Haushaltswoche im Bundestag Haben sich die intensiven Beratungen gelohnt?
Finanzminister Lindner weist zum Auftakt der Haushaltswoche im Bundestag auf die intensiven Beratungen im Vorfeld hin. Und fügt hinzu: Es habe sich gelohnt. Die Oppositionsparteien sind ganz anderer Meinung.
Die Debatte beginnt mit Verspätung. "Der Gong ist kaputt, das Mikro funktioniert nicht - läuft", stellt Bundestagspräsidentin Bärbel Bas mit einem Augenzwinkern fest - das müsse an den Haushaltsberatungen liegen. Die Szene ist symptomatisch für die Aufstellung des diesjährigen Bundeshaushalts. Denn auch der kommt mit Verspätung - er sollte schon seit Wochen beschlossen sein.
Mit seiner Entscheidung zur Schuldenbremse hatte das Bundesverfassungsgericht die Ampelkoalition allerdings "kalt erwischt", wie der Grünen-Politiker Sven-Christian Kindler in der Haushaltsdebatte zugibt. Hektische Debatten waren die Folge, welche Bestandteile des Haushalts betroffen sein könnten.
Für 2023 wurde auf die Schnelle noch ein Nachtragshaushalt aufgestellt und die Schuldenbremse ein weiteres Mal ausgesetzt. Bereits gezahlte Energiepreishilfen wurden so auf eine rechtlich sichere Basis gestellt.
Doch wegen höherer Ausgaben zum Beispiel für das Bürgergeld und die Ukraine fehlten auch im Haushalt für 2024 Milliarden. Auf 17 Milliarden Euro bezifferte Finanzminister Christian Lindner das Haushaltsloch zunächst. Das Loch stellte sich später zwar als deutlich geringer heraus, die Beschlüsse der Ampel zur Gegenfinanzierung hatten da aber bereits für massive Proteste gesorgt - insbesondere von Landwirten.
Union kritisiert Anwachsen des Haushalts
Aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion zeigen diese Beschlüsse, dass es der Ampelkoalition gar nicht ums Sparen gegangen sei. Der Haushalt werde nur durch höhere Abgaben und den Griff in die Rücklagen ausgeglichen, kritisiert der haushaltspolitische Sprecher Christian Haase: "Sie haben an jedem Bäumchen gerüttelt und geschüttelt, dass noch irgendwo Geld runterfällt." Die Zeche zahlten Landwirte, Winzer, und Unternehmer im ländlichen Raum, so Haase.
Das Hauptargument der Union, das sich durch die Haushaltswoche ziehen dürfte: Verglichen mit der Zeit vor der Corona-Pandemie ist der Haushalt massiv angewachsen, mit einem Plus von rund 34 Prozent deutlich stärker als die Wirtschaftsleistung, die im gleichen Zeitraum um knapp 19 Prozent gewachsen ist, wie Fraktions-Vize Mathias Middelberg ausführt.
Das hänge mit dem starken Personalaufbau in der öffentlichen Verwaltung sowie höheren Sozialleistungen wie beim Bürgergeld zusammen, sagt Middelberg. Er folgert: "Wir leben massiv über unsere Verhältnisse."
Die AfD geht noch einen Schritt weiter: Ihr haushaltspolitischer Sprecher Peter Boehringer wirft der Ampel vor, die Höhe der Schulden zu verschleiern. Er hält den Haushalt daher für verfassungswidrig. Um das Quorum für eine Normenkontrollklage zu erreichen, bräuchte die AfD allerdings die Stimmen der Union, die keinerlei Signale in diese Richtung aussendet, obwohl sie selbst verfassungsrechtliche Bedenken hat.
So sollen Ersatzinvestitionen für Ukraine-Hilfen aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr gezahlt werden. CDU-Haushälter Haase bezweifelt, dass das mit der entsprechenden Regelung im Grundgesetz vereinbar ist. Nicht jeder verfassungsrechtliche Zweifel müsse aber automatisch eine Klage in Karlsruhe nach sich ziehen.
SPD: Sozialstaat als Bollwerk
Die Haushaltspolitiker von SPD und Grünen setzen in der Debatte einen ganz anderen Schwerpunkt: Sie würdigen die Großdemonstrationen gegen Rechtsextremismus im Land - und sehen die eigenen Maßnahmen als Beitrag zur Stärkung der Demokratie. Das beste Bollwerk gegen Demokratiefeinde sei der Sozialstaat, betont SPD-Politiker Dennis Rohde, der damit die Erhöhungen beim Bürgergeld und anderen Sozialleistungen verteidigt.
Der Grüne Sven-Christian Kindler verweist auf die Rücknahme von Kürzungen bei Freiwilligendiensten, bei der Migrationsberatung, der politischen Bildung und dem Ehrenamt: "Das ist das Rückgrat unserer Demokratie, das ist der beste Schutz unserer Verfassung. Deshalb stärken wir sie mit diesem Haushalt."
Lindners doppelte Botschaft
Finanzminister Lindner wiederum geht mit einer doppelten Botschaft in die Debatte: Im Einklang mit den Ampelpartnern SPD und Grünen würdigt er die gefundenen Kompromisse und hebt insbesondere die höheren Investitionen "für die Straße, die Schiene und digitale Netze" hervor. Um zugleich zu betonen, dass dies ohne erneute Aussetzung der Schuldenbremse möglich sei.
Das sei nicht nur ein Gebot der Verfassung, sondern auch der wirtschaftlichen Vernunft, sagt der FDP-Vorsitzende unter Hinweis auf die zuletzt deutlich gestiegenen Zinsausgaben des Staates.
An dieser Stelle lässt sich erahnen, dass auch der kommende Haushalt für Ampel-interne Diskussionen sorgen dürfte. Denn schon jetzt zeichnet sich hier eine Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben im zweistelligen Milliardenbereich ab.
Zumal die Wirtschaft weiter schwächelt, wie die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen: Im Schlussquartal 2023 sank das Bruttoinlandsprodukt erneut um 0,3 Prozent. Und je geringer das Wachstum, desto niedriger auch die Steuereinnahmen.
Schuldenbremse: Keine Annäherung erkennbar
Insbesondere die unterschiedlichen Positionen zur Schuldenbremse dürften damit weiterhin für Gesprächsstoff sorgen. Jetzt haben auch die so genannten Wirtschaftsweisen eine Lockerung der Schuldenbremse gefordert, was Finanzminister Lindner und seine FDP in der Koalition weiter unter Druck bringen könnte.
Allerdings wäre für eine Reform der Schuldenbremse eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig - und damit die Zustimmung von CDU und CSU. Die zeichnet sich jedoch nicht ab. Die Haushaltsdebatte hat nämlich auch gezeigt, dass weder die Ampelparteien auf die Union zugehen noch die Unionsparteien auf die Ampel.