Energiestandards für Neubauten Geywitz gegen strengere Vorgaben bei Dämmung
In der Debatte um den kriselnden Wohnungsbau rückt Bauministerin Geywitz vom Plan ab, die Energiestandards für Neubauten zu verschärfen. Es sei angesichts hoher Baukosten und zurückgehender Anträge nicht die Zeit dafür.
Bundesbauministerin Klara Geywitz stellt sich gegen die eigentlich von der Ampelregierung geplante Erhöhung der Energiestandards für Neubauten. "Aus meiner Sicht ist die Situation jetzt nicht so, dass man bei den Baupreisen und den ganz stark zurückgegangenen Bauanträgen noch weitere Standardverschärfungen machen sollte", sagte die SPD-Politikerin gegenüber RTL/ntv.
Geywitz bezog sich dabei auf eine Verabredung im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP, nach der der Energieeffizienzstandard EH-40 für Neubauten ab Januar 2025 vorgeschrieben werden soll. Damit würden die Vorgaben zur Stärke der Dämmung verschärft.
Gebäudeenergiegesetz und Hilfspaket geplant
Strengere Vorgaben zur Dämmung würden die Baukosten erhöhen, sagte eine Ministeriumssprecherin. Deshalb stelle Geywitz die Frage, ob die Dämmung ein Allheilmittel sei oder eher die Lebenszykluskosten eines Gebäudes betrachtet werden müssten. Mit dem Wirtschaftsressort werde nun der Entwurf für ein Gebäudeenergiegesetz zu diesen Fragen erarbeitet, wozu die Häuser "zeitnah" ins Gespräch gingen.
Geywitz will im September ein Hilfspaket für die kriselnde Baubranche vorstellen. "Wichtig ist, dass wir in so einer Situation einen Impuls setzen", hatte sie am Sonntag gesagt. Die Baubranche brauche einen Nachfrageimpuls, weil Kreditfinanzierungen deutlich teurer geworden seien. Im Rahmen des sogenannten Wachstumschancengesetzes von Finanzminister Christian Lindner (FDP) werde es Hilfen geben. In der jetzigen Anpassungsphase mit höheren Zinsen wäre es das Schlimmste, Baukapazitäten abzubauen.
Lang fordert Investitionen in sozialen Wohnungsbau
Den Vorschlag der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang, über öffentliche Investitionsgesellschaften den sozialen Wohnungsbau zu fördern, lehnt Geywitz ab. "Was man nicht machen sollte, wenn die Verfassung eine Schuldenbremse vorsieht, jetzt einen Schleichweg zu finden", sagte die SPD-Politikerin.
Die Grünen-Chefin hatte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa für eine Umgehung der Schuldenbremse plädiert. "Ohne jede Auswirkung auf die Schuldenbremse können wir etwa problemlos die Bahn oder die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben so ausstatten, dass sie den Herausforderungen unserer Zeit gerecht werden", erklärte Lang. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) könne dann in den sozialen Wohnungsbau investieren.
Auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge, sprach sich für mehr staatliche Förderung aus. "Die Baubranche kann Impulsgeber für Konjunktur, Jobs und Klimaschutz sein", erklärte sie. "Um ihre Auftragslage zu stärken und bezahlbaren und energetisch hochwertigen Wohnraum zu schaffen, schlagen wir ein Programm vor, das die staatliche Förderung für die energetische Gebäudesanierung und sozialen Wohnungsbau deutlich erhöht." Ende vergangenen Jahres gab es bundesweit rund 1,088 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland - rund 14.000 weniger als ein Jahr zuvor.
Krise im Wohnungsbau verschärft sich
Insgesamt befindet sich der Wohnungsbau in Deutschland auf Talfahrt, es gibt immer weniger Neuaufträge, bestehende Aufträge werden storniert. Am Freitag hatte das Statistische Bundesamt neue Zahlen zu den Baugenehmigungen veröffentlicht: Im ersten Halbjahr 2023 gab es rund 50.600 weniger als im ersten Halbjahr 2022 - ein Einbruch von 27,2 Prozent.
Auch das Ifo-Institut hatte Alarm geschlagen: Im Juli klagten gut 40 Prozent der vom Ifo befragten Unternehmen über Auftragsmangel, nach 34,5 Prozent im Juni. Seit dem Frühling 2022 sind auffällig viele Auftragsstornierungen im Wohnungsbau zu beobachten. Als Hauptgrund für die Probleme gilt, dass der starke Anstieg der Zinsen und Baukosten den Wohnungsbau für viele Bauträger unrentabel macht.
Die Ampelkoalition hatte wegen des enormen Bedarfs vor allem in den Städten im Koalitionsvertrag den Bau von jährlich 400.000 neuen Wohnungen angepeilt - davon 100.000 Sozialwohnungen. Das Ziel rückt angesichts der aktuellen Lage in der Baubranche in weite Ferne.