Jennifer Morgan auf der COP27 Plötzlich Diplomatin
Bei der Klimakonferenz stehen entscheidende Tage an. Ob sie ein Erfolg wird, hängt auch von der Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, Morgan, ab. Die Ex-Greenpeace-Chefin ist Deutschlands Klimadiplomatin auf der COP27.
Für Jennifer Morgan sind Klimagipfel ein Heimspiel. Wenn jemand weiß, wie dort verhandelt wird, dann sie. Sie war bei allen 27 Versuchen dabei, die Welt zu retten. Paris, Kyoto, Kopenhagen - Klimagipfel sind oft auch eine Achterbahnfahrt. In Ägypten trifft sie Kollegen, Freunde, Mitstreiter. Mit vielen war sie gemeinsam verzweifelt, hat gestritten, geweint und gejubelt.
Seit ein paar Monaten ist Jennifer Morgan Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, zuständig für internationale Klimapolitik. Die gebürtige Amerikanerin wurde von der grünen Ministerin Annalena Baerbock ins Außenministerium geholt. Morgan lebt seit fast zwanzig Jahren in Berlin, hat inzwischen einen deutschen Pass.
Die Personalie war ein Paukenschlag und verbunden mit der Frage: Kann die Aktivistin Diplomatie? Das muss sie auf der Klimakonferenz in Sharm el Sheikh beweisen. Morgan ist jetzt Teil vom "Team Deutschland". Die Tage der Chefverhandlerin sind dementsprechend voll: "Wir fangen um 6.15 Uhr mit unserem ersten Termin und das geht bis Mitternacht, oder später."
"Wir haben nur noch ein paar Tage"
Bei den Verhandlungen geht es um zwei große Fragen: Wie kann der Treibhausgasausstoß gedrosselt werden? Und wer von den reichen Ländern zahlt, wenn Menschen in armen Ländern nach klimabedingten Schäden durch Dürren oder Überschwemmungen alles verlieren und Geld brauchen? In ein paar Tagen wollen die rund 200 auf der Konferenz vertretenen Staaten ein gemeinsames Abschlusspapier vorlegen.
Martin Kaiser von Greenpeace Deutschland sagt, die Ex-Greenpeace-Chefin müsse jetzt liefern: "Ich erwarte von ihr, dass sie all die Erfahrungen, die sie gemacht hat, in den letzten Stunden dieser Konferenz so einbringen kann, dass wir nicht einen kleinsten gemeinsamen Nenner am Ende haben."
Für Jennifer Morgan ist die Klimakonferenz in Ägypten ihre bisher größte Aufgabe. "Ich bin ein bisschen ungeduldig", sagt sie, "weil wir haben nur noch ein paar Tage. Deshalb bin ich bereit, dass wir tiefer einsteigen und Lösungen finden."
Wenig Zeit für Klimaaußenpolitik
Klimapolitik ist Außenpolitik. Denn der Klimawandel verschärft Konflikte, führt zu Hunger, Krisen, Krieg und Flucht. So sieht es auch Außenministerin Annalena Baerbock. Deswegen ist nun das altehrwürdige Außenamt zuständig - ein Haus voller Generalisten, die immer wieder Posten wechseln und sich in viele Themen einarbeiten. Ganz anders die Klimaexperten, die aus dem Umweltministerium nun neu dazugekommen sind. Da gibt es Reibungen.
Dazu kommt, dass der Krieg in der Ukraine alles überschattet. Für die Ministerin bleibt kaum Zeit, um Klimaaußenpolitik zu machen. Sie muss sich nun eher dafür rechtfertigen, warum Deutschland in der ganzen Welt Gas einkauft und Kohlekraftwerke wieder anfährt. Das Bild vom Musterschüler ist angekratzt.
Für ihren bisherigen Auftritt in Sharm El-Sheikh bekommt die Sonderbeauftragte Morgan Anerkennung, auch von der Opposition. Der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann, Vorsitzender der Klima-Union, sagte im Gespräch mit der ARD auf der Klimakonferenz, Morgan habe eine schwierige Rolle, weil der eigentliche Verhandlungspartner die EU sei. "Nach meiner Beobachtung macht sie das ganz gut. Und sie gleicht es ein wenig atmosphärisch aus, dass die Bundesregierung so schlecht vorbereitet zu dieser Konferenz gekommen ist."
Damit meint Heilmann, dass die Bundesregierung sich im Vorfeld nicht auf ein nationales Klimaschutz-Sofortprogramm einigen konnte. Und angesichts der Energiekrise selbst wieder auf Kohle und Gas, also klimaschädliche Energien, setzt.
Vorsichtiger Optimismus
Morgan zeigt sich dennoch überzeugt, dass Deutschland auf der Klimakonferenz eine Vorreiterrolle einnimmt. "Wir sind dabei, den ganzen Prozess zu beschleunigen, dass wir das 1,5-Grad-Ziel nicht verlieren. Trotz aller Herausforderungen - wir kriegen das hin. Aber wir müssen das alle zusammen schaffen."
Heute reist auch Morgans Chefin nach Sharm el-Sheikh. Außenministerin Annalena Baerbock kommt für die entscheidenden Verhandlungstage, reingepresst in einen vollen Terminkalender. Sie braucht ihre Staatssekretärin vor Ort, die dann kurz in den Schatten treten wird.