FDP vor den Landtagswahlen Mehr Auto, weniger Staat
Autofreundliche Städte, Kürzungen beim Bürgergeld, keine Beteiligung bei Rüstungsunternehmen: Fast täglich überrascht die FDP mit neuen Vorschlägen und geht damit auf Distanz zu den Ampelpartnern. Das Kalkül dahinter ist einfach.
Pressekonferenz im Hans-Dietrich-Genscher-Haus. Normalerweise hat hier vor allem Generalsekretär Bijan Djir-Sarai das Wort, aber an diesem Montag hat er Verstärkung aus Brandenburg mitgebracht: Der relativ unbekannte Spitzenkandidat der Landtagswahl, Zyon Braun, soll die neuen autofreundlichen Gedankenspiele der Liberalen vorstellen: freies Parken oder eine Flatrate, weniger Fußgängerzonen, mehr Autos in Innenstädten. So weit, so ungewöhnlich.
Zyon Braun beschreibt die liberale Politik für das Auto auch als eine "Politik für die Menschen, insbesondere in ländlichen Räumen". Denn klar ist: Das Kalkül der Partei ist sicherlich auch Wahlkampf. In drei ostdeutschen Bundesländern wird bald gewählt. Der unbekannte Braun liefert mit den liberalen Pro-Auto-Forderungen Gesprächsstoff und hofft auf Zustimmung auf dem Land.
Braun stellte die Auto-Pläne der Liberalen vor.
Es sind Forderungen, die im krassen Gegensatz zu den Ampelpartnern stehen, insbesondere zu den Grünen. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andreas Audretsch spricht von "Vorschlägen aus den 60er-Jahren" und erhält Unterstützung von Verkehrsforschern.
Die Pläne der FDP zeichneten ein falsches Bild, sagt Wolfgang Aichinger vom Think Tank Agora Verkehrswende, denn durch kostenlose Parkplätze würden nicht mehr Parkplätze entstehen; bestehende Probleme würden sogar eher verschärft.
Über Parken und Fußgängerzonen entscheiden die Kommunen
Wohin soll die Fahrt also gehen für die FDP? Eine Umsetzung der Autopläne, die eher Aufgabe der Kommunen als der Bundesregierung ist, ist kaum wahrscheinlich. Zudem hat ausgerechnet der FDP-Verkehrsminister Volker Wissing gerade die Kommunen in ihrem Entscheidungsspielraum gestärkt, durch eine Neuregelung der Straßenverkehrsordnung.
Weniger Bürgergeld
Es sind auch nicht die einzigen polarisierenden Vorstöße der Partei in letzter Zeit. Fraktionschef Christian Dürr fordert etwa eine Senkung des soeben erst erhöhten Bürgergelds um 14 bis 20 Euro und vertritt damit ebenfalls andere Positionen als die Ampelpartner. Eine Senkung würde die Steuerzahler um bis zu 850 Millionen Euro entlasten, so die Argumentation der FDP. Bei der Erhöhung des Bürgergelds um zwölf Prozent Anfang des Jahres sei außerdem die zurückgehende Inflation nicht berücksichtigt worden.
Auch dieser Vorschlag dürfte kaum durchsetzbar sein: Der Koalitionspartner SPD schließt eine Senkung aus und setzt stattdessen darauf, die nächste Erhöhung geringer ausfallen zu lassen. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Joachim Rock, warf der FDP eine "Ablenkungsdebatte" im Haushaltsstreit der Ampelregierung vor.
Weitere Überlegungen der FDP: eine Abschaffung des Entwicklungsministeriums sowie keine staatlichen Beteiligungen an Rüstungsunternehmen - gerade dieser Vorschlag bietet Konfliktpotenzial mit den Ampelpartnern. Denn im Wirtschafts- und Verteidigungsministerium liebäugelt man mit einem direkten staatlichen Einstieg in wichtige Unternehmen, um den Rüstungshochlauf zu beschleunigen. Eine dankbare Reibungsfläche für die Liberalen, die grundsätzlich lieber weniger als mehr Staat wollen.
Die Angst vor der Fünf-Prozent-Hürde
Politikwissenschaftler Marc Debus von der Universität Mannheim sieht in den Vorstößen vor allem Profilsschärfungsversuche vor den drei Landtagswahlen im Osten.
Anhänger, die ohnehin nicht glücklich mit der Ampelpolitik sind, müsste man zumindest "bei der Stange halten", sagt Debus. Das Papier zur Verkehrspolitik sei so ein Versuch, eigene Anhänger wieder dafür zu gewinnen, für die Partei zu stimmen.
Die Strategie hält der Politikwissenschaftler jedoch für nicht ganz ungefährlich. Die Gefahr sei groß, dass solche "massiven Unterschiede" in zentralen Politikfeldern wie Verkehrspolitik, Infrastrukturpolitik, Klima- und Energiepolitik dazu führten, dass die Bundesregierung insgesamt destabilisiert wird. Dies sei ohnehin schon der Fall gewesen durch den andauernden Haushaltsstreit. Die FDP versuche das nun "aufzukochen", um vor den Landtagswahlen Wähler zu überzeugen, die mit der Ampelpolitik unzufrieden sind.
Ob es der FDP tatsächlich den ersehnten Erfolg bringen wird? Antworten auf diese Frage werden die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen liefern. In Umfragen liegt die FDP derzeit in keinem der Länder oberhalb der Fünf-Prozent-Hürde.