich einfacher, weil sie keine Zugeständnisse an Koalitionspartner machen müssen.
Keine positive Erzählung über sich selbst
Die FDP schafft es nicht, die Aufmerksamkeit, die sie als Regierungspartei im Bund haben, positiv zu besetzen. Stattdessen reißen Streitereien in der Ampel, das Image der FDP als Ampel-Querulant und das widersprüchliche Verhalten der Partei die Liberalen immer weiter nach unten, bilanziert Politikforscherin Münch.
Als Gegenstrategie versucht sich die Partei schon eine Weile als Korrektiv und "Oppositionskraft" in der Ampel zu inszenieren. Ein Konzept, das bisher nicht aufgegangen ist. Im Gegenteil.
Seitdem die Liberalen in der Bundesregierung sitzen, machen sie bei Wahlen kaum einen Stich. Seit Herbst 2021 kam die FDP in vier Ländern nicht mehr ins Parlament. Nur noch in 9 von 16 Landesparlamenten ist sie vertreten.
Wandel der Parteilandschaft hat Folgen
Einer der Gründe: Die Wechselwähler, darunter viele junge Menschen, von denen in der Vergangenheit einige ihr Kreuzchen bei den Liberalen gemacht haben, werden durch den Zick-Zack-Kurs der Partei abgeschreckt, meint Münch. "Die sagen, das ist unstimmig, das ist unlogisch, das ist Anbiederei." Bei manchen kommt auch das alte Bild der FDP als Klientelpartei wieder auf - die Partei, die sich nur für Besserverdiener einsetzt.
Zur Begründung gehört laut Münch aber auch die veränderte Parteienlandschaft. Insbesondere das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und die AfD wildern in Wählergruppen, die früher auch mal die Liberalen gewählt haben.
An Parteichef Christian Lindner scheint das Tief seiner FDP weitgehend abzuperlen. In Interviews gibt er sich trotz schlechter Umfragewerte zuversichtlich. "Wir kämpfen in drei ostdeutschen Ländern, um weiter eine Stimme der Freiheit im Parlament zu sein", sagt Lindner im ZDF. Hört man dem Parteivorsitzenden und Finanzminister genauer zu, scheinen ihm weniger die Wahlen in den Ländern als vielmehr die Bundestagswahl im kommenden Jahr wichtig zu sein.
Parteichef Lindner auf falschem Kurs?
Diese Fokussierung auf die Bundes-FDP könnte bald zum Problem werden. Eine Bundespartei basiert auf der Arbeit der Landesverbände. Dünnen die Landesverbände immer mehr aus, weil die Partei auf Landesebene nicht mehr erfolgreich ist und keine Landtagsfraktionen mehr stellt, kann sie auch keinen guten Bundestagswahlkampf mehr betreiben.
Die Talfahrt der Freien Demokraten muss aber keine Einbahnstraße sein. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es ihnen schon mehrmals gelungen ist, sich aus Stimmungstiefs heraus zu kämpfen. Oft auch erst kurz vor dem Wahltag. Zumal sich viele Ostdeutsche noch nicht entschieden haben, wen sie wählen.
Nur wie? Mehr Ampel-Teamgeist als Ego-Trips? Die FDP müsse akzeptieren, Teil der Koalition zu sein und dass sie in der Pflicht stehe, gemeinsame Regierungspolitik zu betreiben, sagt Politikwissenschaftlerin Münch.
Inzwischen haben alle verstanden, dass die Ampel keine Liebesheirat war - schon gar nicht für die Liberalen. Wer das aber jeden Tag aufs Neue betont, so Politikexperten, macht sich bei den Wählerinnen und Wählern unattraktiv.