Koalitionsausschuss Ein Sonntag mit vielen Problemen
Die Liste der Ampel-Konfliktthemen ist lang. Vor allem Grüne und FDP scheinen in zentralen Punkten nicht zusammenzukommen - und der Kanzler hält sich zurück. Was bringt der Koalitionsausschuss, der gerade läuft?
Es brodelte wohl schon länger im Vizekanzler. Robert Habeck redet sich in dieser Woche in Rage. Er spricht davon, dass die Koalition ihrem Auftrag zurzeit nicht ausreichend nachkommt. Der Wirtschaftsminister empfindet Stillstand in der selbsternannten Fortschrittskoalition.
Habeck will mehr Tempo, vor allem beim Klimaschutz - damit Deutschland das Ziel erreicht, bis 2045 klimaneutral zu werden. "Man kann ja jetzt nicht behaupten, dass im Moment die Dinge zügig abgearbeitet werden, obwohl sie meiner Ansicht nach entscheidungsreif sind."
Habeck teilt gegen die Koalitionspartner aus und prangert Durchstechereien "des billigen taktischen Vorteils wegen" an. "So etwas passiert nicht aus Versehen. Deswegen bin ein bisschen alarmiert, ob überhaupt Einigungswille da ist." Es herrscht Alarmstimmung beim Wirtschaftsminister, der damit auch ein Zeichen an die eigene Partei senden will.
Es grummelt bei den Grünen. Sie haben das Gefühl, zu viele Zugeständnisse an die Koalitionspartner zu machen. Gleichzeitig ist es der Versuch, vor dem Treffen der Koalitionsspitzen Druck aufzubauen.
Die Liste der Streitthemen ist lang
Auch wenn alle drei Parteien fordern, dass die Koalition wieder mehr an einem Strang ziehen müsse, gibt es weiter öffentlichen Streit. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai spricht sich etwa für einen behutsameren Kurs im Klimaschutz aus.
Die SPD wiederum wirft beiden Koalitionspartnern vor, dass es ihnen weniger um Lösungen geht - als darum, sich zu profilieren. SPD-Parteichef Lars Klingbeil will, dass mit dem öffentlichem Streit Schluss ist. Statt sich täglich Ratschläge zu erteilen und gegenseitig Vorwürfe zu erheben, fordert Klingbeil, dass Gesetze auf den Weg gebracht werden. Alle in der Ampel müssten sich fragen, wie sie schneller und effektiver werden könnten.
Dabei lastet Druck auf allen in der Koalition. Nach wochenlangen Streitereien müssen nun Lösungen gefunden werden. Auch als Zeichen nach außen, dass die Koalition nicht nur streiten kann. Die Liste der Konfliktthemen ist allerdings so lang und kompliziert, dass der Koalitionsausschuss heute Abend längst nicht alle Probleme lösen wird - auch wenn das Thema Verbrenner-Aus inzwischen abgeräumt wurde.
Zumindest ein Kompromiss in Sicht
Ein weiteres Streitthema aber ist zum Beispiel die Zukunft von Öl- und Gasheizungen. Ab dem kommenden Jahr soll möglichst jede neu eingebaute Heizung überwiegend mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Dies könnte in der Praxis auf das Ende für Öl- und Gasheizungen hinauslaufen.
Darauf hatten sich alle drei Koalitionspartner eigentlich schon verständigt. Doch es gibt öffentlich Streit über die Details, noch ehe der Gesetzentwurf überhaupt fertig ist.
Auf Wiedervorlage steht außerdem die Frage, ob Autobahnen oder die Bahn schneller ausgebaut werden sollen. Das Thema stand schon beim vergangenen Treffen auf der Tagesordnung, allerdings ohne Ergebnis. Seitdem ist zumindest öffentlich nicht zu erkennen, wie ein Kompromiss aussehen könnte.
Einig ist sich die Koalition, dass die Infrastruktur schnell modernisiert werden soll. Wo aber soll der Schwerpunkt liegen? Grüne wollen der Bahn Vorrang gewähren, Verkehrsminister Volker Wissing setzt auch darauf, Straßen und Autobahnen schneller zu bauen. Dagegen wehrt sich Bundesumweltministerin Steffi Lemke: "Dass wir beim Autobahnneubau sagen, Klima- und Umweltschutz ist unwichtig, Straßenbau ist wichtiger, das kann nicht sein."
Trotz unterschiedlicher Positionen könnte der heutige Sonntag zumindest in dieser Frage eine Lösung bringen. Ein Kompromiss, auch den Bau von Autobahnbrücken zu beschleunigen, liegt seit Wochen auf dem Tisch. Vielleicht wird es erst nach langen Verhandlungen zu einer Einigung kommen - so wie vor einem Jahr als der Koalitionsausschuss erst am frühen Morgen endete. Das Ergebnis: Jede Partei hat ein Projekt durchgesetzt.
Vereint im Ärger über den Kanzler
Allerdings ist das Geld inzwischen knapper, auch weil es so teuer war, die Folgen des russischen Angriffskrieges abzufedern. Das heißt, die Ampel wird sich nicht aus ihren Konflikten freikaufen können. Im Gegenteil: Die laufenden Haushaltsverhandlungen dürften sie weiter befeuern.
Im Koalitionsausschuss soll es offiziell nicht um den Haushalt gehen, aber natürlich spielt Geld eine Rolle bei der Lösung von vielen strittigen Themen. Finanzminister Christian Lindner hat die Eckpunkte für den Haushalt schon einmal verschoben.
Darin sieht sein Vorgänger, der heutige Bundeskanzler Scholz, kein Problem. Er habe das in der Vergangenheit auch schon gemacht, das sei kein Grund zu Aufregung: "Jedenfalls bei mir nicht. Alles ist eigentlich so weit wie schon oft gehabt."
Alles wie gehabt - das bedeutet auch, dass Scholz seine Koalition streiten lässt. Vor allem Grüne und FDP. Die sind zumindest vereint im Ärger über das Kanzleramt. Zuletzt war immer wieder zu hören, der Bundeskanzler müsse Prozesse besser steuern und Blockaden lösen.
Auf Druck von außen reagiert Scholz aber eher abwehrend. Im Koalitionsausschuss könnte er nun die Gemüter beruhigen und seine Koalition zu Lösungen bringen. Sonst redet sich vielleicht bald schon der oder die nächste in Rage.