Grünen-Fraktionsklausur Ballast aus Berlin
Die Grünen-Fraktion stimmt sich bei einer Klausur in Leipzig auf das Wahljahr ein. Und bringt viel Ballast aus Berlin mit, der die Tagung mit Habeck, Baerbock und Paus überschatten könnte.
Britta Haßelmann ist eine der grünen Diplomatinnen. Die Co-Chefin der Bundestagsfraktion kann in ihren Reden im Parlament zwar gut austeilen - spricht man sie auf das Klima innerhalb der Ampelkoalition an, wird sie dagegen zahm. Auf die Frage, ob die Arbeit mit SPD und FDP noch Freude macht, antwortet sie im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio: "Ich glaube, am Ende zählt das Ergebnis."
Nach ihren Worten hat die aktuelle Bundesregierung schon viele Veränderungen auf den Weg gebracht, die sich sehen lassen können. Doch Erfolge können das laute Knirschen und Knacken innerhalb der Ampel kaum übertönen. Und so dürften die vielen Konfliktthemen die Grünen-Fraktion nach Leipzig begleiten.
Die Liste ist schließlich lang. Da wäre zum Beispiel die Bezahlkarte für Asylbewerber, mit der Geflüchtete einen Teil ihrer Sozialleistungen als Guthaben bekommen sollen und nicht länger als Barauszahlung. Einige Bundesländer haben das schon umgesetzt, doch vor allem die FDP drängt auf ein Bundesgesetz, das mehr Rechtssicherheit geben soll. Einige Vertreter der Grünen halten das wiederum für unnötig.
Für den Politologen Uwe Jun von der Universität Trier ist die Bezahlkarte einer der zentralen Konfliktpunkte: "Alle Themen, die sich um Migration ranken, sind für die Grünen nicht ganz einfach. Weil sie hier unterschiedliche Positionen gerade gegenüber der FDP haben." Einschränkungen in diesem Bereich sind nach Juns Worten vor allem für die Parteibasis nur schwer zu akzeptieren.
Grüne profitieren von Stammwählern
Die Grünen sind es, die wie keine andere der Ampel-Parteien von ihren Stammwählern profitieren. Wäre am Sonntag Bundestagswahl, würden die Grünen weniger Stimmen einbüßen als SPD und FDP.
Dennoch wollen auch Stammwähler bei Laune gehalten werden, auch wenn sie ihrer Partei einiges verzeihen. Sie setzen auf die Wahlversprechen der Grünen, beispielsweise den Umstieg zu einer klimafreundlichen Energieversorgung. Und auf die Modernisierung des Wirtschaftsstandorts Deutschland, ohne dabei den Sozialstaat allzu sehr zu beschneiden. Ein weiteres Thema, das aktuell für Differenzen mit Sozialdemokraten und Liberalen sorgt.
Dazu kommt für Politologe Jun das Problem, dass die Grünen eine Großstadtpartei sind: "Wenn Sie sich Wahlergebnisse der Grünen anschauen, dann sind sie überall dort stark, wo eine Universität steht und wo die Stadt doch etwas größer erscheint." In ländlichen Regionen tun sich die Grünen dagegen schwer. Und gerade dort hat sich für Jun ein Image ausgebildet, das die Grünen eher als Zielscheibe sieht.
Partei als Zielscheibe
Seit Wochen protestieren Bauern gegen die Partei, weil ihnen die Agrarpolitik der Ampelkoalition nicht passt. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir ist schließlich ein Grüner. Einige der Aktionen schlagen in Gewalt um.
Co-Fraktionschefin Katharina Dröge verurteilt diese Form von Protest, übt im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk aber vorsichtige Selbstkritik. Sie spricht von Haushaltskürzungen, die "zu viel waren" für die Landwirte.
Aus diesem Grund hätten sich die drei Koalitionspartner auch darauf verständigt, einige der Kürzungen zurückzunehmen. Aber das kann die Wut der Bauern bisher nicht stoppen. Die Grünen-Fraktion richtet sich darauf ein, dass auch ihre Klausurtagung nicht frei von Störaktionen bleibt.
Preisgarantie fürs Deutschlandticket
Mit Blick auf die Landtagswahlen in diesem Jahr wollen die Grünen in Leipzig auch ein paar Beschlüsse ankündigen: Die Fraktion setzt sich dafür ein, dass das Deutschlandticket weiterhin 49 Euro kostet. In einem Beschlusspapier, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, ist von einer "dauerhaften Preisgarantie" die Rede. Davon würden vor allem Geringverdiener profitieren, stellt die Grünen-Fraktion klar.
Außerdem wollen die Grünen im Bundestag den Mindestlohn anheben - er soll bei 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland liegen. Das hieße für dieses Jahr: gut 14 Euro. Im Moment beträgt der Mindestlohn 12,41 Euro.
Aus dem FDP-geführten Bundesfinanzministerium kommt schon eine Absage: Eine rein ideologische Festlegung des Mindestlohns gefährde Arbeitsplätze und den Wirtschaftsstandort, heißt es. Finanzieren wollen die Grünen ihre Projekte unter anderem durch Umschichtungen im Bundeshaushalt: Sie schlagen vor, umweltschädliche Subventionen zu streichen - etwa das Dienstwagenprivileg. Fraktionschefin Haßelmann sagt, sie gehe positiv gestimmt nach Leipzig. "Das wird gut!" Trotz kräftig Gegenwind.