Förderung für Gaskraftwerke Habecks Kraftwerksstrategie lässt auf sich warten
Deutschland soll 2030 raus aus der Kohle. Dafür braucht es neue Gaskraftwerke und staatliche Förderung. Eine Kraftwerksstrategie sollte längst vorliegen - doch die Haushaltskrise erschwert die Planung.
Der Rahmen für die Kraftwerksstrategie stehe, frohlockte das Bundeswirtschaftsministerium am 1. August dieses Jahres. Und Robert Habeck nannte auch schon konkrete Zahlen, für welche Energiemengen er bis wann Förderungen ausschreiben wolle: 8,8 Gigawatt an reinen Wasserstoff-Kraftwerken, weitere 15 GW an Wasserstoffkraftwerken, die vorübergehend mit Erdgas betrieben werden können - und zehn dieser 15 GW schon bis 2026.
Gaskraftwerke sollen Kohlekraftwerke ablösen
Benötigt werden die Kraftwerke, um die Stromnachfrage ab dem Jahr 2030 möglichst ohne Kohlestrom befriedigen zu können. 80 Prozent des deutschen Stromverbrauchs sollen bis dahin aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden, und wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, sollen Gaskraftwerke einspringen.
Der Kohleausstieg 2030 hängt also an der Kraftwerksstrategie - und die lässt bis heute auf sich warten. Mag es auch seit dem 1. August einen "Rahmen" geben: Das Bild, das er umgeben soll, ist noch immer ein weißes Blatt Papier.
Noch im November stellte Wirtschaftsstaatssekretär Philipp Nimmermann bei einer Konferenz der Deutschen Energieagentur (Dena) die fertige Strategie bis zum Jahresende in Aussicht. Doch davon ist inzwischen keine Rede mehr: Das Bundeswirtschaftsministerium gibt keine Antwort auf die ARD-Anfrage, wann die Kraftwerksstrategie veröffentlicht wird.
Keine Kraftwerksstrategie wegen KTF-Urteil?
Ein Grund dafür dürfte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeshaushalt und dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) sein, in dessen Folge fast alles auf der Kippe steht, was Geld kostet - also auch die staatliche Förderung für Gaskraftwerke.
Das Wirtschaftsministerium legt allerdings wert auf die Feststellung, dass die Arbeiten an der Strategie "nicht pausiert" seien: Die Strategie werde "selbstverständlich mit Hochdruck weiterverfolgt". Allerdings müssten die relevanten Fragen beim KTF gleichzeitig geklärt werden. Soll wohl heißen: Minister und Grünen-Politiker Habeck arbeitet an einer kostengünstigeren Kraftwerksstrategie.
Habecks Koalitionspartner FDP zeigt Verständnis. Fraktionsvize Lukas Köhler sagte dem ARD-Hauptstadtstudio, die bisherigen Vorschläge des Ministers für die Förderung von Bau und Betrieb von Kraftwerken hätten viel Geld gekostet. "Angesichts der Haushaltslage ist es daher folgerichtig, die Kraftwerksstrategie in dieser Form nicht weiter zu verfolgen."
CDU und SPD: Strategie müsste längst fertig sein
Kritischer sieht das der stellvertretende CDU-Chef Andreas Jung. Seiner Ansicht nach hätte die Kraftwerksstrategie längst kommen müssen - "schon vor dem Haushaltsurteil aus Karlsruhe".
Ein Kritikpunkt, der Wirtschaftsminister Habeck so ähnlich auch vom Koalitionspartner SPD entgegenschlägt: Deren Energiepolitiker Markus Hümpfer sagte dem ARD-Hauptstadtstudio, um 2030 tatsächlich ausreichend Strom zur Verfügung zu haben, müsste die Kraftwerksstrategie "eigentlich seit gestern" vorliegen.
Zukunft Gas: "Fünf nach zwölf"
So ähnlich sieht es auch die Gaswirtschaft. Aus deren Sicht "ist es bereits fünf nach zwölf", sagt Timm Kehler, Vorstand des Interessenverbandes Zukunft Gas. Die Abschaltung der Kohlekraftwerke sei bis 2030 kaum noch realisierbar. Denn, so Kehler weiter, für die dafür notwendigen neuen, wasserstofffähigen Gaskraftwerke müsse mit einer Bauzeit von fünf bis sechs Jahren gerechnet werden.
Auch der Verband der kommunalen Unternehmen macht Druck. Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing warnte Wirtschaftsminister Habeck vergangene Woche eindringlich vor weiteren Verzögerungen bei der Kraftwerksstrategie. Er forderte Planbarkeit und Investitionssicherheit: "Ohne Kraftwerksstrategie ist das Risiko für Investoren zu hoch und notwendige Investitionen werden zunächst ausbleiben."
Es ist also weitgehend Konsens, dass die Zeit drängt. FDP-Fraktionsvize Köhler erwartet, "dass das Wirtschaftsministerium bald ein neues Konzept vorlegen wird", und SPD-Energiepolitiker Hümpfer wünscht sich, nicht mehr "so viel Zeit in der Koordinierung zwischen Brüssel und Berlin zu verlieren".