Christian Lindner
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Anzeige in der FAZ Wahlwerbung für die FDP aus dem Finanzministerium?

Stand: 06.06.2024 15:00 Uhr

Wenige Tage vor der Europawahl hat das Bundesfinanzministerium für 38.000 Euro zwei Anzeigen geschaltet, um für die Schuldenbremse zu werben. Ist das verdeckte Parteienfinanzierung für die FDP? Die Linke will klagen.

Von Moritz Rödle, ARD-Hauptstadtstudio

Am Mittwoch vor einer Woche erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Anzeige des Bundesfinanzministeriums. Das von FDP-Chef Christian Lindner geführte Ministerium wirbt darin für die Schuldenbremse. Wörtlich heißt es: "Schuldenbremse abschaffen? Nich' ok, Boomer." Darunter ist eine junge Frau zu sehen. Der weitere Text ist offenbar auf diese gemünzt. "Weniger Schulden heute, heißt mehr Möglichkeiten morgen. Für mich und meine Generation."

Kurz vor der Europawahl kommt aus dem Bundesfinanzministerium also ein Debattenbeitrag gegen die Reform der Schuldenbremse - finanziert aus Steuergeldern. Finanzminister Lindner nannte das in der Sendung Maischberger am Mittwochabend einen "Beitrag zur politischen Bildung", der darauf aufmerksam mache, "dass die Schuldenbremse unsere Versicherung für Generationengerechtigkeit ist".

Rund 38.000 Euro für zwei Anzeigen

Für die Linke ein bemerkenswerter Vorgang. Parteichef Martin Schirdewan übt scharfe Kritik und sagt dem ARD-Hauptstadtstudio, das Festhalten an der Schuldenbremse werde immer mehr zu einem ideologischen Projekt der FDP und erhalte nun auch noch Schützenhilfe aus dem Finanzministerium durch eine teure Werbekampagne. Dabei fehle jede Ausgewogenheit. "Die meisten namhaften Ökonomen haben sich inzwischen für eine grundlegende Reform ausgesprochen, damit wir endlich die notwendigen Zukunftsinvestitionen tätigen können."

Laut Bundesfinanzministerium haben die beiden Anzeigen, eine zweite ist am 5. Juni erschienen, zusammen rund 38.000 Euro gekostet. Kosten für Design und Konzeption sind dabei noch nicht eingeschlossen. Im Finanzministerium findet man die Anzeigen nicht problematisch. Auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios teilt das Ministerium mit: "Nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt dem grundgesetzlich verankerten Demokratieprinzip auch ein Auftrag der Bundesregierung die Bürgerinnen und Bürger über ihre Tätigkeiten, Vorhaben und Ziele zu informieren."

Am 29. Mai habe sich der Bundestagsbeschluss zur Schuldenbremse zum 15. Mal gejährt. Auf diesen Jahrestag habe das Ministerium aufmerksam machen "und gleichzeitig die finanzpolitische Bedeutung des Instruments im Kontext der Generationengerechtigkeit erklären" wollen.

Eher Meinungs- als Debattenbeitrag

Sind die Anzeigen aus dem Finanzministerium also unproblematisch? Nein, sagt die renommierte Verfassungsrechtlerin Sophie Schönberger. Gerade im Vorfeld der Europawahl könne man hier wohl von unzulässiger Regierungskommunikation sprechen. Die Regierung dürfe natürlich über ihre Vorhaben informieren, auch in Form von bezahlten Anzeigen. Es sei aber wichtig, dass der Fokus auf Information liege. Die Anzeige zur Schuldenbremse sei im Kern aber eher ein Meinungs- oder Debattenbeitrag. "Das ist insbesondere so kurz vor einer Wahl in der Regel unzulässig."

Was wären die Konsequenzen? Die Feststellung, ob eine Regierungskommunikation unzulässig war, trifft das Bundesverfassungsgericht. Dafür muss eine Partei im Rahmen einer sogenannten Organklage das Verfassungsgericht anrufen. Genau das könnte nun passieren. Die Linke hat gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio exklusiv angekündigt, klagen zu wollen.

Parteichef Schirdewan geht sogar noch ein Stück weiter: Er spricht von verdeckter Parteienfinanzierung. Der Missbrauch von Steuergeldern müsse untersucht und mit allen Konsequenzen aufgearbeitet werden. Parallel dazu solle der Bundesrechnungshof das Vorgehen des Finanzministeriums unter die Lupe nehmen.

Illegale Parteienfinanzierung?

Auch Verfassungsrechtlerin Sophie Schönberger hält den Verdacht auf illegale Parteienfinanzierung für möglich. Die Düsseldorfer Wissenschaftlerin sagt dem ARD-Hauptstadtstudio, in der juristischen Bewertung könne man kann durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass die Werbeanzeige aus dem Finanzministerium so nahe an Parteiprogramm und Parteiauftreten der FDP komme, dass man unter Umständen von illegaler Parteienfinanzierung sprechen könne, auch wenn dies sicherlich umstritten sei. Dafür sei jedenfalls aber auch entscheidend, ob FDP-Chef Lindner als Bundesfinanzminister im Vorfeld von der Anzeige wusste.

Das Bundesfinanzministerium sagt zur Frage, ob der Finanzminister Lindner im Vorfeld über die Veröffentlichung der Anzeigen informiert war: "Den Vorschlag, dass das BMF an den Jahrestag 15 Jahre Schuldenbremse im Grundgesetz erinnert, kannte er." Die Umsetzung und abschließende Auswahl der Anzeigen sei durch den Bereich Kommunikation erfolgt.

Für die FDP könnte es teuer werden

Falls auch die zuständige Bundestagsverwaltung zu dem Schluss kommen würde, dass hier ein Fall von illegaler Parteienfinanzierung vorliegt, könnte es für die FDP teuer werden. Normalerweise verhängt die Bundestagsverwaltung in solchen Fällen eine Strafzahlung in dreifacher Höhe der illegalen Spende. In diesem Fall also mehr als 100.000 Euro.

Dafür, dass dem Finanzministerium die FDP-Problematik durchaus bewusst gewesen sein könnte, spricht auch eine Änderung im Design der zweiten Anzeige. Statt dem Gelb, das FDP-Assoziationen wecken könnte, ist die Anzeige nun lila gestaltet.

Kritik kommt heute auch vom FDP-Koalitionspartner SPD. Generalsekretär Kevin Kühnert sagt dem ARD-Hauptstadtstudio, die Kommunikation eines Bundesministeriums müsse gewährleisten, dass seine Zeitungsannoncen nicht mit Wahlwerbung der den Minister stellenden Partei verwechselt werden könne. Um das sicherzustellen, brauche es kaum mehr als politisches Fingerspitzengefühl. "Im vorliegenden Fall hat es daran offenkundig gemangelt. Die mehreren zehntausend Euro Steuergeld hätten mit Blick auf eine sparsame Haushaltspolitik weitaus besser verwendet werden können."