Peter Tschentscher und Eva Maria Tschentscher

ARD-Hochrechnung zur Hamburg-Wahl SPD gewinnt klar, CDU überholt Grüne, Linke stark

Stand: 02.03.2025 22:59 Uhr

Die SPD bleibt mit Abstand stärkste Kraft in Hamburg. Die CDU legt zu und verdrängt laut ARD-Hochrechnung bei der Bürgerschaftswahl die Grünen vom zweiten Platz. Die Linke ist erstmals zweistellig. Auch die AfD legt zu.

Genau eine Woche nach der historischen Niederlage der SPD bei der Bundestagswahl haben die Sozialdemokraten in Hamburg einen klaren Wahlsieg eingefahren. Bei der Bürgerschaftswahl kam die SPD mit dem Ersten Bürgermeister und Spitzenkandidaten Peter Tschentscher laut ARD-Hochrechnung von infratest dimap auf 33,5 Prozent. Damit schneidet sie zwar schwächer ab als bei der Wahl vor fünf Jahren (39,2 Prozent), bleibt aber deutlich stärkste politische Kraft im Stadtstaat.

Im Wahlkampf setzte die traditionell wirtschaftsorientierte Hamburger SPD ganz auf die Beliebtheit und den Amtsbonus von Tschentscher, der in Hamburg seit 2018 mit den Grünen regiert. Die rot-grüne Koalition in Hamburg gibt es seit 2015, zunächst unter Tschentschers Parteifreund Olaf Scholz, der dann nach Berlin wechselte. Tschentscher möchte Rot-Grün gern fortsetzen, Wechselstimmung war in der Hansestadt kaum vorhanden. Den Gegenwind aus Berlin versuchte man weitestgehend zu ignorieren.

Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister Hamburg, zu Problemlösungen als Priorität der Hamburger Regierung

02.03.2025 19:00 Uhr

Tschentscher will auch mit CDU sprechen

"Wir wollten stärkste Kraft in Hamburg bleiben und genau das ist auch gelungen", sagte Tschentscher auf der SPD-Wahlparty. Und vor den jubelnden Anhängern ergänzte er mit Blick auf das AfD-Abschneiden: Es sei eine Riesenbotschaft, "dass uns die Schlechtgelaunten aus der rechten Ecke vom Hals gehalten wurden in Hamburg".

Mit Blick auf die Regierungsbildung kündigte Tschentscher auch Gespräche mit der CDU an. Das gehöre sich so, sagte er in der ARD. Rot-Schwarz schließe er nicht von vornherein aus. Seine Priorität sei aber, die Koalition mit den Grünen fortzusetzen.

Grüne mit Verlusten

Die Grünen können ihr Rekordergebnis von 2020 von gut 24 Prozent nicht wiederholen - sie rutschen ab auf 18,5 Prozent. Damit werden sie hinter der CDU nur drittstärkste Kraft in Hamburg. Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Fegebank ist seit rund zehn Jahren Wissenschaftssenatorin und Zweite Bürgermeisterin, also Vize-Regierungschefin. Ihr Ziel, die Grünen zur stärksten Kraft zu machen und erste Regierungschefin in Hamburg zu werden, verfehlt sie trotz persönlich hoher Popularitätswerte noch deutlicher als bei der vergangenen Wahl. 

Dass die Grünen erheblich an Zustimmung verlieren, dürfte auch damit zu tun haben, dass ihr Kernthema Umwelt- und Klimaschutz an Relevanz eingebüßt hat. Auch der Bundestrend machte es den Grünen schwer, an den Erfolg von 2020 anzuknüpfen.

Trotz der Verluste reagierten die Grünen mit großer Erleichterung auf die ersten Zahlen. Ihr sei eine Zentnerlast von den Schultern gefallen, sagte Fegebank in der ARD vor jubelnden Anhängern.

CDU mit Gewinnen

Die CDU legt deutlich zu und kommt nun laut ARD-Hochrechnung auf 19,8 Prozent. Damit verdrängen die Christdemokraten die Grünen vom zweiten Platz. Nach ihrem Debakel 2020, als sie auf historisch niedrige 11,2 Prozent abrutschte, kann sie sich nun also wieder steigern. Angetreten war sie mit Spitzenkandidat Dennis Thering, der jedoch vielen Hamburgern weitgehend unbekannt blieb.

Die Partei tut sich trotz der Zuwächse weiterhin schwer in Hamburg und mit den typischen Großstadtthemen. Im Wahlkampf setzte sie die Schwerpunkte auf Wirtschaftspolitik sowie auf Sicherheit und Kriminalitätsbekämpfung, thematisierte etwa das Drogenproblem am Hauptbahnhof. Gehofft hatte sie zudem auf einen Merz-Effekt, also vom Bundestrend zu profitieren. Die CDU würde in Hamburg gern mitregieren und die Grünen in die Opposition schicken.

"Die Bundes-CDU hat uns sehr stark unterstützt", sagte Spitzenkandidat Thering in der ARD. Er gratulierte Wahlsieger Tschentscher und brachte sich erneut als Koalitionspartner der SPD ins Spiel. Jetzt gehe es darum, das Richtige für Hamburg zu machen.

Jörg Schönenborn, ARD Wahlexperte, zur Zufriedenheit mit der rot-grünen Regierung in Hamburg

02.03.2025 18:00 Uhr

Linke auch in Hamburg im Aufwind

Nach ihrem Überraschungserfolg auf Bundesebene ist auch die Linke bei der Hamburg-Wahl im Aufwind. Laut ARD-Hochrechnung kommt sie auf 11,2 Prozent. Damit ist sie erstmals in der Hansestadt zweistellig. Die Linke kann sich damit zu den Gewinnern der Wahl zählen. Zwischenzeitlich sahen Umfragen die Partei unter der Fünf-Prozent-Marke.

Die Linke mit Spitzenkandidatin Cansu Özdemir präsentierte sich im Wahlkampf als Alternative für SPD- und Grünen-Wähler. Sie setzte auf soziale Themen, bezahlbaren Wohnraum und eine humane Flüchtlingspolitik und machte hier vor allem den Grünen Konkurrenz. Das zweistellige Hamburger Wahlergebnis für die Linke dürfte aber auch viel mit dem für die Partei günstigen Bundestrend zu tun haben. 

"Für uns ist das ein grandioses Ergebnis", sagte Özdemir in der ARD. Özdemir hatte vergangene Woche überraschend ein Bundestagsmandat gewonnen. Wie sie nun damit umgehen will, entscheide sie in den nächsten Tagen.

AfD legt zu

Die AfD kann auf 7,5 Prozent zulegen, bleibt damit jedoch weit hinter Ergebnissen wie auf Bundesebene oder in ostdeutschen Bundesländern zurück. Die extrem rechte Partei mit Spitzenkandidat Dirk Nockemann dürfte in Hamburg auch vom Bundestagswahlkampf und hier vor allem der Debatte über eine schärfere Migrationspolitik profitiert haben. Überzeugen konnte die AfD ihre Anhänger offenbar auch bei dem Thema Sicherheit, das für viele Hamburger Umfragen zufolge eine wichtige Rolle bei der Wahlentscheidung spielte.

Nockemann zeigte sich zufrieden mit dem Abschneiden seiner Partei: "Wir sind glücklich darüber, dass wir 3,5 Prozent mehr als das letzte Mal bekommen haben", sagte Nockemann in der ARD. Er sei "überhaupt nicht frustriert".

"Man hat mehr erwartet" - Katharina von Tschurtschenthaler, NDR, zum Abschneiden der AfD

02.03.2025 17:45 Uhr

FDP, BSW, Volt unter der Fünf-Prozent-Marke

Die Lage der FDP in Hamburg ist katastrophal. Zwar war sie zuletzt in der Bürgerschaft mit einem von der SPD gewechselten Abgeordneten vertreten, doch personell wie sachpolitisch gibt sie kein überzeugendes Bild ab. Laut ARD-Hochrechnung liegt die FDP bei weit unter drei Prozent, genauso wie das erstmals in Hamburg angetretene Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), Volt liegt bei gut drei Prozent.

Macht Rot-Grün weiter?

Für die Regierungsbildung in Hamburg heißt das: SPD-Wahlsieger Tschentscher ist in der komfortablen Situation, unter zwei potenziellen Juniorpartnern wählen zu können. Er kann mit den Grünen weitermachen oder sich die CDU an Bord holen. Im Wahlkampf hatte er sich deutlich für die Fortsetzung von Rot-Grün ausgesprochen, mit einem stärkeren Anteil SPD, wie er sagte. 

Mehr Pessimismus als vor fünf Jahren

Insgesamt waren rund 1,3 Millionen Hamburger und Hamburgerinnen zur Wahl aufgerufen. Der Wahlkampf stand im Schatten der Bundestagswahl, auch wenn vor allem die Hamburger SPD sich maximal abzukoppeln versuchte vom Bundes-Ballast.

Doch die allgemeine Krisenstimmung, die Beunruhigung angesichts geopolitischer Unsicherheiten, die Sorge um den Zustand der Demokratie, aber auch um die persönliche wirtschaftliche Situation angesichts steigender Preise, hoher Mieten und Jobabbau schlugen sich auch in Hamburg nieder, wenn auch weit weniger ausgeprägt als im Bundesschnitt. Mit Zuversicht schauen aber auch in Hamburg weniger Menschen in die Zukunft als noch vor fünf Jahren. Die Wahlbeteiligung lag damals bei 63 Prozent, diesmal wird sie auf 67 Prozent geschätzt. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 02. März 2025 um 18:45 Uhr.