SPD vor den Landtagswahlen Ruhe vor dem möglichen Debakel
Für die SPD könnten die Wahlen in Thüringen und Sachsen zum Debakel werden. Schafft die Partei das Minimalziel, in beiden Landtagen zu bleiben, dürften größere Debatten aber ausbleiben. Der Fokus liegt bereits anderswo.
Als Kanzler Olaf Scholz am vergangenen Dienstagabend nach Delitzsch in Sachsen kommt, kann er sich fast ein bisschen erholen. Etwas mehr als eine Stunde fährt man von hier mit der Bahn nach Berlin.
Die Hauptstadt gar nicht weit weg und doch ist es eine andere Welt. Die sächsische Spitzenkandidatin Petra Köpping hat den Kanzler in ein schmuckes, kleines Theater in der großen Kreisstadt geladen. Der Saal ist voll. Etwa 150 Menschen sind gekommen, um dem Kanzler Fragen zu stellen.
Es geht um Rente, Bildung und um Migration. Die Diskussion ist sachlich. Die Menschen stellen Fragen, Scholz und Köpping erklären. Zwischendrin wird sogar mal gelacht. Die Ukraine und die Frage nach Friedensverhandlungen spielen gar keine Rolle. Es bleibt überraschend ruhig.
Wahldebakel mit Ansage
Vielleicht ist diese Veranstaltung auch ein Sinnbild für den momentanen Zustand der SPD. Auch dort herrscht eine überraschende Ruhe. Am Sonntag kämpft die Partei in zwei Bundesländern ums Überleben. Das hat sicher auch historische und landesspezifische Gründe, aber eben nicht nur. Auch die SPD-Politik auf Bundesebene spielt eine Rolle.
Trotzdem wird es in der Partei mit großer Wahrscheinlichkeit auch nach dem Wahldebakel mit Ansage keine großen Debatten geben. Weder über die Frage, ob Scholz noch der richtige Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2025 ist, noch ob das, was die SPD an Inhalten anbietet, tatsächlich ihre Zielgruppen erreicht.
Nach der verlorenen Europawahl im Juni hatte Parteichef Lars Klingbeil noch gesagt: "Dass Dinge anders werden müssen, ist, glaube ich, glasklar." Passiert ist seitdem nicht viel. Und dabei dürfte es auch nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen bleiben. Schafft die SPD es in beide Landtage, dann dürfte die Binnensicht in der Partei sein, dass man mit einem blauen Auge davongekommen sei.
Alle Augen auf Brandenburg
Das hat auch praktische Gründe. Nach der Wahl ist vor der Wahl. Am 22. September - nur drei Wochen nach Thüringen und Sachsen - geht es für die SPD bei der Wahl in Brandenburg um viel mehr. Hier stellt man mit Dietmar Woidke den Ministerpräsidenten.
Die Partei hat viel mehr zu verlieren als in den anderen beiden Ländern. Debatten um den richtigen Kurs braucht man im Kampf um die Staatskanzlei in Potsdam nicht.
Uneinigkeit bei Migration
Und doch gibt es ein Thema, das den innerparteilichen Frieden gefährden könnte: Die Migrationsfrage spaltet die Partei. Der pragmatische Flügel kann mit den jüngsten Ankündigungen der Bundesregierung zu Abschiebungen und Sozialleistungen gut leben. Der linke Flügel hat Probleme damit.
Zurzeit wird dieser Streit aber nicht öffentlich, weil alle sich dem innerparteilichen Frieden vor den Landtagswahlen weitgehend unterordnen. Außerdem sind die Abgeordneten meistens noch zuhause in ihren Wahlkreisen. Foren, wo Unmut geäußert werden könnte, gibt es nur sehr wenige.
Erst Ende kommender Woche kommt die Bundestagsfraktion zu ihrer traditionellen Klausurtagung zusammen. Dort dürfte das Thema an Fahrt aufnehmen. Die Wahlniederlagen in Sachsen und Thüringen sind aber schon eingepreist.
Ab sofort heißt das große Ziel der Parteiführung: Die Staatskanzlei in Potsdam verteidigen. Nur, wenn das nicht gelingt, könnte es zu größerem Krach in der SPD kommen.